Kapitel 12

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Christin

Kaum zu fassen, aber ich empfinde tatsächlich Langeweile. Trotz zwei Kindern, die meine ganze Aufmerksamkeit fordern.
Aber es stellt mich nicht zufrieden, den ganzen Tag mit den beiden zu verbringen und zu hoffen, dass sie irgendwas Aufregenderes machen, außer Essen, Schlafen und Schreien. Doch da kann ich lange warten.
Nebenbei erledige ich die Hausarbeit, gehe mit den Kindern einkaufen oder spazieren. Manchmal setze ich mich auf eine Parkbank und beobachte die Menschen.

Ich stelle dabei fest, dass ich als Mutter anders wahrgenommen werde als vorher.Jetzt sehen alle nur die Kinder und machen mir Komplimente. Aber mich als Person nimmt niemand wahr. Und das stört mich gewaltig.
Ich will auch was bewirken!
Mein Blick fällt auf die Stellenanzeige der Tageszeitung. Zu gern würde ich jetzt arbeiten gehen, um ein bisschen Abwechslung zu erleben.
Und dann sehe ich sie: die perfekte Stellenanzeige.

Sie sind jung und motiviert? Wir suchen eine junge Frau (20-30 Jahre), deren Interessen im Bereich der Recherche und der Informationsbeschaffung liegen und die über grundlegende Computerkenntnisse verfügt.Voraussetzungen sind Belastbarkeit, ein anerkannter Schulabschluss, Disziplin und Ehrlichkeit. Die Wochenarbeitszeit beträgt 40 Stunden, welche nach verhandeltem Entgelt bezahlt werden.Wir bieten Ihnen ein familienfreundliches Unternehmen, faire Arbeitsbedingungen, ein freundliches Kollegium und die Möglichkeit zur regelmäßigen Weiterbildung.

Ich bin mehr als begeistert, als ich davon lese. Das ist genau das, was ich suche!
Von der Firma habe ich zwar noch nie was gehört, aber ihr Sitz ist ganz in der Nähe. Ohne weiter nachzudenken, packe ich die Zwillinge in den Kinderwagen und verlasse die Wohnung.

Ich denke gar nicht erst daran, eine Bewerbung zu schreiben, sondern will mich direkt vorstellen.Der erste Eindruck ist entscheidend.
Zum Glück schlafen Elena und Luis, sodass ich nicht soweit auffalle.
Als ich in der entsprechenden Straße stehe, kann ich den Firmensitz nicht sofort erkennen, weil er sich zwischen zwei Pubs befindet. Sehr seriös.
Ich habe Glück, es ist noch fünf Minuten geöffnet. Als ich eintrete, muss ich blinzeln, weil die Fenster abgedunkelt sind und auch das Mobiliar dunkel gehalten ist. Doch als sich meine Augen daran gewöhnt haben, sehe ich eine ältere Dame auf mich zukommen.
„Kann ich Ihnen helfen?", erkundigt sie sich und ihr Blick fällt auf die Zwillinge.
„Ich bin hier, um mich auf Ihre Stellenanzeige zu bewerben", sage ich selbstbewusster, als ich mich fühle.
„Wirklich?", fragt die Dame und mustert mich von oben bis unten. „ Wie kommen Sie denn dazu?"
Also erzähle ich ihr alles von Anfang an und halte meine Kinder so, dass ihre Niedlichkeit der Frau ins Auge fällt und sie hoffentlich milde stimmt.
Es scheint zu funktionieren, denn sie winkt mich hinter sich her. Ich folge ihr ins Büro, das nicht mal ein Fenster hat. Komisch, hier könnte ich nicht arbeiten.
„Sie sind also hier, weil Ihre Freundin den englischen Prinzen liebt, der gerade im Koma liegt? Sie haben einen Ehemann, Zwillinge und kommen eigentlich aus Deutschland.Verfügen also über keine Arbeitserlaubnis. Ihre andere Freundin befindet sich derzeit in einer Entzugsklinik, um ihre Alkoholsucht zu therapieren. Sie ist mit dem Bodyguard von dem Prinzen zusammen. Und weil alle so beschäftigt sind, fühlen Sie sich überflüssig und nutzlos?"Ich nicke zustimmend. Gut zusammengefasst.
„Und das soll ich Ihnen glauben?", lacht meine Gegenüber.
„Natürlich. Denken Sie, ich belüge Sie? Von mir aus können Sie gern Jake anrufen", sage ich und hole mein Handy heraus.Die Frau winkt ab.
„Wir sind hier ohne Netz. Aber ich werde Ihre Angaben überprüfen. Sie wissen, dass wir da sehr genau sind."Sie spricht von ihrer Firma, als müsste ich sie kennen. Vielleicht hätte ich mich vorher informieren und nicht so überstürzt los eilen sollen. Mist!
„Ich verstehe das ja. Aber ich brauche diesen Job", betone ich, mit der Geduld am Ende.Die Frau hebt eine Augenbraue wegen meines Tonfalls.
„In Ordnung. Sie können ja mal schnuppern und vielleicht stellen Sie fest, dass dieser Job nichts für Sie ist. Wann können Sie anfangen?"Na, das ist doch was!
„Sofort", antworte ich schnell.Sie holt aus der Schublade eine dicke Mappe und legt sie vor mich hin.
Als ich sie aufschlage,befinden sich darin Fotos mit einer kurzen Erklärung. Es sind alles Schnappschüsse, als wären sie bei einer Observation entstanden.
„Und, wäre das was für Sie?", fragt die Frau lauernd.
Wenn die wüsste! Wenn es das ist, was ich vermute, wird mir das sehr viel Spaß machen.
„Ich soll diese Menschen beobachten und stalken", stelle ich fest. Beeindruckt nickt sie.
„Sie haben es erfasst. Trauen Sie sich das zu?"Ich nicke.
„Das mache ich liebend gern. Ich kann alles über diese Personen herausfinden, was sie möchten."Das bringt sie tatsächlich zum Lächeln.
„Sehr schön. Dann sind wir im Geschäft. Hier ist der Vertrag."Noch mehr Papier wird vor mir ausgebreitet und ich muss langsam lesen, um alles zu verstehen und zu übersetzen. Das ist gar nicht so einfach.
„Darf ich ihn mir zu Hause durchlesen?", frage ich.
„Nein", antwortet sie sofort. „Entweder Sie unterschreiben gleich oder gar nicht."
Wäre ich nicht so erpicht auf diesen Job, hätte ich protestiert. Aber ich will verdammt nochmal endlich anfangen! Also unterschreibe ich. Ich hoffe, dass ich keinen großen Fehler begehe.Lächelnd nimmt die Frau den Vertrag entgegen.
„Willkommen bei Scotland Yard. Ich bin Mary", stellt sie sich dann vor.
„Christin", sage ich.
„Wie im Vertrag beschrieben, müssen Sie eine Schulung besuchen, um alle Grundlagen zu erlernen. Ihrer Familie und Freunden werden Sie erzählen, dass Sie einen Mutter-Kursbesuchen. Die Kinder sind Ihre Tarnung, deshalb werden Sie sie so oft es geht, mitbringen."Ich nicke die ganze Zeit. Paolo wird das verstehen.
„Okay, dann sollten Sie morgen bitte gegen acht hier sein. Bei Unpünktlichkeit fliegen Sie raus", sagt Mary streng. „Und ich überprüfe Ihre Angaben. Sollten Sie uns belogen haben,verhaften wir Sie."Ich nicke. Ich habe nicht gelogen.
Wieso sollte ich auch? Selbst die Wahrheit wurde mir ja nicht geglaubt.
Ich schnappe mir Elena und Luis und verlasse das triste Büro. Jetzt kommen mir Zweifel, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Ob ich ein zu großes Risiko eingehe. Und was soll ich den anderen sagen? Sie zu belügen erscheint mir nicht richtig. Besonders Paolo verdient es, die Wahrheit zu kennen.Mit einem guten und zugleich auch schlechten Gefühl trete ich den Heimweg an.
Ich bin gespannt, was in dieser Schulung auf mich zukommt.
Bringe ich die Kinder in unnötige Gefahr?
Könnte ich mir das je verzeihen?

Story of my Life - verzweifelte HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt