- 53 - [Aurora]

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Im ersten Moment bin ich stocksteif vor lauter Überraschung, als ich sehe, wie Nick es tatsächlich schafft dem Ultimativen vor uns in seine hässliche Fratze zu schlagen. So unbesiegbar scheinen sie ja dann wohl doch nicht zu sein. Das gibt mir Mut.

Durch das Serum bin ich genauso stark wie Nick, wenn er es schafft sie zu bekämpfen, schaffe ich das ganz sicher auch. Hoffentlich.

Das werde ich wohl gleich rausfinden, denn ein paar der Ultimativen haben sich mir zugewandt und sehen mich an, als wäre ich ihre nächste Mahlzeit. Einer von ihnen springt auf mich zu. Ich ducke mich und er springt über mich rüber. Doch noch im Flug schaffe ich es einen seiner Füße zu fassen und schwinge ihn gegen einen anderen Ultimativen. Wie zwei nasse Säcke gehen sie zu Boden und ich muss kurz stolz grinsen. Damit haben sie wohl gar nicht gerechnet. Tja, ich bin eben nicht mehr das kleine schwache Mädchen für das mich alle immer halten!

Ich springe ihnen hinterher und schlage abwechselnd auf die Gesichter der beiden ein. Dem einen mit links dem anderen mit rechts. Ich werde immer schneller und schlage immer fester. In mir hat sich so viel Wut aufgestaut und es tut so gut diese nun raus zu lassen. Diese Ultimativen sind mein persönlicher Stressball. Nach ein paar Sekunden sind meine Fäuste voll von ihrem blauen Blut und ihre Gesichter nicht mehr erkennbar. Währenddessen stürzt sich allerdings auch schon der nächste auf mich und bohrt seine messerscharfen Zähne in meinen Hals. Ein höllischer Schmerz breitet sich in mir aus und ich kann einen gequälten Schrei nicht unterdrücken. Er beißt mir die Halsschlagader raus und mein Schmerzensschrei hallt durch das gesamte Schiff. Werde ich daran sterben? Es tut höllisch weh. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie solche Schmerzen gespürt! Ich weiß, ich muss stark bleiben, aber Scheiße! Es tut so verflucht weh! Und ich muss immer stark sein! Warum muss ich immer stark sein?! Ein Moment der Schwäche ist doch wohl nicht zu viel verlangt, oder?

Vielleicht doch, wenn man gegen Ultimative kämpft ... Die Wunde schmerzt noch immer tierisch, doch immerhin heilt sie bereits.

Mir bleibt jedoch keine einzige Sekunde zum Verschnaufen. Denn von vorne stürzt sich bereits der nächste Ultimative wie ein wildgewordenes Tier auf mich und versucht meinen Oberkörper mit seinen langen scharfen Krallen aufzuschneiden. Will er mir meine Organe alle einzeln entnehmen oder was? Ich will ihn von mir wegtreten, doch ein weiterer Ultimativer hält meine Füße fest und ein dritter packt meine Arme. Zusammen sind sie zu stark. Egal wie sehr ich versuche mich gegen ihre festen Griffe zu wehren, sie lassen nicht locker. Und so kann der dritte von ihnen ohne weitere Bedenken meinen Bauch mit seinen spitzen Fingern aufreißen und in ihn hineingreifen. Die Wunde am Hals war ein Scheißdreck im Vergleich zu diesen Schmerzen. Ich schreie und weine, während ich weiterhin krampfhaft versuche mich von ihnen loszureißen. Doch die Schmerzen erschweren es nur noch. Mein ganzer Körper beginnt zu zittern und meine Atmung wird immer schneller und heftiger. Oh Gott verliere ich die Kontrolle? Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Dann spüre ich wenigstens auch nicht, wenn ich sterbe.

Doch ich will nicht loslassen. Adams Gesicht erscheint vor meinem geistigen Auge. Wie er mich noch vor ein paar Tagen im Arm hielt, als ich beinahe die Kontrolle verloren hätte. „Kämpf dagegen an, Rehlein! Ich weiß, dass du es kannst", höre ich ihn immer wieder sagen. Er wusste genau, dass ich ihn töten würde, hätte ich die Kontrolle verloren, doch er blieb trotzdem und war für mich da, als ich ihn so dringend brauchte. Oh Gott, wie soll ich es nur ohne Adam schaffen? Ich weiß nicht, was mehr schmerzt. Das Gewühle in meinen Eingeweiden oder den Verlust meines geliebten Bruders? Ich kneife meine Augen zusammen und schrei all den Schmerz aus mir heraus. Soll doch das ganze verfluchte Raumschiff mich hören!

Vielleicht sollte ich wirklich einfach loslassen ...

Plötzlich verschwindet das schmerzhafte Gefühl zweier Hände in meinen Gedärmen. Ist es vorbei? Habe ich die Kontrolle verloren? Bin ich tot?

Vorsichtig öffne ich meine Augen und sehe, wie der Ultimative, der gerade noch in meinen Eingeweiden rumgekramt hat, von Nick zur Seite gestoßen wurde.

Erst freue ich mich über seine Rettung. Doch dann sehe ich die Geier um uns rumstehen und begreife, dass sie nur aufgehört haben uns zu zerfleischen, um unser Leid länger genießen zu können.

Mein Bauch beginnt zu kribbeln. Er beginnt schon zu heilen, doch noch schaffe ich es nicht mich zu bewegen. Da klafft eine riesige blutige Wunde aus meinem Bauch und ich traue mich nicht mal Luft zu holen, weil es so verflucht weh tut.

Doch Nick hält mir die Hand hin, um mir zu helfen mich aufzusetzen. Obwohl es bereits heilt, spüre ich noch immer die stechenden Schmerzen und augenblicklich laufen mir Tränen über mein Gesicht. Ich kann es nicht verhindern.

„Nick", schlucke ich und wage es eigentlich gar nicht mir diese Schande einzugestehen, aber..., „Wir schaffen das nicht."

Vorsichtig versucht er mir auf zu helfen und mit zusammengebissenen Zähnen schaffe ich es tatsächlich hoch.

Plötzlich wird sein Gesicht ganz ernst. So guckt er immer, wenn er eine selbstlose, aber auch sehr selbstmörderische Idee hat.

Oh nein ... er wird doch wohl nicht ...

"Schnapp dir Tamara und Milli und verschwinde von hier."

"Ich lass dich hier nicht zurück", widerspreche ich sofort und augenblicklich schießen mir wieder Tränen in die Augen und ich sehe meinen blutverschmierten Bruder in meinen Armen liegen „Bitte, Nick. Ich kann dich nicht auch noch verlieren."

"Es ist die einzige Möglichkeit, das zu überleben." Wenn er das überhaupt überlebt ... Natürlich will ich auch nicht sterben, doch es gibt keinerlei Garantie für seinen Plan ... es gibt für nichts mehr eine Garantie ...

Ich will ihm bereits widersprechen, als er mich einfach von sich wegschiebt und sich auf die Ultimativen stürzt.

Ich bin noch immer verwundet ... ich kann ihm nicht helfen ...

Widerwillig drehe ich mich zu Tami und Milli und will bereits zu ihnen, als sich einer der Ultimativen von hinten auf mich stürzt und mir meine Schulter beißt. Ich schreie und versuche ihn von mir ab zu schütteln, doch er und seine beschissenen Fangzähne lassen einfach nicht locker!

Doch plötzlich lässt er nach und sein Körper rollt sich von meinem runter.

Nick?

Doch es ist Milli, die hinter mir steht und mir eilig hochhilft. Sie hat ihm mit einem alten rostigen Katermesser die Kehle durchgeschnitten.

Sie legt ihren Arm um mich, um mich beim Laufen zu stützen, doch ich wimmle ihn ab. „Es geht mir gut", lüge ich. „Hilf Tami."

So schnell wir können stolpern wir weiter. Aber nicht zurück zum Schiff, sondern weiter in Richtung Kommandozentrale. So lange wir nicht tot sind, können wir es immer noch schaffen ...

Ich hoffe mit Nick.

Besetzeraugen (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt