Kapitel 3

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Shinji-kun hält sein Wort und bringt mir am nächsten Tag zusammen mit Sachi-chan die Hausaufgaben. Danach verschwindet er wieder. Ich gehe mit Sachi-chan in mein Zimmer. Gemeinsam gehen wir gemeinsam die Aufgaben durch. Der Stoff ist für mich nicht schwer, ich habe ihn schnell verstanden. Auf der letzten Seite von Shinji-kun's Zetteln ist eine kleine Randnotiz. Ich stupse Sachi-chan an: "He, Sachi-chan. Guck ma! Shinji-kun hat hier was geschrieben, aber ich kann es nicht entziffern!" Sie schaut es sich an. Dann schüttelt sie den Kopf. "Ich kann es auch nicht entschlüsseln." 

Plötzlich kichert Sachi-chan. "Was ist so witzig?" "Weißt du, ich war mit Shinji-kun auf der selben Mittelschule und habe ihn noch nie lächeln oder gar lachen gesehen. Und heute habe ich es zum ersten Mal gesehen!" "Ist denn in der Schule etwas vorgefallen?" "Nein. Es war als du dich für die Blätter bedankt hast." "Gestern war das auch so, als er mich im Krankenzimmer besucht hat. Apropos! Ist das Fenster schon repariert?" "Ja. Zum Glück. Es ist ja noch ziemlich frisch draußen. Kommst du morgen wieder zur Schule?" "Klar! Zuhause wird es auf Dauer langweilig. Vorallem auch weil Mum und Dad jetzt arbeiten." 

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Ich ziehe mir meine Schuhe an und gehe zum Nachbarhaus. Eine Frau mit dunkelroten Haaren macht mir die Tür auf. Es ist wohl Sachi-chan's Mutter, da beide die gleiche Augenfarbe haben: blau. "Hallo. Ich bin Kazumi. Ich wohne nebenan und bin mit Sachi-chan befreundet." Die Frau lächelt mich an. "Sachi-chan zieht sich gerade an. Möchtest du solange rein kommen?" "Gerne. Vielen Dank." So langsam habe ich den Dreh mit den Gepflogenheiten raus. "Nenn mich gerne Naru-san. Du bist also das Mädchen aus Los Angeles. Freut mich dich kennenzulernen. Sachi-chan hat schon viel von dir erzählt. Wie geht es denn deinem Kopf?" "Besser. Danke der Nachfrage." "Könntest du mir einen Gefallen tun?" Ich nicke. "Könnstest du Sachi-chan bei ihren Englisch-Kenntnissen auf die Sprünge helfen? Du beherrscht doch die Sprache." "Natürlich! Das mache ich gerne! Englisch ist meine zweite Muttersprache!"

Als wir im Klassenzimmer sitzen, kommen zwei Mädchen zu uns. Man sieht sofort, dass die beiden Schwestern sind. Sachi-chan begrüßt sie mit einer Umarmung. "Kazu-chan? Ich möchte dir Ri..." Sie zeigt auf die kleinere der beiden. "... und Miu vorstellen. Sie sitzen auf der anderen Seite des Klassenraumes, deswegen hast du sie wahrscheinlich noch nicht gesehen." Ich schüttel den Kopf. "Seid ihr Zwillinge?" "Nein, aber fast." antwortet Ri. ich setze einen fragenden Blick auf. Miu kichert. "Uns trennen nur 9 Monate. Ich habe am 4. Oktober und Ri, meine kleine Schwester hat am 5. Juli Geburtstag." Ich zähle im Kopf die Monate ab. Es stimmt.

Ein Junge nähert sich unserer kleinen Gruppe. Er tippt Ri auf die Schulter: "Ri-chan, Mi-chan, ich werde heute wieder bei euch essen müssen, da Mama noch auf Geschäftsreise ist. Außerdem will ich mit meinen Lieblingscousinchen ein wenig Zeit verbringen!" Er legt beiden jeweils ein Arm um die Schulter. Miu rollt genervt die Augen und Ri schaute ihn skeptisch an. "Lass mich raten, du musst wieder Strafarbeiten machen, da du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast?" "Volltreffer. Hab wohl zu dick aufgetragen." Er lacht verlegen. Dann erst bemerkt er uns. Er hält uns seine Hand entgegen. "Hi, Ich bin Yukio-kun. Seid ihr Freundinnen von meinen Cousinen?" Sachi-chan und ich nicken. 

Unsere Lehrerin Frau Haruna betritt den Raum und jeder geht auf seinen Platz. "So, dann holt bitte alle eure Englischbücher heraus und schlagt Seite 23 auf!" Ich folge dem Unterricht desintressiert. Ich kann das ja alles schon, weil ich die ersten 16 Jahre meines Lebens in Los Angeles verbracht habe. Plötzlich stupst mich jemand an. Ich schaue nach rechts. Shinji-kun fragt mich: "Kannst du mir bei der Übersetzung helfen? Bitte!" Ich atme genervt aus, helfe ihm aber dann. Zum Glück geht die restliche Stunde schnell vorbei. In der Pause zeigen mir Sachi-chan, Ri und Miu die Schule. Da wir gleich Sport haben, machen wir uns auf dem Weg zur Halle.

Auf dem Weg nach Hause spricht Yukio-kun mich und Sachi-chan an. "Hey. Kann ich euch was fragen? Ri-chan sagte mir, dass du Araki-san ziemlich gut in Englisch bist. Kannst du mir Nachhilfe oder so geben?" Er sieht mich bittend an. "Äh... Ja klar! Warum nicht?" "Cool! Heute schon?" "Okay. Du kannst jetzt gerne mitkommen. Sachi-chan und ich wollte eh unsere Hausaufgaben machen. Komm einfach dazu!" "Cool." Irgendwie werde ich aus diesem Jungen nicht schlau. Seine Augen sind mir sowieso etwas unheimlich. Es ist ein fast schon unnatürliches helles grau, aber es passt zu seiner Frisur. Kurz und hochgegelt mit weißen Haarspitzen. Ob er sich die regelmäßig färben muss? 

Bei mir Zuhause angekommen, rufe ich: "Mum, Dad! Ich habe Besuch mitgebracht!" Meine Mutter kommt an die Tür. "Uiii. Sogar männlichen Besuch!" quiekt sie aufgeregt. "Mum, er ist nur hier, weil er Probleme in Englisch hat!" "Pff, wie langweilig! Naja viel Spaß, Kinder!" Yukio-kun reckt seine Nase in die Luft. "Was riecht den hier so gut?" "Dad hat mit dem Kochen angefangen. Er ist Berufskoch und hatte auch viele Bäckerslehrgänge." "Man hast du es gut!" Wir gehen mit Sachi-chan hoch in mein Zimmer. Nachdem ich ihm alles wichtige erklärt habe, macht er den Rest seiner Aufgaben alleine und fragt mich nur noch gelegentlich etwas. 

Als wir fertig sind, begleite ich Yukio-kun noch zur Haustür. "Danke, Kazumi-san! Du hast mir echt den Arsch gerettet." Er umarmt mich stürmisch und gibt mir nach kurzem Zögern ein Kuss auf die Wange. Ich bleibe völlig perplex an Ort und Stelle stehen. Dann schüttel ich meinen Kopf und gehe zurück zu Sachi-chan. "Du. Sachi-chan. Ist es normal, dass dich ein Junge zum Dank auf die Wange küsst?" Sie schaut mich mit großen Augen an und schüttelt langsam ihren Kopf. "Ich glaube er steht auf dich!" "Das denke ich auch, aber ich kenne ihn doch gar nicht! Ich weiß nicht, ob ich seine Gefühle erwidern kann." 

In meinem Kopf herrscht ein heilloses Durcheinander. "Ich muss jetzt geigen. Dadurch bekomme ich ein klaren Kopf!" Ich schnappe mir den Koffer und packe sie aus. Nach einem kurzem Stimmen spiele ich einfach, was mir in den Sinn kommt. Am Ende ist es ein relativ einfach Stück von Lindsey Stirling. Sachi-chan hat die Augen geschlossen und genießt die Musik. "Du spielst echt gut. Wie lange schon? War das gerade Lindsey Stirling?" fragt sie mich, als ich geendet habe. "Ich spiele seit etwa 4 Jahren und ja, das war Lindsey Stirling!" "Ich liebe ihre Musik!" Meine Mutter kommt plötzlich ins Zimmer: "Mädels. Essen ist fertig!" Wir folgen ihr nach unten.

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