Kapitel 3

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Christin

„Wie, du hast den Schlüssel vergessen?", frage ich Tori entsetzt. Das kann unmöglich ihr Ernst sein.

„Ich habe ihn offensichtlich zu Hause liegen gelassen. Das kann passieren", sagt sie mit entschuldigendem Lächeln. „Meine Eltern können ihn ja mit der Post schicken."Ich verdrehe die Augen.
Das dauert Tage, vielleicht sogar eine Woche!"Tori zuckt ratlos die Schultern.

„Vielleicht liegt er ja im Flieger", meint Jule und schreibt Robert eine Nachricht. Die er allerdings erst lesen wird, wenn er wieder in Deutschland ist und er wird sicherlich nicht nochmal herkommen.Ich könnte ausrasten. Paolo tätschelt immer noch meine Hand, aber ich schüttele sie ab.

„Ich rufe den Schlüsseldienst", sagt Jake und steigt aus dem Wagen, um ungestört telefonieren zu können. Hoffentlich ist der Schlüsseldienst schnell, ich muss nämlich mal auf Toilette.

„Tja, also während Jake telefoniert, können wir uns entspannt zurücklehnen", sagt Katha, die ihre Beine auf den gegenüberliegenden Sitz ausstreckt.

Es muss schön sein, wenn man sich so bewegen kann. Ich wünschte, ich könnte das auch, aber ich sitze eingeklemmt zwischen ihr und Paolo und auf der anderen Seite sitzen Tori und Jule.Missmutig sehe ich aus dem Fenster, das mir das trübe englische Wetter vor Augen führt.Auch nicht besser.

„Wenn du dich so aufregst, gehen am Ende noch die Wehen los", sagt Paolo warnend. „Du solltest dich schonen und keine Weltreise unternehmen."Damit hat er allerdings Recht, aber ich konnte die anderen doch nicht allein losfliegen lassen.Das wäre doch nichts geworden! Und mal ehrlich, dem Kind ist es doch egal, wo es geboren wird.

Jesus hat auch keiner gefragt, als er im Stall geboren wurde und er hat es überlebt ohne drastische Schäden davonzuziehen.

„Sei still", sage ich zu ihm, damit die anderen bloß nicht aufmerksam darauf werden. Sie schicken mich sonst zurück und das will ich nicht.

Plötzlich steigt mir ein abartiger Geruch in die Nase. Aber Katha hat es auch schon bemerkt.„Christin, La Bello hat auf deine Schuhe gekackt", sagt sie trocken, aber amüsiert. Da ich meine Schuhe nicht mehr sehen kann, muss ich ihr wohl glauben und beherrsche mich, den Hund nicht anzuschreien.
„Paolo, vielleicht wäre es gut, mit dem Hund spazieren zu gehen", sage ich zu ihm und gebe ihm die Leine. „Und könntest du dann vielleicht noch meine Schuhe abwischen?"
Vorbildlich zieht er sich Handschuhe an und sucht nach eine Tüte. Dann beugt er sich angeekelt nach unten, um den Kot zu entfernen.
Tori und Jule haben schon die Fenster geöffnet und zu allem Überfluss hat Jake das Telefonat beendet und kommt wieder ins Auto.
„Also ehrlich", sagt er und verzieht das Gesicht. „Ich müsst euch mal beherrschen."Als er dann Paolo von unten auftauchen sieht, mit dem dreckigen Taschentuch und der Kottüte in der Hand, weiten sich seine Augen.
„Oh, sorry, ich wusste nicht, dass du inkontinent bist", sagt er überrascht an mich gewandt und alle fangen an zu lachen.

„Bin ich nicht, das war La Bello", kläre ich ihn sachlich auf. Jake errötet vor Scham und entschuldigt sich mehrfach.

Paolo nimmt den Hund an die Leine und sie verlassen das Auto.

„Also, wann kommt der Schlüsseldienst?", fragt Katha ungeduldig.

„In vielleicht einer halben Stunde, wenn der Verkehr nicht zu dicht ist. Kann auch länger dauern", antwortet er.
Ich seufze frustriert.

Ich muss auf Toilette!
Aber ich kann mich nicht einfach an den nächsten Baum stellen, wie ein Mann. Und in meinem Zustand erst recht nicht.

„Christin, hast du Schmerzen?", fragt Jule besorgt und ich sehe sie verwirrt an.

„Nein, hab ich nicht."

Story of my Life - verzweifelte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt