Kapitel 5

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Am Montag holt mich Sachi-chan wie immer von Zuhause ab. Es ist immer noch etwas komisch für mich, dass sie und Takeru sich geküsst haben. Dazu herrscht eine seltsame Stimmung zwischen mir und Sachiko. Wir haben am Sonntag darüber geredet, aber dennoch habe ich es noch nicht verarbeitet. Sachi-chan und ich schweigen den ganzen Weg über. Erst als Ri und Miu dazu kommen, lockert sich die Atmosphäre auf. Die Schule kommt in Sicht und wir schlendern nichtsahnend über den Hof. Yukio-kun rennt auf uns zu. Völlig außer Atem bleibt er vor uns stehen. Ri und Miu ziehen ihn auf: "Na? Mal wieder die Hausaufagben vergessen?" Er schüttelt den Kopf und zeigt auf mich. "Dich brauche ich!" presst er zwischen den Atemzügen hervor.

Dann packt er mich am Handgelenk und zieht mich zum Sportplatz. Schon von Weitem sehe ich, dass etwas nicht stimmt. Die Schüler vom Fußballtraining stehen alle im Kreis und schauen bedrückt auf den Boden. Als uns der Trainer sieht, kommt er mit großen Schritten auf uns zu. "Bist du Araki-san?" Ich nicke schnell. "Dann komm mit!" Er deutet mir, ihm zu folgen. Er führt mich zu seinen Schülern, in dessen Mitte Shinji-kun am Boden liegt. Der Anblick zerreist mir das Herz. Wir sind zwar nicht wirklich Freunde, aber ich mache mir dennoch Sorgen um ihn. Ich knie mich von ihm hin. Er murmelt unverständliches Zeug, aber man hört immer wieder heraus: "Araki-san!" Hat Yukio-kun mich deswegen hierher geholt?

"Haben Sie schon jemanden gerufen?" frage ich den Trainer. Er bestätigt mir, dass er einen Krankenwagen gerufen hat. Ich sehe mir Shinji-kun genauer an. Schweiß sammelt sich auf seiner Stirn und er ist blasser als sonst. "Was ist denn passiert?" frage ich in die Runde. Einer der Schüler antwortet: "Wir haben ganz normal trainiert, aber Shinji-kun hier sah von Anfang an nicht gut aus. Als hätte er die letzten Nächte nicht geschlafen. Wir sagten ihm, er soll heute das Training nicht mitmachen, aber er blieb stur. Und dann auf einmal bricht er zusammen. Wie ein Kartenhaus. Seitdem liegt er da und redet dieses komisches Zeug und halt deinen Namen." Ich nicke langsam und lege meine Hand auf seine Wange. Seine Haut ist kalt und schweißnass.

"Shinji-kun. Ich bin hier. Du hast nach mich gerufen?" Er reagiert und öffnet seine Augen einen kleinen Spalt. "Araki-san..." flüstert er. Seine Mundwinkel zucken. Er lächelt. Im Hintergrund höre ich seine Teamkameraden tuscheln. 'Seit wann kann der denn lächeln?' höre ich am häufigsten raus. Der Krankenwagen ist da und nimmt Shinji-kun auf eine Trage, nachdem ihnen der Trainer geschildert hat, was passiert ist. Als sie Shinji-kun abtransportieren wollen, streckt er seine Hand nach mir aus. Ich zögere nicht lange. "Warten Sie! Ich möchte mitkommen!" Einer der Sanitäter schaut von mir auf Shinji-kun's Hand, die noch immer nach mir greifen will. Er nickt mir daraufhin zu: "Nagut. Meinentwegen."

Dann fällt mir plötzlich ein, dass ich ja in die Schule muss. Meine Augen halten Ausschau nach Yukio-kun. Als ich ihn gefunden habe, rufe ich ihm zu: "Sagst du bitte Bescheid, was hier passiert ist, und wo ich bin?" Er nickt. Dann steige ich etwas beruhigter in den Krankenwagen ein. Auf dem Weg ins Krankenhaus schaue ich schweigend aus dem Fenster. Dann muss ich im Wartebereich der Notaufnahme sitzen. Ich knete meine Hände. Ein Piepen meines Handys lässt mich aufschrecken. Es ist eine Nachricht von Sachiko: Ich habe gehört, was passiert ist. Wie geht es dir? Ich ignoriere die Nachricht erstmal und schalte mein Handy aus. Eine Krankenhausschwester kommt auf mich zu: "Araki-san?" Ich schaue auf. "Ja?" "Du darfst jetzt zu ihm." Ich folge ihr durch die langen und verwirrenden Gänge des Krankenhauses.

Sie klopft an seine Tür. Ein schwaches "Herein" ist zu hören. Ich gehe ins Zimmer. Shinji-kun sitzt auf der Bettkante. "Wie geht es dir?" frage ich vorsichtig. Er schaut mich mit seinen blauen Augen an. Sie sind trüb und glanzlos. Es liegen Schmerz, Trauer, aber auch etwas Wut in seinem Blick. Er sagt nichts, aber packt seine Sachen zusammen. Erst als er mit seiner Tasche in der Hand vor mir steht, sag er etwas. "Ich werde gleich entlassen. Geh du bitte zur Schule! Wie sonst kannst du mir die Hausaufgaben bringen?" Er grinst leicht. "Ich bin für diese Woche krankgeschrieben und daher auf dich angewiesen, was die Schule angeht." Er geht damit aus dem Zimmer.

Ich will ihm folgen, aber er ist bereits weg. Ich gehe zurück zur Schule und komme gerade noch rechtzeitig zur Mittagspause. "Hey."begrüßen mich meine Freundinnen. "Kann ich mir deine Notizen aus dem Unterricht leihen?" frage ich Sachi-chan. "Ja klar." Sie holt ihre Notizen hervor. "Willst du gar nichts essen?" fragt mich Ri. "Hab keinen Hunger." antworte ich wahrheitsgemäß. Ich schreibe schnell alles wichtige aus dem Unterricht bei Sachiko ab. "Was war denn jetzt mit Shinji-kun passiert?" Miu sieht mich besorgt an. "Er hat sich übernommen und ist daher zusammen gebrochen. Die Ärtze haben ihm Ruhe und Schlaf verschrieben. Er soll die restliche Woche Zuhause bleiben. Und ich bringe ihm die Hausaufgaben, weil er das auch bei mir gemacht hat."

Ich setze mich auf meinen Platz zurück und packe meine Schulsachen für die nächste Stunde aus. Ich war noch nie so froh darüber gewesen, dass jetzt Unterricht ist. Am Ende des Unterrichts, es war die letzte Stunde, gehe ich zu Frau Haruna. "Frau Haruna? Könnten sie für mich etwas kopieren?" "Natürlich. Komm am besten gleich mit. Dann weißt du, wo es ist. Ich muss aber vorher noch kurz ins Lehrerzimmer." Ich nicke und folge ihr. Auf dem Weg versucht sie mich in ein Gespräch zu ziehen, was auch funktioniert: "Ich habe gesehen, wie sehr es dich bedruckt, dass es Shinji-kun nicht gut geht. Deswegen habe ich mir überlegt, ob ich dich in meine Musik-AG einlade."

"Musik-AG? Sie meinen, sowas gibt es hier?" "Aber natürlich! Ich habe gehört, du kannst sehr gut Geige spielen?" "Ja mehr oder weniger." "Ich sehe, du bist sehr bescheiden. Sachiko-san hat dein Spiel in höchsten Tönen gelobt." {Oh Man... Ich und meine Wortspiele...} "Das war ja klar. Sie und ich mögen beide Lindsey Stirling." "Von ihr habe ich gehört! Sie ist eine berühmte Geigerin!" "Ja genau. Ich kann ein paar Lieder von ihr schon spielen." "Das freut mich zu hören! Komm doch am nächsten Montag nach dem Unterricht zu unserem AG-Treffen! Ich bin mir sicher, es wird dir dort gefallen! Wir treffen uns im Musikraum im Erdgeschoss." Wir bleiben vor dem Kopierer stehen. "So wir sind da. Hier kannst du deine Kopien machen! Bis Morgen!" Dann verschwindet sie.

Autoren-Kommentar:

Alles was FETT ist, sind meine Kommentare! Nur so als Anmerkung...

Tokyo, mein neues ZuhauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt