Kapitel 05.2

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Als nächstes hatten sie Schwimmen bei Professor Davis und Malia freute sich schon sehr darauf.
In der Freistunde gingen Thomas und Malia in ihr Wohnheim und zogen sich ihre Badesachen an.
Dann schnappten sie sich ein Handtuch und liefen schon einmal zum See.

,,Thomas?", fragte Malia, als sie am Ufer saßen und warteten. ,,Darf ich dich was fragen?"
,,Selbstverständlich.", antwortete er. ,,Immer."
,,Hast du eine Ahnung, wo hier ein Briefkasten ist? Ich hätte meine Eltern anrufen sollen, aber das geht ja nicht..."
,,Also das mit dem Briefkasten kannst du gleich vergessen!", lachte Thomas, doch bevor Malia etwas darauf erwidern konnte, redete Thomas weiter: ,,Aber keine Sorge. Du kannst trotzdem ein Brief schreiben. Nur funktioniert das hier etwas anders. Nur sehr wenige Postboten trauen sich Briefe hier abzuliefern oder ab zu holen, deshalb haben sich Merliner vor vielen Jahren eine eigene Methode ausgedacht... Sie haben Brieftauben verwendet."

,,Was wirklich?!", lachte Malia überrascht. ,,Ich soll meinen Eltern ein Brief mithilfe einer taube schicken?"
,,Nein, das hättest du vor ein paar hundert Jahren machen müssen."
,,Und jetzt?"
,,Jetzt, haben sie den Vogel gewechselt."
Malia runzelte die Stirn: ,,Was für ein Vogel?"
,,Bussarde.", meinte Thomas. ,,Sie sind wesentlich schneller als Tauben und stärker, sodass sie auch Pakete transportieren können."
,,Okay...", sagte Malia noch immer stirnrunzelnd. ,,Und wo bekomm ich so ein Bussard her?"
,,Tja, das ist die größere Herausforderung...", meinte Thomas. ,,In dieser Welt darf man sich nicht einfach ein Tier aussuchen. Es funktioniert anders herum. Die Tiere suchen dich aus."
,,Wie sie suchen dich aus?", fragte Malia nach.
,,Das weiß ich auch nicht ganz genau... Also ich weiß nicht, wie die Bussarde einen Auswählen, aber ich habe gehört, dass sie sich dann vor einem verbeugen. Das ist dann das Zeichen, dass das Tier zu einem gehört."

,,Also kann ich erst ein Brief schicken, wenn sich so ein Vogel dazu entscheidet mich auszuwählen?", versuchte Malia herauszubekommen, ob sie alles richtig verstanden hat.
,,Ja.", meinte Thomas. ,,Beziehungsweise nein. Es gibt ein paar Schulvögel mit denen jeder ein Brief verschicken kann."
,,Und wo bekomme ich so einen Vogel her?"
,,Im Postturm sind welche. Du bist schon daran vorbei gelaufen. Hinter unserem Wohnheim."
,,Ja.", murmelte Malia. ,,Ich erinnere mich."
Nach kurzem Schweigen, fiel Malia eine Frage ein: ,,Woher weißt du das eigentlich alles? Du bist doch auch neu hier..."
,,Ja, aber ich habe die Tage vor dir in Bücherei verbracht. Habe alle Bücher gelesen, die ich zwischen meine Finger bekommen habe. Ich hab schon zuhause versucht alles über Merliner herauszufinden ,aber niemals hatte ich Zugang zu solch informativen Werken! Die Bibliothek hier ist einfach unglaublich!" In Thomas Gesicht zeichnete sich wahre Freude ab. Man konnte nicht anders, als seine Leidenschaft für Bücher und Fakten zu sehen.
Malia lächelte ihn an: ,,Danke."

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,,Sind schon alle da?", fragte Professor Davis, die gerade die Lichtung betrat. Sie zog ihr Kleid aus und legte es auf den Boden. Man konnte durch das klare Wasser ihren Körper sehen und ganz plötzlich waren da nicht mehr Davis Beine zu sehen, sondern eine lange hellblaue Flosse, die perfekt mit ihren Haaren harmonierte.
Der gesamte Kurs war mucksmäuschenstill. Alle waren beeindruckt.
,,Das hier werdet ihr irgendwann auch können, aber vermutlich erst in eurem letzten Jahr hier in der Akademie. In den Jahren davor wollen wir uns um die Grundlagen kümmern, doch bevor ich euch mitteile, wie wir die ersten Stunden verbringen wollen, möchte ich euch noch etwas allgemeines zu diesem See sagen." Professor Davis sah lächelnd die Schüler an. ,,Alle Schüler und auch viele Lehrer verbringen hier Zeit, aber keiner ist hier öfters, als wir. Als Wassermenschen. Das hier, der See, das Wasser ist unser zweites zuhause. Ihr werdet euch also in diesem See auskennen. Umso länger ihr die Luft anhalten könnt, desto besser werdet ihr den See kennen. Zumindest für eine Weile."
Malia hörte aufmerksam zu, genau wie die meisten anderen.
,,Denn die Sache ist die: dieser See, der lebt."

Ein Junge mit braunen, kinnlangen Haaren meldete sich.
,,Mister Aberforth?", rief Davis ihn auf.

,,Lebt? Was meinen Sie damit?", wollte er wissen. ,,Wie kann ein See leben?"
,,Gute Frage, Mister Aberforth. Du hättest aber auch nur kurz warten können, denn das wollte ich gerade erklären."
Der Kurs lachte auf und der braunhaarige Junge wurde leicht rot.
,,Nun, also, wie ich gerade sagen wollte, der See lebt. Er verändert sich. Immer wieder entdecke ich selbst neue Höhlen in den Tiefen oder neue Tiere. Am interessantes finde ich persönlich, wenn am Grund von einem auf den anderen Tagen ein Schiffswrack liegt. Viele bekommen es meist gar nicht mit, wenn sich der See verändert, naja, also außer, wenn aus der See plötzlich ein Meer wird. Mit Wellen und Salzwasser, obwohl es noch immer die gleichen Grenzen hat.", erklärte Davis. ,,Was ich euch damit sagen möchte ist, dass ihr euch niemals sicher sein könnt, dass ihr euch hier auskennt, also rate ich euch, nicht alleine auf Erkundungstour in Höhlen oder anderen Orten zu gehen."
Es dauerte eine Weile, bis im Kurs die Stille heimkehrte. Alle waren aufgeregt und konnten nicht glauben, was sie gerade gehört hatten und Davis wartete geduldig.
,,Nun, heute, sowie nächste Stunde werden wir schauen, wie lange ihr die Luft anhalten könnt. Mit der Zeit wird sich die Zeit verlängern, aber um euren Fortschritt nachvollziehen zu können, werden wir immer mal wieder nachmessen.", erklärte Davis. ,,Mister Aberforth. Du bist der Erste."
Malia beobachtete, wie er sein Shirt auszog und mit einem Grinsen ins Wasser ging.
Davis, die das Wasser bereits wieder verlassen hatte und sich zu den Schülern ans Ufer gesetzt hatte, hatte eine Stoppuhr in der Hand und rief: ,,Kann los gehen!"
Aberforth tauchte unter und der Kurs beobachtete interessiert, was geschah.
Doch nach kurzer Zeit verloren sie das Interesse und begannen sich zu unterhalten.
,,Kennst du ihn?", wollte Malia von Thomas wissen.
,,Nicht direkt.", antwortete er. ,,Wir haben uns mal im Bad kurz unterhalten. ,,Er heißt Collin und seine Eltern wohnen direkt hier in Sofleya."
Viel mehr sagten sie auch nicht, denn Collin tauchte wieder auf.
,,Vier Minuten 13 Sekunden.", berichtete Davis mit einem Blick auf die Uhr. ,,Nicht schlecht für den ersten Versuch."
Sie trug die Zahl auf ihr Klemmbrett ein und schickte die nächste ins Wasser: Mary Banks.

,,Gut.", lächelte Davis. ,,Drei, 46."
Als nächstes war Thomas dran und Malia wünschte ihm: ,,Viel Glück.", bevor es ins Wasser ging.
Nach vier Minuten und 37 Sekunden tauchte er wieder auf und setzte zurück neben Malia.

,,Noch eine machen wir, dann könnt ihr gehen. Kristina Hale, du bist dran.", rief Professor Davis, während sie Thomas Zeit eintrug.
Ein Mädchen mit braunen schulterlangen Haaren ging ins Wasser und es dauerte nicht lange, bis sie wieder auftauchte.
,,zwei, 59." Davis trug auch diese Zahl ein und entließ dann den Kurs: ,,Bis Donnerstag!"

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MERLINER - Malia Moon und das Geheimnis von AzoukoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt