Jake
Ich bin kaum in London eingetroffen, da werde ich auch schon zur Queen zitiert.
Sicherlich will sie wissen, wo ich Silvester war. Wenn sie das herausfindet, wird sie mich suspendieren oder feuern.
Doch es wird nicht so schlimm, wie ich erwartet habe. Die Königin sitzt in ihrem Sessel und hat schon Andrej und Tim bei sich, die ebenfalls traurig aussehen.
„Da sind Sie ja, Jake!", sagt sie und ich verbeuge mich vor ihr.
„Entschuldigt die Verspätung", sage ich und nehme neben Tim auf dem Sofa Platz.
„Wir sprachen gerade darüber, was mit Ihnen passiert, wenn Henry...also wenn er nicht mehr aufwacht", teilt die Queen mir gefasst mit.
„Verzeiht die Frage, aber wie steht es wirklich um ihn?", frage ich vorsichtig.
„Schlecht", antwortet Tim. „Es besteht nur eine geringe Chance, dass er aufwachen könnte.Charles erhielt bereits die Papiere zum Abstellen der Maschinen."
Ich bin mehr als erschrocken über seine Worte. Die Zeit spielt gegen uns, denn je länger Henry liegt, desto mehr baut er ab.„Ich teile jeden Tag die Wachleute ein, die das Krankenhaus und sein Zimmer beaufsichtigen", sagt Andrej.
„Sie sind nun hier bei mir, damit ich mit Ihnen alles Weitere besprechen kann", sagt die Queen mit brüchiger Stimme. „Mir ist durchaus bewusst, dass Sie drei direkt Henry unterstehen, dennoch möchte ich Sie bitten, William ab sofort dieselbe Loyalität entgegen zubringen. Er ist der neue Thronfolger und braucht umfassenden Schutz."
„Mein Vertrag gilt bis zu Henrys Tod", meint Andrej. „Ich werde auch so lange für keinen anderen arbeiten."Die Queen sieht ihn ernst an.„Doch, das werden Sie. Aber Sie werden genauso noch für Henry tätig sein, auch wenn er nicht mehr so viel Schutz braucht, da er ja ans Bett gefesselt ist."Ihre Stimme bricht und sie tupft sich die Augen mit einem Taschentuch.
Ich habe Mitleid mit ihr, denn sie muss jetzt stark sein und darf nicht so trauern wie wir anderen.Ich habe keine andere Wahl, als dem zuzustimmen. Wenn ich Tori helfen will, zu Henry zu gelangen, muss ich weiterhin für die königliche Familie arbeiten.
„Hat William denn keine eigenen Leibwächter?", höre ich mich fragen, bevor ich richtig darüber nachdenke.
„Natürlich hat er die. Aber während Henrys Abwesenheit müssen Sie ja anderweitig eingesetzt werden", antwortet die Queen. „Ich will Ihr Potenzial nicht verschwenden, nach allem, was Sie für uns getan haben."
Damit meint sie Toris Entführung, auch wenn sie nie auf die Idee käme, dies direkt auszusprechen. Ich fühle mich ein kleines bisschen geehrt, als sie das sagt. Man bekommt nicht mal eben so ein Lob von der Queen – das muss man sich verdienen.
„Also gut, ich stimme zu", sage ich nun. Zögernd tun Andrej und Tim es mir nach. Die Queen ist zufrieden mit dem, was sie erreicht hat und lässt uns gehen.
Draußen wartet Andrej ab, bis Tim uns verlässt, ehe er mich anspricht.
„Du hast einen Plan, mein Freund", sagt er leise zu mir. „Deshalb hast du gleich zugestimmt."Ich nicke. Wir ziehen uns in eine dunkle Ecke zurück, wo uns niemand sehen kann. Dann erzähle ich ihm alles und Andrej nickt begeistert.
„Ich vermisse Tori schon", seufzt er, „aber deinen Plan auszuführen wird schwierig. Und ob Henry überhaupt merkt, wenn sie da ist..."
„Das ist jetzt völlig egal", unterbreche ich ihn. „Wichtig ist, dass du mich dabei unterstützt."„Aber natürlich!", sagt der Russe fast schon beleidigt. „Ich werde tun, was ich kann, mein Freund."Mit Andrej im Rücken kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Hoffe ich jedenfalls.
Tori
Nach dem Besuch meiner Freundinnen habe ich es endlich übers Herz gebracht, meinen Eltern von dem Unfall zu erzählen. Sie waren sehr mitfühlend, halten aber nichts von meiner Idee, nach England zu fliegen. Irgendwie konnte ich sie aber dann doch überzeugen und nun stehen wir auf der Landebahn vor Roberts Privatjet.
Robert und Mathilda haben uns begleitet. Die Französin ist regelrecht ausgerastet, als sie den Jet und Jules Robert dazu sah. Er musste gleich ein Autogramm geben und mehrere Fotos machen lassen. Mein Bro verfolgte das Ganze nicht ohne Eifersucht.
„Ich wünsche euch eine gute Reise", sagt meine Mutter zum Abschied. „Erwarte nicht zu viel,wenn du Henry siehst. Er wird dich nicht anlächeln und wahrscheinlich nicht mal reagieren,wenn du ihn berührst. Aber ich bin sicher, dass er dann trotzdem weiß, dass du da bist."Ich blinzele die Tränen weg und umarme sie herzlich.Ich verabschiede mich auch vom Rest meiner Familie und von Mathilda, bei der ich eigentlich ganz froh bin, sie eine Zeit lang nicht mehr sehen zu müssen.
Dann steige ich in das Flugzeug und die Türen schließen sich hinter mir. Katha und Jule sitzen schon drin und wir wollen starten, als sich plötzlich die Türen öffnen und zu unser aller Überraschung Christin mit Paolo und La Bello in den Jet stürmen.
„Ich denke, du darfst nicht fliegen", sagt Katha verblüfft.
„Doch darf ich, denn bis zur Geburt sind es noch zwei Monate", sagt Christin grinsend.„Außerdem wäre es doch auch cool, das Kind im Flieger zur Welt zu bringen."Robert verzieht bei dieser Bemerkung ein wenig das Gesicht, weil er sich die Sauerei vorstellt, die dabei entsteht.
Paolo und Christin setzen sich uns gegenüber, La Bello liegt zu ihren Füßen. Der Hund ist seit unserer letzten Begegnung ganz schön gewachsen.
„Bleibst du bei den Mädels?", will Robert von Paolo wissen. Dieser nickt zaghaft.
„Gut, dann passt wenigstens einer von uns beiden auf diese Verrückten hier auf", meint Robert zufrieden. „Ich würde es ja auch machen, aber die Bundesliga ruft."Jule verdreht grinsend die Augen.
„Du würdest uns alle nicht auf Dauer vertragen."Lächelnd gibt Robert ihr einen Kuss.
Ich stelle mir dabei unwillkürlich Henry und mich vor und muss mich abwenden, weil die Erinnerungen an die vergangene Zeit so sehr schmerzen.
Wo wären wir jetzt, wenn wir uns nicht getrennt hätten?
Ich weiß es nicht und vielleicht will das Schicksal es so, wie es gerade ist.La Bello sieht mich treuherzig an und ich kraule ihn hinter den Ohren.
„Will jemand Champagner?", fragt Katha in die Runde.Alle schütteln den Kopf und sie verzieht enttäuscht das Gesicht.
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Story of my Life - verzweifelte Hoffnung
RandomDer weltberühmte Philosoph Nietzsche sagte: „Hast du eine große Freude an etwas gehabt, so nimm Abchied! Nie kommt es zum zweiten Male." Tori ist verzweifelt, ausgelaugt und ein Schatten ihrer Selbst. Zu Silvester wollte sie sich mit Henry t...