Kapitel 12

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[...]Dann nimmt er plötzlich mein Gesicht in seine Hände und küsst mich. Zuerst wollte ich ihn dafür eine Ohrfeige geben, doch dann entfaltet sich ein mir unbekanntes Gefühl in meinem Körper. Hauptsächlich ein Kribbeln, dass vom Bauch aus in meinen ganzen Körper strömt. Ich erwidere den Kuss. {Zitat von Kapitel 9}

Es wiederholt sich alles. Dennoch bleibt die Frage offen: Wer ist oder war Sailor Erde? 

Ich höre jemanden nach mir rufen. Daraufhin löse ich mich von Shinji-kun. "Ich muss los. Wir sehen uns in der Schule!" Dann renne ich weg. Auf die Stimme zu, die meinen Namen ruft. Ohne mich umzudrehen. Sachiko und Mum kommen in Sicht. "Wo warst du? Und warum bist du so rot im Gesicht?" "Ich habe mich mehrmals verlaufen und dabei meine Schuhe verloren. Und ich bin zu euch gerannt." keuche ich atemlos. Sachiko hält die Holzschuhe hoch. "Ich habe sie gefunden. Keine Sorge!" "Danke schön. Sollten wir nicht langsam nach Hause? Und wo sind unsere Männer?" Ich zwinkere Sachiko zu. "Die sind zuhause. Außer Takeru-chan. Der wollte mithelfen suchen."

"Ich habe sie gefunden!" kommt es plötzlich von hinten und ich werde hoch gehoben. "Takeru!!! Erschreck mich nicht so!" "Ok. Nächstes Mal!" Ich boxe ihn leicht gegen seine Brust. Er trägt mich trotzdem weiterhin. Im Brautstyle! Aber so ist mein Bruder und dafür liebe ich ihn. Eine plötzliche Müdigkeit überkommt mich. Ich lehne mich mit dem Kopf an Takeru's Schulter und atme seinen vertrauten Duft ein. Wenige Sekunden später bin ich bereits eingeschlafen. 

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Samstag. Es ist Samstag der 6. Mai 2017. Ich habe Shinji seit unserem Kuss nicht mehr gesehen. In zwei Tagen, am Montag, müssen wir wieder zur Schule, aber ich fürchte mich davor. Ich weiß einfach nicht, wie ich nach unserem Kuss mit ihm umgehen soll. Ist er weiterhin nur ein Freund? Oder doch mehr? Wie wird er reagieren, wenn wir uns sehen? 

Heute ist Sachiko bei mir. Wir machen unsere Hausaufgaben, die uns Frau Haruna über die goldene Woche aufgegeben hatte. Nach drei Stunden sind wir fertig. "Sachi-chan?" frage ich etwas ängstlich. "Ja? Was ist denn Kazu-chan?" "Kann ich dir etwas anvertrauen? So unter 4 Augen?" Sie lächelt sanft und legt ihre Hand auf meine Schulter. "Natürlich. Alles. Und ich behalte es auch für mich. Versprochen!" Ich schlucke.

"Ok. Weißt du noch mein komischen Weinanfall vor knapp zwei Wochen?" "Ja." "Wie du vermutet hattest, hat es wirklich etwas mit Shinji-kun zu tun." Sie reißt ihre Augen auf. "Was ist denn passiert?" Ich erzähle ihr von dem Beinahe-Kuss. Sie guckt mich überrascht an. "Das erklärt es!" "Was?" "Das erklärt, warum er in deiner Gegenwart lächelt und sogar lacht! Er ist in dich verknallt!" "Das erklärt warum er mich dann auch wirklich geküsst hat." sage ich leise. 

"WAS?!" schreit Sachiko. "Wann? Wo? Wie?" "Am 1. Mai auf Sakura-chan's Geburtstag. Direkt auf den Mund!" Sachiko grinst. "Deswegen warst du also so rot! Nicht etwa weil du gerannt bist, sondern weil Shinji-kun dich geküsst hat!" Ich nicke. "Und hat es dir gefallen? Ist er ein guter Küsser?" "Gefallen hat es mir schon ein bisschen." Gebe ich kleinlaut zu. "Und?" "Nichts weiter." 

"Echt nichts? Keine dieser typischen Anzeichen, dass man verknallt ist?" Ich schüttel den Kopf. Ich möchte niemanden erzählen, dass ich ihn gerne nochmal küssen will. "Du weißt schon, dass jetzt zwei Typen auf dich stehen?" "Du meinst Shinji-kun und Yukio-kun?" "Ja." "Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Hast du einen Rat für mich?" "Nein, aber vielleicht dein Bruder, der eh schon die ganze Zeit dort an der Tür steht." 

Sie zeigt auf Takeru. Er schaut mich überrascht an. "Ich kann dir vielleicht wirklich helfen. Lass mich mal kurz überlegen." Er setzt sich zu uns und legt direkt einen Arm um Sachiko. Sie kuschelt sich etwas an ihn. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass die beiden zusammen sind. Plötzlich erhellt sich Takeru's Gesicht.

"Sicher ist, dass du mit ihm darüber reden musst. Und wenn es wirklich so ist, dass du seine Gefühle nicht erwidern kannst, dann musst du es ihm sagen." "Aber dann ist er so traurig und das will ich nicht! Was, wenn er dann nicht mal mehr mit mir befreundet sein will?" "Klar ist, dass er deswegen traurig sein wird, aber du musst ihm Zeit geben, das zu verarbeiten. Dann fängt er sich wieder." 

Ich nicke langsam. Mit ihm reden. Ihm sagen, dass ich nichts für ihn fühle. Ich kann das nicht. Nicht nachdem, was ich über ihn weiß. Hätte ich es den beiden sagen sollen? Nein. Es ist und bleibt eine Sache zwischen mir und Shinji-kun. Dennoch weiß ich nicht, ob ich ihm je wieder in die Augen sehen kann nach unserem Kuss. In Gedanken versunken schnappe ich mir meine Geige. Heute spiele ich Mirror House

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Es klingelt an der Tür. Ich mache auf und nur Yukio-kun steht vor der Tür. "Morgen!" rufe ich ihm zu, als ich mir meine Schuhe überstreife. "Du bist ja gut drauf, dafür, dass heute Montag ist." kommt es von ihm zurück. Er hilft mir auf. "Wo ist Sachi-chan? Holen wir sie jetzt ab?" "Nein. Heute gehen wir alleine." Na toll. Das kann ja was werden. "Wo ist denn dein Bruder?" "Schon weg. Er geht auf eine andere Schule." "Aha."

"Wie läuft es so zwischen ihm und Sachiko-san?" "Gut." schweigend gehen wir weiter. Auf halben Weg legt er mir plötzlich seinen Arm um die Schulter: "Weißt du, ich habe auch das Gefühl, dass es gut zwischen uns läuft." "Aha." Was wird das, wenn's fertig ist? Bitte keine Liebeserklärung! Ich hab schon genug anderen Stress. Er fährt fort: "Daher wollte ich dich fragen, ob du mit mir gehen willst!" Ich wusste es. 

Plötzliche Panik überkommt mich. "Ich... Ich..." versuche ich es ihm zu sagen. Dann übernehmen meine Beine die Kontrolle und ich renne den restlichen Weg zur Schule. Die Treppen hoch und ins nächste Mädchenklo. Ich fange an zu weinen und schließe mich in einer der Kabinen ein. Warum ist diese Liebe so verdammt kompliziert? Ich bringe es nicht übers Herz auch nur einem von ihnen zu sagen, dass ich nichts fühle. Auch wenn es gelogen wäre.

Während ich weinend auf der Toilette hocke gibt mein Handy mehrere Töne von sich. Wahrscheinlich meine Freunde, die sich fragen, wo ich bin. Nur gedämpft nehme ich wahr, dass die Schulglocke läutet. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Wie lange ich jetzt hier schon sitze? Ich riskiere ein Blick auf mein Handy. Zwei Nachrichten von Sachiko und eine von Yukio. 

Ich antworte jedoch nur Sachiko, die fragte, wo ich bin: Ich sitze im Mädchenklo. Keine Ahnung in welcher Etage. Ich habe grade ne Krise. >_< . Sie schreibt: Ich komme in der nächsten Pause zu dir! Ich sehe auf die Uhr. Es dauert noch 20 Minuten bis Sachiko hier ist. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und weine erneut.

Tokyo, mein neues ZuhauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt