Kapitel 22

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Kazumi's POV:

Ich falle. Sehr tief. Wo wird es enden? Ich sehe den Boden nicht. Mein Magen hat zumindest aufgehört sich zu verkrampfen. Nach einer Weile gewöhnt man sich dran. Ich weiß nicht einmal, ob dies ein Traum oder gar eine weitere Vision oder Erinnerung ist. Ich weiß nur, dass ich falle. An vielen kleinen Fenstern vorbei. Zu schnell, um etwas zu erkennen.

Bewegen kann ich mich nicht wirklich. Es ist, als wäre mein ganzer Körper erstarrt. Nur die Augen kann ich bewegen. Atmen geht auch, aber das war's dann auch. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als nach unten zu schauen. Warten, bis ein Boden oder ähnliches in Sicht kommt. In der Zeit sollte ich wohl überlegen, was ich tue, wenn es soweit ist.

Einfach auf den Boden klatschen, wie ein bestrichenes Toast, wenn es vom Tisch fällt? Ok. Vielleicht finde ich noch eine andere Möglichkeit. Bis dahin kann ich mich bestimmt wieder bewegen, also sollte ich mich in der Luft drehen können. Naja, auch nicht gerade besser. Wenn ich mit den Füßen zuerst aufschlage, gehen meine Knie dadurch bestimmt zu Bruch. 

Es hat ja schon ne gefühlte Ewigkeit gedauert, bis mein Nasenbruch geheilt war... Ich überlege weiter. Es muss doch eine Lösung dafür geben! Mir fällt nichts mehr ein, was starke Schmerzen, Knochenbrüche oder gar den Tod vermeiden würde. Ich bin doch hier völlig hilflos! Ich schließe meine Augen und warte auf das, was da kommen mag.

Plötzlich wird alles hell um mich herum. Ich lasse meine Augen verschlossen und warte ab, was passiert. Ist das vielleicht das Licht am Ende des Tunnels? Bin ich im Schlaf gestorben? Unwahrscheinlich. Ich versuche mein Auge zu öffnen. Das Licht ist warm und blendet nicht mal. Was ist das?

Die Lichtquelle kommt immer näher. Es ist ein Portal! Ich falle hindurch und werde sanft abgesetzt auf dem Boden. Es ist ein dunkler Raum. Hier stehen einige Gerätschaften, die ich nicht identifizieren kann, ein Schreibtisch, ein Regal mit Gläsern und ein verschlossener Schrank, den ich mir als erstes genauer anschaue.

Die Türen lassen sich nicht öffnen, ebenso die beiden Schubladen. An jeder Öffnung befindet sich ein Schlüsselloch. Hier im Raum müssen die Schlüssel dazu sein! Aber zunächst gehe ich zum Schreibtisch. Es befindet sich, außer 3 Notizzetteln, nichts darauf. Ich falte den Notizzettel mit der Nummer 1 auf.

"Aktivität im Garten. Es durftet danach recht gut. Kann sowohl leise als auch laut sein. Geht mit und ohne Motor. Manche Menschen machen das auch mit einem anderen Gerät." Was soll das bedeuten? Ich lege die Notiz weg und möchte eine andere öffnen, doch diese ist verklebt und lässt sich nicht öffnen. 

Komisch, sehr komisch. Ich lese die erste Notiz erneut. Dabei lehne ich mich gegen die Wand. Ohne Vorwarnung geht plötzlich eine kleine Deckenlampe an, die den Raum in ein unheimliches Licht taucht. Immerhin kann ich ein paar der Gerätschaften erkennen. Moment mal! Eine Aktivität im Garten ist Rasenmähen!

Und da vor mir steht ein Rasenmäher! Ich gehe darauf zu und schaffe es nach einigen Versuchen, den Rasenmäher zu starten. Die Notiz in meiner Hand verschwindet, der Mäher verwandelt sich in einen Schlüssel. Verwirrt über das, was da gerade passiert ist, hebe ich den Schlüssel auf und gehe damit zum Schrank.

Mal sehen, wo der passt. Die großen Türen schon mal nicht, dafür ist der Schlüssel zu klein. Also die beiden Schubladen. Die obere nicht, aber die untere lässt sich öffnen. Darin befindet sich ein weiterer Zettel und ein kleines Dreieck aus Plastik. So ein Ding habe ich doch schon mal gesehen, aber wo?

Ich lese den Text, der in meiner Schrift verfasst worden war. "So ein kleines Dreieck schont deine Fingerspitzen. Um das Siegel zu brechen, musst du dich ins Haus voller Spiegel begeben." Ähm... Ich werde daraus nicht schlau. Aber ich erkenne langsam das Prinzip dieses Raumes. Das Siegel ist dann wohl die Tür nach draußen.

Wie in einem Escape Room! Dort war ich mal mit Takeru und Luke, als wir noch in L.A. lebten. Das Prinzip ist das Gleiche. Du musst eine Reihe von Rätseln lösen, um dort wieder herauszukommen. Deswegen sind die Notizen so umständlich verfasst. Es sind Rätsel. Zumindest kann ich nun meine Situation besser einschätzen.

Mit dem Rätsel bin ich nicht wirklich weiter gekommen. Ich betrachte das kleine Dreieck in meiner Hand. Mir will partout nicht einfallen, wo ich es schon mal gesehen habe. Ich sehe mir den Raum genauer an. Im Regal stehen nicht nur leere Gläser. Ganz unten liegen einige verstaubte Bücher.

Ich hole diese hervor und versuche die Titel zu entziffern. Vergeblich. Selbst ohne Staub ist nichts zu erkennen. Ich schlage das Erste auf und finde gleich auf der Seite das, was ich suche. Das kleine Dreieck ist ein Plektron. Es wird benutzt für Gitarren. Das ist die Bedeutung des ersten Satzes. Aber was soll mir der 2. sagen?

Ich suche im Raum nach einer Gitarre, so viel ist sicher. Soll mir der 2. Satz sagen, welchen Song ich spielen soll? Ein Haus voller Spiegel? Ich habe keine Ahnung. Ich suche weiterhin nach einer Gitarre, bis ich in der hintersten Ecke fündig werde. Ich nehme die Gitarre mit in die Mitte des Raumes.

Das Plektron zwischen den Fingern, will ich anfangen zu spielen. Luke spielt doch Gitarre, aber wie hatte er das gemacht? Einfach irgendwelche Saiten anspielen kann man zwar machen, aber das bringt nicht wirklich was. Du musst mit der anderen Hand bestimmte Griffe ausführen. Aber um diese zu wissen, brauche ich noch den Song, den ich spielen soll...

Ein Haus voller Spiegel, Spiegel... Mir fallen einige Songs ein, wo Spiegel auftauchen, doch niemals im Zusammenhang mit einem Haus. Ich schüttle den Kopf. Nein, so wird das nichts. Ich spiele eine Saite an. Wow... Die Gitarre muss erstmal gestimmt werden! Ich schaffte es sogar. Dank des Tricks, den mir Luke damals zeigte. 

Haus voller Spiegel... Ein Spiegel-Haus... Mirror Haus! Der Song von Lindsey Stirling! Warum bin ich nicht gleich drauf gekommen? Die Noten kenne ich auswendig. Tatsächlich auch für viele Instrumente. Ich gehe nochmal alles dafür durch und fange schließlich an zu spielen. Die zunächst krummen Töne werden immer schöner.

Die Musik hallt im Raum wider und erfüllt ihn mit positiver Energie. Wie ein grüner Schleier legt sich die Melodie über den Raum. Ich spiele das Lied einmal komplett. Danach geschieht es! Ich spüre, wie etwas in mir sich löst. Ich fühle mich vom Kummer befreit. Die Gitarre in meiner Hand verwandelt sich in eine E-Gitarre.

Was kommt jetzt? Ich versuche ein paar mir bekannte Melodien zu spielen, aber die Gitarre gibt keinen Ton von sich. Stattdessen raschelt etwas auf dem Schreibtisch. Ich stelle die Gitarre ab und nehme den Zettel in die Hand. Es ist der Notizzettel Nummer 2, der sich vorhin noch nicht öffnen wollte. 

Tokyo, mein neues ZuhauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt