Jule
„Wie ist es für Sie, Spielerfrau zu sein?", fragt die Journalistin neugierig und hält ihr Aufnahmegerät möglichst nah an mich heran. Dieses Interview ist wie all die anderen zuvor.Jeder will dasselbe wissen, hat dieselben Fragen und alle spekulieren darauf, dass ich mir selbst widerspreche. Aber ich gebe überall die gleichen Antworten, denn ich habe sie auswendig gelernt und kann sie überzeugend verkaufen.
„Es ist vor allem aufregend", antworte ich und setze ein feines Lächeln auf. „Viele denken, es wäre etwas Besonderes, dabei unterstütze ich lediglich meinen Ehemann bei seiner Arbeit, sowie es alle liebenden Frauen tun würden."Die Reporterin nickt zustimmend.
„Da haben Sie sicherlich Recht, doch so ein Leben hat doch bestimmt auch seine Vorzüge?"Ich beneide die Frau nicht um ihre Arbeit. Wahrscheinlich hat sie schon alle Interviews gelesen, die ich je gegeben habe und muss nun feststellen, dass sich meine Antworten kaum verändern. Das ist meine Strategie, um als Interviewpartner uninteressant zu werden, damit ich meine Ruhe habe.
„Natürlich hat es die. Aber ich lebe nicht allein auf Roberts Kosten, wie viele möglicherweise denken. Ich habe meine eigenen Projekte", sage ich freundlich. Allerdings ist das eine riesige Lüge. Ich lebe von Roberts Geld, weil ich momentan nichts Eigenes habe, doch das muss ja keiner wissen.
„Bei so viel Arbeit bleibt nicht viel Zeit für Familienplanung, oder?", fragt die Frau weiter.Auch das ist eine Standardfrage, die mich inzwischen nervt.
„Robert und ich planen bereits die Zukunft", sage ich ausweichend. Ich will nicht für wilde Spekulationen sorgen, die uns nur ungeliebte Aufmerksamkeit bringen. Ehrlich gesagt, haben wir noch nicht wirklich über Kinder gesprochen, was mich ein bisschen ärgert. Meine biologische Uhr tickt und je länger wir warten, desto älter werde ich.
„Könnten Sie bitte mehr ins Detail übergehen?", fragt die Journalistin und wittert wahrscheinlich eine Schlagzeile. Doch zu ihrer Enttäuschung schüttele ich den Kopf.
„Wie verbringen Sie und Robert Ihre Freizeit?", stellt sie nun die nächste Frage.Ich streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und setze mich aufrechter hin.
„Normalerweise verbringen wir unsere Freizeit zu Hause, um einfach mal Zeit zu zweit zuhaben. Manchmal besuchen wir Freunde und Robert wird auf viele Events eingeladen, zu denen wir gehen."
„Ich habe gehört, dass Sie sich vor Kurzem eine Insel gekauft haben", liest die Reporterin aus ihren Notizen vor. „Erzählen Sie."Ich seufze. Wer hat ihr das verraten?
„Ja, wir haben eine kleine Insel gekauft, wo wir unseren Urlaub verbringen. Dort sind wir fernab des Trubels von Zuhause und können entspannen und abschalten. Das ist besonders für Robert sehr wichtig, damit er mal nicht nur an Fußball denkt", antworte ich und die Journalistin lächelt.
„Das klingt ja so, als wäre Robert völlig von seinem Job besessen. Hat er denn ausreichend Freizeit, um mit Ihnen auf die Insel zu fliegen?"
„Ja, zwischen den Spielen oder während der Saisonpause", sage ich knapp. Die Journalistin scheint mein Unbehagen zu spüren und schaltet das Aufnahmegerät aus.
„Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und das Interview", sagt sie freundlich und erhebt sich.
„Auf Wiedersehen", sage ich noch und führe sie zur Haustür.
Es ist schrecklich, dass die Presse weiß, wo wir wohnen. Aber das Management von Robert war damit einverstanden,also muss ich da durch. Ich warte, bis sie die Treppen nach unten gegangen ist und schließe dann erst die Tür. Man weiß ja nie!
Vielleicht hätte sie noch an der Tür gelauscht, ob ich gleich telefoniere oder so. Außerdem suche an ihrem Stuhl und am Tisch nach kleinen Wanzen, um sicher zu gehen, dass sie nicht alles mitschneiden, was in dieser Wohnung gesprochen wird.
Weil ich nichts weiter zu erledigen habe, beschließe ich, Tori anzurufen und mich nach Henry zu erkundigen. Sie geht sofort ran.
„Jule!", freut sie sich. „Wie geht es dir?"
„Gut und dir?", frage ich zurück.
„Mir geht es fantastisch!", sagte Tori. So euphorisch habe ich sie lange nicht mehr erlebt.„Henry ist aufgewacht!"
„Was? Ehrlich?", frage ich und kann es kaum fassen. „Das ist ein Wunder!"
„Es geschah, als ich mit Charles an seinem Bett saß und seine Hand hielt. Er öffnete plötzlich die Augen und war wach. Ich kann es immer noch nicht fassen und hoffe, dass es nun bergauf mit ihm geht", erzählt sie glücklich. „Was, wenn er wieder ins Koma fällt?"
„Ich glaube nicht, dass das wieder passiert. Er scheint damit durch zu sein und wieder gesund zu werden. Was sagen die Ärzte?"
„Sie sind sich noch nicht ganz einig", sagt Tori. „Einige vermuten sogar, dass er wieder rückfällig werden könnte."Nachdenklich sehe ich aus dem Fenster über die Skyline von Berlin.
„Genießt die Zeit, die ihr beide miteinander habt", sage ich schließlich. „Du weißt ja, wie schnell es vorbei sein kann..."
„Du hast Recht, das tue ich. Momentan ist er noch im Krankenhaus zur Überwachung, aber in einigen Tagen soll er raus kommen. Du darfst es aber keinem erzählen, weil das Königshaus erst abwarten will."
„Keine Sorge, von mir erfährt niemand ein Wort", verspreche ich.
„Danke", sagt Tori erleichtert. „Wie geht es Robert?"
Ich bin irgendwie froh, dass sie fragt. Jetzt habe ich jemand, dem ich meine Probleme anvertrauen kann.
„Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll", fange ich an und laufe nervös im Raum hin und her.
„Dann sag es doch einfach", fordert Tori mich lachend auf.
„Ach, ich wünsche mir Kinder", rücke ich mit der Sprache raus. „Robert und ich sind verheiratet, wir können unseren Kindern eine gute Zukunft geben, aber er will nicht so wirklich."
„Mhm", sagt Tori nachdenklich. „Wieso nicht?"
„Das weiß ich nicht! Er sagt es mir nicht", sage ich traurig. „Alles, was er sagt, ist, dass er derzeit keine Zeit dafür habe. Dabei war vor wenigen Wochen noch alles in Ordnung. Ich mache mir Sorgen um ihn."
„Jule, das tut mir echt Leid", sagt sie mitfühlend. „Ich wünschte, ich könnt bei dir sein. Rede nochmal mit Robert. Vielleicht hat er beruflichen Stress?"
Ich zucke mit den Schultern.
„Vielleicht. Oder er hat eine Andere..."
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Story of my Life - verzweifelte Hoffnung
RandomDer weltberühmte Philosoph Nietzsche sagte: „Hast du eine große Freude an etwas gehabt, so nimm Abchied! Nie kommt es zum zweiten Male." Tori ist verzweifelt, ausgelaugt und ein Schatten ihrer Selbst. Zu Silvester wollte sie sich mit Henry t...