Kapitel 6

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Jule

Ich decke den Tisch für Kathas Geburtstag.
Seit unserer Ankunft ist nun bald eine Woche vergangen und ich muss zugeben, dass wir uns gut eingelebt haben.
In Anbetracht der Umstände ist Tori gut drauf – zumindest gibt sie sich so. Ich weiß aber, dass dem nicht so ist und deswegen geben wir alle uns Mühe, sie abzulenken und aufzuheitern.Und dafür eignet sich ein Geburtstag am besten, besonders, wenn es sich um solche Partys handelt, die Katha üblicherweise veranstaltet.

Dieses Mal habe ich sie geplant und die anderen mussten es akzeptieren, schließlich habe ich das Geld!
Lächelnd teile ich die Teller aus und zähle noch dreimal nach, ob ich auch keinen vergessen habe. Danach ordne ich die Deko neu und entscheide mich dafür, die Torte lieber in die Mitte zu stellen statt vor Kathas Platz.
Ich vermerke diese Änderung auch in meinem Organisationsplan, in welchem ich kleinschrittig jedes Detail festgehalten habe, damit es für alle nachvollziehbar ist. Ich liebe sowas!
Katha und Christin stehen in der Küche, um die Bowle nach Omas Rezept zuzubereiten. Tori und Paolo kümmern sich derweil um das Essen. Die Gäste erwarte ich frühestens in einerhalben Stunde und zwar genau, wenn die Sonne untergeht, damit das Flair stimmt.
Ich ordne das Besteck ordentlich und akkurat neben dem Teller an, falte die Servietten zuschönen Blumen und besehe das Gesamtkunstwerk in einigem Abstand. Ja, so kann ich das lassen.
Zufrieden mit mir selbst, lasse ich meine Gedanken zu Robert schweifen. Er fehlt mir sehr!
Und wie es aussieht, werden wir uns wohl demnächst nicht wiedersehen. Ich bin hier und er muss Tore schießen und Autogramme geben.
Was, wenn wir uns auseinanderleben? ZU viel Abstand ist auf Dauer schädlich für die Ehe. Außerdem sollten wir langsam an die Familienplanung denken, finde ich.
Wenn ich mir Christin so ansehe, bin ich schon ein wenig neidisch. Ich hätte auch gern Kinder!„Jule?", ruft mich Tori zu sich. Ich schrecke aus meinen Gedanken auf und begebe mich zu ihr. Paolo hat wahrscheinlich noch nie Kartoffelsalat machen müssen, denn er hat es fertig gebracht, die rohen Kartoffeln in Scheiben zu schneiden und in die Schüssel zu tun. Ich verdrehe amüsiert die Augen.
„Na toll", sage ich. „Das können wir nicht essen." Er sieht mich eingeschüchtert an. Robert hätte jetzt einen frechen Spruch auf den Lippen.
„Noch ist nicht alles verloren. Wir können die Scheiben braten und machen eben Bratkartoffeln", schlägt Tori vor. Das steht aber so nicht im Plan!
Ich seufze und ändere auch diese Angabe in meinem Organisationsplan. Wenn das so weiter geht, kann ich den gleich nochmal neu schreiben! Ich setze meinen Kontrollgang fort und komme zu Katha und Christin. Die beiden schnattern fröhlich vor sich hin. Die Bowle sieht ansprechend aus und entspricht genau den Angaben in meinem Plan. Ich weiß, dass ich schrecklich perfektionistisch bin, aber einer muss es ja richtig machen.
Katha reicht mir einen Löffel und ich koste – ja, die Bowle ist gut. Christin verpasst alles, weil sie leider nicht trinken darf.
„Okay, die Gäste kommen gleich", sage ich mit Blick auf die Uhr. „Wir sollten uns fertigmachen."
Alle gehen in ihre Koffer, um sich ein schönes Outfit zu suchen. Ich selbst bin schon perfekt angezogen und geschminkt, sodass ich die Gäste in Empfang nehmen kann.La Bello sitzt zu meinen Füßen und freut sich, dass endlich Leben in die Bude kommt, wie man so schön sagt. Es dauert auch gar nicht lange, da stehen schon Andrej, Jake und deren Freunde vor der Tür.
Einige von ihnen machen nicht den seriösesten Eindruck auf mich, aber ich werde nicht kleinlich sein und nach ihrem Ausweis fragen.
Katha fällt Jake förmlich um den Hals und gibt ihm einen dicken Kuss, noch bevor er ihr gratulieren kann. Andrej und sein russisches Gefolge haben natürlich ein Wodka-Vorratsset mitgebracht. Nur Katha kann sich über sowas freuen. Mittendrin vibriert mein Handy und ich gehe ran.
„Hallo, mein Schatz", höre ich Roberts Stimme. Das ist ein ungünstiger Zeitpunkt.
„Selber hallo", antworte ich.
„Ich vermisse dich."
„Ich auch, deshalb rufe ich an. Wann kommst du endlich zu mir zurück?", will er wissen.
„Das weiß ich nicht. Ich hoffe, bald", vertröste ich ihn. „Aber ich kann jetzt nicht reden. Katha hat Geburtstag und da feiern wir heute."
„Oh, okay", sagt Robert enttäuscht. „Grüße sie von mir."
„Das mach ich", sage ich und habe ein schlechtes Gewissen. „Ich rufe dich morgen an, ja?"
„Ja. Ich liebe dich", verabschiedet er sich und legt auf. Das ist verdammt kompliziert. Einerseits möchte ich Tori beistehen, aber andererseits habe ich einen Ehemann, der zu Hause auf mich wartet.
Wie soll ich meine Prioritäten setzen?Beide brauchen mich und beide liebe ich. Das fröhliche Lachen der Gäste lenkt mich von meinem Problem ab. Katha hat alle an den Tisch gebeten und verteilt die Bowle. Ich habe keine Ahnung, woher die zwanzig Leute kommen und wer sie sind. Aber ich gehe davon aus, dass keiner von ihnen böse Absichten hegt.
Als Spielerfrau bin ich vorsichtiger gegenüber Fremden geworden. Jeder könnte ein Terrorist sein.
„Ich möchte euch mal meine Freunde vorstellen", sagt Andrej anstandshalber und geht reihum. „Juri, Wladimir, Nikolaj, Peter, Leonid und Natalia mit ihrem Freund Konstantin."Sie alle prosteten uns zu. Ich muss zugeben, dass keiner von ihnen typisch russisch aussieht.
Besonders Natalia nicht mit ihrem dunklen Teint. Jetzt ist Jake dran.
„Das sind Ronny, Martin, Tom, Marie, Madeleine und Kevin."Na toll. Ich habe keinen von ihnen vorher gesehen, aber sie machen einen netten Eindruck. Mal sehen, was ich so im Laufe des Abends über sie herausfinden kann. Wir heben unsere Gläser und stoßen auf das grinsende Geburtstagskind an. Katha strahlt über beide Ohren, als Jake sie vor aller Augen küsst. Wie süß!
Ich nehme neben Christin und Tori Platz, die sich angeregt mit einer von Jakes Freundinnen unterhalten. Madeleine heißt sie, glaub ich. Das Gespräch dreht sich um den Reitsport von dem ich absolut keine Ahnung habe, aber ich höre trotzdem zu. Madeleine berichtet gerade, dass in ihrem Stall eingebrochen und Reitzubehör gestohlen wurde. Wer bitte braucht sowas?
Ich trinke von der Bowle. O ja, die hat es in sich.
„Was habt ihr da rein getan?", höre ich Jake Katha fragen, nachdem auch er gekostet hat. Sie lacht schelmisch.„
Naja, ein bisschen Wodka mit noch anderen Geheimzutaten. Aber ich freue mich, dass sie dir schmeckt."Jake nickt begeistert und auch die Russen langen kräftig zu. Bloß gut, dass wir zwei Schüsseln gemacht haben. Innerlich hake ich diesen Punkt in meinem Plan schon ab.

Story of my Life - verzweifelte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt