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Namjoons P.O.V.

Wütend und mit schnellen Schritten laufe ich durch Seoul. Was bildet er sich nur ein? Meine Angelegenheiten gehen ihn überhaupt nichts an. Dass er mich rausgeschmissen hat kümmert mich auch nicht. Soll er doch allein in seiner großen Wohnung versauern. Mein Handy vibriert und ich hole es aus meiner Hosentasche. Der Anrufer ist Jin. Ich drücke ihn weg und gehe weiter, bis ich zu einer schäbigen Eckkneipe komme.

Ich betrete den kleinen Laden und laufe sofort zur Bar. Dort bestelle ich mir etwas Hochprozentiges und setzte mich auf einen der hohen, roten Barhocker. Ich blicke mich um. In dem schummrigen Licht kann ich nicht viel erkennen außer ein paar Leute, die zur schlechten Musik tanzen oder ebenfalls auf den ungemütlichen Barhocken sitzen. Plötzlich streift etwas meinen Nacken und ich fahre herum. Vor mir steht ein Mädchen, vielleicht ein bisschen jünger als ich und zwinkert mir zu. Sie hat mehr Schminke als Haut im Gesicht und an ihren Ohren hängen große, runde Ohrringe, die fast ihre schmalen Schultern berühren. "Hi, na!", sagt sie. Ich sage nichts und nehme das kleine Glas, das vor mir auf die Theke geknallt wird und kippe den kühlen Inhalt hinter. Sie stellt sich so nah vor mich, dass ihre Hüfte gegen meine Knie drückt und haucht mir ins Ohr: "Willst du nicht mit nach oben kommen? Du siehst aus, als hättest du eine Ablenkung nötig." Ich verschlucke mich und starre sie ungläubig an. "Wie alt bist du, mh?" Sie legt den Kopf schief und klimpert mit ihren falschen Wimpern. "Und du?" Ich stehe auf und will mich an ihr vorbei drücken, doch sie legt die Hand auf meine Brust und kommt mit ihrem Mund so nah an mein Gesicht, dass ihre Lippen meine Haut streifen. "Ich mach's dir billiger.", dann beißt sie leicht in mein Ohr. Aha, daher weht der Wind. Ich drücke sie von mir weg und schiebe mich durch den Club in Richtung Ausgang. "Ey!", ruft eine Stimme hinter mir, "Du hast noch nicht bezahlt." Ich gehe zurück, lege ein paar Münzen auf den Tisch und verlasse die Bar.

Draußen atme ich die frische Luft ein und mache mich auf den Weg zum Theater. Es war genug Alkohol um mich zu wärmen, aber zu wenig um meine Sinne zu benebeln. Es ist noch früher Nachmittag, also habe ich noch genug Zeit bis ich zur alten Fabrik und damit zu Xiumin muss. Unterwegs kaufe ich mir eine Wasserflasche und ein Brötchen. Mein Abendessen.

Als ich in meinem Viertel ankomme, klopfe ich an einer alten Tür, von der die blaue Farbe schon abgebröckelt ist. Hierher komme ich manchmal um, der hier lebenden Mutter mit ihren zwei Kindern zu helfen und etwas zu reparieren oder zu bauen. Dafür bekomme ich Geld und manchmal auch warme Mahlzeiten. Eine Hand wäscht die andere, sagt sie immer. Die Tür wird geöffnet und dahinter steht eine Frau mittleren Alters mit einem kleinen, weinendem Kind an der Hand. "Hallo Hyun-Sook...", sage ich. "Jetzt nicht, Namjoon.", unterbricht sie mich, "Komm wann anders wieder." Sie wedelt mit der Hand, dass ich verschwinden soll. "Ist alles ok bei dir?", frage ich, als eine laute Männerstimme aus der Wohnung schallt. Sie nickt und versucht die Tür zu schließen, aber ich dränge mich schnell herein. Dann sehe den kleinen, blauen Fleck unter ihrem Auge. "Wer war das?", frage ich wütend. "Namjoon, hast du getrunken?" "Wer war das?!" Sie dreht den Kopf weg. "Er... tauchte plötzlich hier auf und... ", sie deutet hinter sich in Richtung Küche. Ich schiebe sie beiseite und betrete die kleine Küche. Vor dem Tisch steht ein Mann und hat das ältere von Hyun-Sooks Kindern an den Schultern gepackt und schreit es an. Ich stoße ihn von dem verängstigten Jungen weg und schlage ihm ins Gesicht. "Was hast du hier verloren?", frage ich und stelle mich mit verschränkten Armen vor ihn. Er hält sich die blutende Nase und will auf mich losgehen, aber ich drehe ihm den Arm auf den Rücken und zwinge ihn auf die Knie. "Lass mich los, kleiner! Das ist meine Familie und du solltest gehen sonst..." "Sonst was?", lache ich spöttisch. Ich ziehe ihn hoch, bugsiere ihn in den Flur und presse ihn gegen die Wand. "Dass das deine Familie ist, hättest du dir vorher überlegen sollen, denn jetzt ist es zu spät, "Papi". Und jetzt verpiss dich und wage es nicht dich noch einmal hier blicken zu lassen!" Ich öffne die Haustür und stoße ihn mit einem Tritt nach draußen. Er fällt in den Dreck und ich gehe zu ihm und schlage auf ihn ein, bis Hyun-Sook mich am Arm festhält. "Das reicht!", flüstert sie schwach. Ich lasse von dem betrunkenem Mann ab und wende mich ihr zu. Er rappelt sich währenddessen auf und taumelt davon. Sie schließt kurz die Augen. "Danke, Namjoon." Ich blinzele nur. "Kommst du klar?" Sie nickt und geht zurück ins Haus. Ich schüttele den Kopf und wende mich zum Gehen. Meine Fingerknöchel sind rot und rissig und ich lutsche das Blut von ihnen ab. Jin und sein Geld, das ich aus dem Portemonnaie genommen habe, sind fürs Erste aus meinen Gedanken verschwunden.

Another Day // Namjin ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt