- 6 - [Adam]

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Die Sonne scheint hell und warm. Es ist der bisher wärmste Tag des Jahres.

Der Sand fließt durch meine Hände und um meine nackten Füße. Die Wellen brechen mit einem lauten Rauschen vorne am Ufer und wir beobachten die Möwen beim Fliegen.

Solche Tage sind unvergleichbar.

Sie lassen uns alles vergessen.

Tami liegt neben mir, mit ihrem Kopf an meine Schulter gelehnt. Wir beide beobachten Jani und Lukas beim Sandburgen bauen.

Es kommt mir vor, als würde ich schon ewig hier sitzen und als könnte ich auch noch ewig hier weiter sitzen.

„Papa! Papa!", kommt Jani auf mich zu gerannt und bleibt dann direkt vor mir stehen.

„Fang mich!", kreischt er und rennt lachend los.

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich drücke Tami einen flüchtigen Kuss auf ihre Lippen und springe dann auf, um meinem kleinen Jungen nach zu jagen.

Seine kleinen Beinchen sind schnell, doch meine Schritte sind größer und so dauert es nicht lange bis ich ihn eingeholt habe und ihn unter seinen Armen packe. Ich hebe ihn hoch und wirble ihn herum. Er lacht und kreischt laut und ich muss auch lachen.

Dann verwandelt sich sein Lachen in ein Husten und ich lasse ihn sofort wieder runter.

„Alles ok mit dir, mein Großer?", frage ich ihn besorgt und klopfe ihm behutsam auf seinen Rücken, bis er wieder aufhört zu husten.

„Ja, Papa." Er reibt sich mit seinem kleinen Handrücken über die Augen.

„Hast du dich verschluckt?"

Er schüttelt mit seinem Köpfchen.

„Hast du dich erkältet?" Ich taste sofort seine Stirn ab. Sie ist leicht warm, aber das kann auch durch die Sonne und das Rumgerenne kommen. Sein kleiner Körper ist noch recht sensibel. Ich umfasse seine nackten Füßchen. Sie sind kalt.

„Komm wir gehen rein", beschließe ich und hebe ihn auf meine Schultern. Er lacht dabei, dann fängt er wieder an zu husten. Ich reibe seine kleinen Füßchen, doch sie wollen einfach nicht wärmer werden.

Tami sieht uns besorgt an, als wir an ihr vorbeilaufen und will schon aufspringen.

„Alles gut. Ich bring ihn nur rein und wickle ihn in eine Decke. Bleib du ruhig draußen und pass auf Lukas auf." Sie nickt knapp, sieht dabei jedoch sichtlich besorgt aus. Dann gehe ich weiter.

Jani umfasst meinen Kopf mit seinen Händen.

„Lukas und ich haben die größte Sandburg aller Zeiten gebaut. Hast du das gesehen, Papa?"

„Ja, das war ja gar nicht zu übersehen, so groß war die."

„Die war mindestens fünfzig Meter hoch. Hätten wir weiter gebaut, wäre sie noch größer als unser Haus geworden", erzählt er mir stolz, während ich ihn die Dünen hochtrage und er immer wieder husten muss.



Als ich aufwache, überprüft eine Zarte meinen Blutdruck.

Ich habe Tränen in den Augen, als mir plötzlich klar wird, dass ich nur geträumt habe. An diesen Tag muss ich andauernd denken. Es waren nicht mal mehr zwei Wochen bis zur Jagdsaison. Und nur wenige Tage bevor bei Jani das Fieber ausbrach.

Fast täglich frage ich mich, was passiert wäre, wenn ich mich mehr um ihn gekümmert hätte. Bestimmt würde mein Kleiner noch hier sein.

Mein Herz fühlt sich an wie ein schwerer Stein in meiner Brust. Ich hole tief Luft, aber das bringt nichts. Ich bin zu schwach, um die Tränen zurück zu halten.

Die Zarte nimmt das Blutdruckmessgerät von meinem Arm und sieht mich einfach nur an.

„Brauchen Sie irgendwas?", fragt sie höflich.

Mein früheres Leben.

Doch stattdessen schüttle ich mit meinem Kopf und schluchze ein „Nein".

Sie geht kurz bevor aus meinen Tränen ein heftiges Weinen wird.

Oh Gott, warum kann es nicht alles so sein wir früher? Warum musste ich in eine so grausame Welt geboren werden? Ist es denn wirklich so viel verlangt, sich ein Leben ohne Angst und Trauer zu wünschen?

Besetzeraugen (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt