Christin
Paolo und ich sind gerade vom Einkaufen zurückgekehrt, als mein Handy klingelt. Erschrocken lasse ich beinahe eine Tüte fallen und nehme das Gespräch an.
„Hallo?", frage ich und versuche, nicht allzu genervt zu klingen. Das fällt schwer, wenn zwei Kinder nach Nahrung schreien. Aber meine Nerven sind wie Stahlseile – dünne Stahlseile. Sie werden das schon aushalten.
„Christin, hier ist Tori. Ich brauche deinen fachkundigen Rat", höre ich eine aufgeregte Tori am anderen Ende. Schnell lege ich die Einkäufe ab, verschwinde nach oben ins Schlafzimmer und überlasse Paolo die Kinder. Ich habe die Dringlichkeit des Anrufes erkannt.
„Okay, schieß los", sage ich und logge mich schon mal ins Internet ein, für den Fall, dass meine herausragenden Stalkingfähigkeiten gebraucht werden.
„Naja, also..."stottert Tori herum. „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll..."
„Nenn mir einfach den Namen und ich erledige den Rest", ermutige ich sie. „Ich werde darüber schweigen wie ein Grab."
„Das ist gut, denn ich glaube, ich bin schwanger...", sagt Tori leise, als beichte sie mir ein Schwerverbrechen. Ich verlasse das Internet, denn diesen Fall kann ich damit nicht lösen. Hier müssen mütterliche Ratschläge her. „Okay, und wie kommst du darauf?", will ich wissen.
„Ich habe seit einem Monat meine Tage nicht mehr bekommen, wenn du verstehst, was ich meine", antwortet sie panisch. „Ich habe auch schon einen Test gemacht, der war positiv." Ich setze mich aufs Bett und schließe die Augen.
„Alles klar", sage ich, um die Zeit zu überbrücken. „Alles klar."
„Gar nichts ist klar!", empört sich Tori. „Ich habe hier ein riesen Problem! Dir dürfte klar sein, dass ich kein Kind von Henry möchte. Denn wie du weißt, haben wir uns getrennt, also er hat mich viel eher sitzen lassen. Ich will jetzt nicht schwanger sein. Das passt überhaupt nicht in meine derzeitige Situation."
Ich nicke, was sie natürlich nicht sehen kann, deshalb spreche ich meine Gedanken laut aus. „Ich verstehe dich vollkommen, Tori. Die Sache ist nur, dass du erstmal zum Arzt gehen solltest, damit du weißt, ob du tatsächlich schwanger bist. Es kann auch nur sein, dass der ganze Stress dafür verantwortlich ist." „Dann hätte ich ja Glück, wenn es so wäre. Und hatte ich jemals Glück?", fragt Tori zynisch. Sie sieht das wieder so negativ!
„Alles wird gut, du wirst schon sehen", versuche ich, ihr Mut zu machen. „Ich kenne einen super Frauenarzt."
„Ich will nicht zum Arzt!", unterbricht sie mich genervt. „Ich hatte gehofft, du könntest mir weiterhelfen."
„Jetzt komm mal runter", sage ich ruhig. „Ich habe morgen ohnehin einen Termin dort und werde dich einfach mitnehmen und vorstellen."
Gesagt, getan. Am nächsten Tag sitzen Tori und ich im Wartezimmer bei meinem Frauenarzt. Die Schwester hatte anfangs etwas gezickt, weil Tori keinen Termin hat, aber nachdem ihr die Tragweite unseres Besuches bewusst wurde, war sie plötzlich ganz nett.
Der Arzt ruft zuerst mich auf. Ich bin nach wenigen Minuten fertig, weil alles in Ordnung ist und er mir bestätigt hat, dass ich in der Lage bin, noch vielen gesunden Kindern das Leben zu schenken. Nicht, dass ich das in naher Zukunft vorhätte.
Als Tori dran ist, warte ich ungeduldig im Wartezimmer. Und ich warte eine halbe Stunde lang, bis ich ins Zimmer gerufen werde, weil die Schwester nicht mehr weiter weiß. „Ihr Freundin ist sehr...aufgelöst", teilt sie mir mit. Und das ist noch untertrieben. Tori ist stinksauer und der Arzt sehr genervt.
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Story of my Life - verzweifelte Hoffnung
RandomDer weltberühmte Philosoph Nietzsche sagte: „Hast du eine große Freude an etwas gehabt, so nimm Abchied! Nie kommt es zum zweiten Male." Tori ist verzweifelt, ausgelaugt und ein Schatten ihrer Selbst. Zu Silvester wollte sie sich mit Henry t...