- 29 - [Adam]

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„Was läuft da zwischen Nick und dir?", verlange ich in einem sehr bestimmten Ton von meiner Schwester zu wissen.

Nur mit einem Handtuch bekleidet pustet sie in unserem Badezimmer mit diesem Ding, dass sie hier ‚Föhn' nennen ihre Haare trocken und zuckt zusammen, als ich einfach reingeplatzt komme.

„Bist du bescheuert?! Ich könnte nackt sein oder auf der Toilette sitzen! Und du klopfst nicht mal ... Heilige Scheiße, Adam! Warum blutet deine Nase so?!"

Daran hatte ich grade gar nicht mehr gedacht, aber jetzt wo sie es sagt, lecke ich mir automatisch über meine Lippen und schmecke das Blut.

Ich nehme mir einfach schnell ein Taschentusch und halte es ran. Meine Nase fühlt sich gebrochen an. Na toll, wer weiß wann das verheilt ist? Das hat mir ja jetzt gerade noch gefehlt.

„Beantworte einfach meine Frage", fordere ich.

„Beantworte du meine Frage!" Ich habe keine Lust auf ihre Spielchen.

„Hör auf mir auszuweichen und antworte endlich! Läuft da was zwischen dir und Nick?!"

„Da läuft überhaupt nichts. Wir sind nur Freunde", antwortet sie und legt den Föhn weg. „Wie kommst du überhaupt darauf?", fragt sie mich und scheint mindestens genauso wütend auf mich zu sein, wie ich auf sie.

„Weil ihr so viel Zeit miteinander verbringt. Und selbst, wenn ihr nur Freunde seid, ist das schon schlimm genug! Er ist immerhin gefährlich! Also halt dich von ihm fern!"

Aurora sieht mich mit ihren großen braunen Augen überrascht an. „Du willst mich verarschen, oder?"

„Nein, Aurora ich meine es verdammt ernst!"

Dann lacht sie gekünstelt. „Seit wann bestimmst du eigentlich über mein Leben, Adam?"

„Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Niemand weiß, wann Nick das nächste Mal die Kontrolle verliert und ob du nicht grade in der Nähe bist und ihm zum Opfer fällst."

Sie zupft ihr Handtuch zurecht und sieht mich dabei völlig verwirrt an.

„Okay, deine Sorge ist ja durchaus irgendwie verständlich, aber eins vergisst du dabei?"

„Und was?"

„Dass ich selber jeder Zeit die Kontrolle verlieren und Nick den Kopf abreißen könnte!"

„Ich hoffe doch nicht", kommt es plötzlich aus unserem Schlafzimmer hinter mir.

Ich drehe mich um und sehe Nick vor mir stehen, der etwas ratlos zwischen Aurora und mir hin und her guckt.

Wie lange steht er hier schon? Und wie viel hat er gehört?

„Was ist denn mit dir passiert?", fragt er mich.

„Auf die Antwort warte ich auch immer noch", höre ich Aurora hinter mir in einem vorwurfsvollen Ton. Den kann sie sehr gut.

„Daum geht es hier gar nicht!", sage ich genervt und versuche das Thema wieder von meiner blutenden Nase wegzulenken.

„Okay, was soll's", ergreift Aurora das Wort, „Adam raus aus dem Bad, damit ich mich endlich anziehen kann. Ich bin schon spät dran."

Sie schubst mich unsanft raus und knallt die Tür vor meiner Nase zu. Sie hätte sie auch ruhig voll draufknallen können. Ich meine, meine Nase ist ja eh schon gebrochen, also was soll's!

„Spät dran für was?", frage ich sie etwas zu laut und wütend durch die Tür und von der anderen Seite schallt es: „Meinen ersten Stresstest."

Ich drehe mich überrascht zu Nick um. „Stresstest?"

Warum erzählt mir niemand was davon?

„Ja. Jetzt, wo das Serum endlich bei ihr anschlägt, müssen wir sie natürlich darauf vorbereiten."

Das klingt plausibel. Trotzdem wäre eine kleine Benachrichtigung schön gewesen.

Warum haben sie mir nichts davon erzählt? Haben sie es etwa mit Absicht verschwiegen?

Vielleicht hatte dieser Kerl aus der Kantine ja Recht und es stimmt wirklich etwas nicht mit Nick.

Ich dachte immer, er wäre einer von den Guten. Jemand dem man vertrauen kann.

Doch wahrscheinlich habe ich mich da getäuscht.

Ich muss irgendetwas unternehmen, dass Aurora sich von ihm fernhält.

Augenblicklich reißt sie die Tür vom Badezimmer auf und stürmt an mir vorbei.

„Ok, ich bin fertig. Wir können los", mault sie genervt.

„Was hast du da an?", frage ich sie verwirrt und sie bleibt stehen.

Sie trägt nicht die übliche schwarze Kleidung – also Hose, T-Shirt, Jacke. Sondern einen hautengen Trainingsanzug.

So will sie hier rumrennen? Dieser Anzug zeigt ja wirklich alles.

Ich wage es gar nicht ihn genauer zu betrachten.

„Das ist mein Kampfanzug. Du müsstest deinen heute oder morgen auch noch bekommen. Mit diesen werden wir in den Krieg ziehen", erklärt sie mir ruhig, doch ihr bissiger Unterton ist nicht zu überhören.

„Aber das sind doch nur einfache Trainingsanzüge. Wie sollen die uns denn schützen?", protestiere ich gegen diese freizügige Kleiderordnung.

„Nun", setzt Nick zur Erklärung an, „Sie sind aus einem Material, dass die Besetzer entwickelt haben. Die Fäden, aus denen es besteht, sind hauchdünn und sorgen somit für einen größeren Bewegungsfreiraum. Außerdem sind sie so gut wie unzerstörbar."

„So gut wie?"

„Naja, natürlich sind sie nicht komplett unzerstörbar, aber sie sind sehr robust und können sogar Kugeln für eine ganze Weile aufhalten."

„Eine ganze Weile?"

Nick zieht bei meinen ganzen Nachfragen eine Augenbraue hoch. Ich will das nun mal wissen. Soll er es mir doch gleich komplett erklären, was es mit diesen komischen Anzügen auf sich hat und nicht immer nur irgendwelche Andeutungen machen!

„Sie halten nicht ewig. Wenn der Stoff einen Riss hat, ist er rundherum um diese Stelle sehr instabil."

„Und wenn dieser Stoff so stark ist, was kann ihn dann schwächen?"

„Eine besonders starke Krafteinwirkung oder wenn auf die selbe Stelle längere Zeit Kraft ausgeübt wird. Es kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Aber auf jeden Fall schützen diese Anzüge besser, als die Sachen, die wir bisher immer anhatten."

Ok, mag sein, dass Nick Recht hat, doch es stört mich trotzdem Aurora da drin zu sehen.

„Aurora, wir müssen jetzt wirklich los", drängt Nick und hält ihr die Tür auf.

„Sehen wir uns heute beim Abendbrot?", fragt Aurora noch zum Abschied. Inzwischen klingt sie schon nicht mehr ganz so wütend.

Am liebsten würde ich sagen: „Nur, wenn er nicht mitkommt" und Nick dabei einen Todesblick zu werfen. Doch stattdessen antworte ich nur: „Ja, sicher" und werfe ihr noch ein erzwungenes Lächeln zu.

„Gut, und dann kannst du mir endlich erklären, warum deine Nase gebrochen ist." Und schon verschwindet sie mit Nick auf dem Gang.

Das passt mir so gar nicht.

Ich verfluche diesen Arsch aus der Kantine für seinen Floh, den er mir ins Ohr gesetzt hat. Und dafür, dass er mir meine Nase gebrochen hat.

Besetzeraugen (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt