Kapitel 17

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Ich weiß nicht, was das für Gefühle sind. Herzrasen, ein Kribbeln im ganzen Körper, die Tatsache, dass ich seinen Kuss automatisch erwidere. Bin ich in Shinji verliebt? ich war noch nie verliebt. Zumindest noch nicht so doll wie jetzt. Shinji ist der Erste, für den ich solche Gefühle habe. Innerlich wünsche ich mir, dass dieser Moment nie endet.

Auf einmal höre ich Yui nach uns rufen. Nur ungern löse ich mich von Shinji. Er sieht mich aus seinen blauen Augen an, als würde er sagen wollen 'Ignoriere sie und lass und weitermachen!' Ich setze meinen Du-hast-ja-Recht-Blick auf und wir küssen uns weiter. Von seinen Küssen werde ich wohl nie genug bekommen.

Eine Frage macht sich in meinen Gedanken breit. Sind Shinji und ich jetzt zusammen? Oder sind wir nur Freunde? Mehr als Freunde auf jeden Fall. Eine andere Frage flammt plötzlich auf und ich drücke Shinji vorsichtig von mir weg. "Was ist los?" fragt er natürlich sofort. "Ich frage mich gerade woher du wusstest, dass ich hier bei Yui bin."

Er schaut mich überrascht an. Dann überlegt er kurz. "Ich weiß es nicht genau. Ich wollte dich sehen und meine Füße sind ganz automatisch hierher gelaufen." Er schaut mich ernst an. Dann fängt er an zu lachen. Als er mein verwirrtes Gesicht sieht, hört er auf. "Ich war vorher bei dir und habe nachgefragt. Was dachtest du denn?" 

Ich schlage mir mit der Hand auf die Stirn. "Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?" Shinji lächelt mich vielsagend an. "Vielleicht wegen mir?" Was darauf folgt ist nur ein genervter Dein-Ernst?-Blick meinerseits und ein sanfter Stoß gegen seinen Arm. Er schaut mich herausfordernd an und schubst mich fast vom Baum.

Ich kann mich nur noch an einem dünnen Ast festhalten, bevor ich runter fallen würde. Shinji reagiert sofort und springt geschickt vom Baum. Er stellt sich unterhalb meiner herunterhängenden Füße. Ich versuche mich an dem Ast wieder hoch zu ziehen, aber bei jedem Versucht bricht der Ast mehr.

"Lass los! Ich fange dich! Vertrau mir!" Und ich lasse mich fallen. Es sind nur 3 Meter Höhe, aber sie kommen mir ewig vor. Shinji fängt mich auf. Nun liege ich in seinen Armen, einer davon in meinen Kniekehlen, der andere um meine Schulter. Ich schaue Shinji an. Diesen kleinen Augenblick fühlt es sich an, als wären wir allein auf der Welt.

Er lässt meine Beine zu Boden sinken, behält dabei aber den direkten Blick in meine Augen und seinen Arm um meine Schultern, mit dem er mich näher zu sich herandrückt. Ich lege meine Hand auf seine Brust. Sein Herzschlag geht schnell, genau wie seine Atmung. "Kazumi-san... Ich..." Yui unterbricht uns erneut.

"Shinji-kun und Kazu-chan! Helft mir! Bitte! Schnell!" Erst jetzt fällt mir der Rauch und der Geruch von Verbranntem auf. Shinji reagierte nochmals blitzschnell. Er hält sich den Ärmel seines Pullovers vor die Nase, bevor er ins Haus geht. Nur wenige Sekunden später kommt er mit einem Topf, aus dem es qualmt, wieder raus.

Er schaut uns amüsiert an. "Yui-san, das ist ja nur Salzwasser!" Mein entsetzter Blick schnellt zu Yui. Sie schaut peinlich berührt zurück. "Ich hab doch gesagt, dass ich nicht kochen kann!" Sie sinkt weinend auf die Knie. Ich setze mich neben sie und nehme sie in den Arm. Ich winke Shinji zu uns, damit er sich zu uns setzt.

"Yui-san..." fängt er an. "Ich kann auch nicht kochen, aber das ist etwas, dass man lernen kann. Auch du, da bin ich mir sicher!" Yui hört auf zu zittern und hebt langsam den Kopf. Die Trauer und Verzweiflung aus ihrem Gesicht ist gänzlich verschwunden. Dafür sieht man Wut und Zorn. Sie schaut mit diesem Blick Shinji direkt in die Augen.

Dieser weicht sofort zurück und schaut Yui erschrocken an. "H...Ha... Hab ich was falsches gesagt?" stottert er. Ich schaue zu Yui. Ihre Augen glühen vor Wut und ihr Mund ist zu einem schmalen Schlitz zusammen gepresst. Warum ist sie plötzlich so wütend auf Shinji? Er hat doch nur versucht sie zu trösten. 

Dann durchbricht die Sonne die seit Tagen bestehende Wolkendecke. Ihre Strahlen fallen direkt auf den Garten von Yui und taucht ihn in angenehmes goldenes Licht. Yui's Gesichtszüge werden augenblicklich weich und sie entspannt sich wieder. Sie lässt sich in meine Arme fallen und schließt die Augen.

Was ist denn jetzt auf einmal los mit ihr? Mein Kopf schnellt zu Shinji, der sich langsam wieder zu beruhigen scheint, aber dann plötzlich mit  vor Schock geweiteten Augen auf Yui starrt. "Was ist los?" frage ich ihn. Er weicht noch weiter zurück und zeigt mit dem Finger auf Yui. Er zittert stark. "Da. Dieses Symbol kenne ich irgendwo her!"

"Welches Symbol?" Er schüttelt nur mit dem Kopf und zeigt weiterhin auf Yui. Nun gucke ich selbst nach. Und tatsächlich leutet auf Yui's Stirn ein Symbol, das einer Sonne ähnelt. Vor Schreck lasse ich Yui los und flüchte schnell zu Shinji. Denn auch mir kommt das Symbol seltsam vertraut vor. 

"Was zur Hölle ist das? Erst stellt sich heraus, dass du und ich den selben Traum hatten und jetzt das?" frage ich an Shinji gewandt. "ich weiß es auch nicht, aber normal ist das nicht mehr!" bestätigt er mir. Als Yui plötzlich auch noch beginnt zu schweben und ich langsam Panik bekomme, legt Shinji schützend seine Arme um mich.

Wegrennen könnte ich nicht, da meine Beine wie aus Blei sind. Ich starre weiterhin Yui an, deren Körper anfängt zu leuchten. Es scheint, als sei sie die Sonne, so hell erstrahlt Yui vor unseren Augen. Eine Art Glitzerschein breitet sich nun über ihrem Körper aus und verändert diesen! Ihr Haar wird platinblond, in diesem Licht wirkt es weiß.

Ihre Haut nimmt eine leicht gebräunte Färbung an. Sie sieht aus, als käme sie von einem vierwöchigem Urlaub auf Malle. Das Strahlen lässt nach und Yui sinkt langsam zu Boden. Mein Herz schlägt mir noch immer bis zum Hals und ich traue mich nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen.

Yui's Augen sind noch immer geschlossen und es scheint, als würde sie schlafen. Nach einigen Minuten in Stille lässt Shinji mich los und steht langsam auf. Er reicht mir seine Hand und zieht mich damit hoch. Arm in Arm gehen wir die wenigen Meter auf Yui zu. Auf ihrer Stirn leuchtet das komische Sonnensymbol noch immer fröhlich vor sich hin. 

"Was ist hier gerade passiert?" denke ich laut. "Sie hat sich quasi verwandelt." sagt eine mir unangenehm bekannte Stimme. Ein Schauer läuft über meinen Rücken. Was macht er hier? Und warum redet er? Ich dachte, dass war nur ein Traum?! Doch es ist die Realität. Ich träume nicht. Artemis kann sprechen!


Tokyo, mein neues ZuhauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt