- 32 - [Aurora]

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In dieser Stadt ist alles viel zu sauber und zu strahlend weiß. Das einzige Stückchen Natur finde ich auf dem Sportplatz, wo die Besetzer Kunstrasen verlegt haben.

Er sieht weder aus wie echter Rasen, noch fühlt er sich so an. Doch er ist das einzig Grüne hier.

Eigentlich ein Wunder, dass sie ihn nicht auch weiß angepinselt haben, so wie alles andere hier.

Dieses Weiß überall macht mich langsam aber sicher depressiv. Ich will einen Baum sehen und Wildblumen. Ich möchte Brombeeren pflücken. Es ist jetzt August, also wachsen sie gerade überall. Und ich hocke hier drin in einem strahlend weißen Gefängnis mit geregelten Essenszeiten und Kleidungsvorschriften. Mir fehlt die Freiheit.

Ich bin natürlich nicht allein hier draußen. Ein paar Meter von mir entfernt trainieren ein paar Jugendliche für den Krieg und machen Liegestütze. Sie sehen immer wieder zu mir herüber.

Natürlich verständlich. Die schwitzen sich in der prallen Sonne den Arsch ab und quälen sich noch dazu mit Liegestützen rum und ich liege einfach im Gras und zähle Schäfchenwolken, so wie früher als ich klein war. Doch ihre neidischen Blicke interessieren mich herzlich wenig. Ich genieße einfach meine Ruhe, wenn ich hier schon sonst nichts habe.

Allerdings hält diese Ruhe nicht sehr lange an.

„Identifiziere dich, Mensch", fordert eine Zarte mich auf, die mir die Sonne raubt.

„Mensch" ... Sie spricht es so abwertend aus. Hält sie sich etwa für was Besseres? Ach ja, sie ist eine Zarte, natürlich tut sie das.

„Identifizieren?", frage ich komplett unwissend nach.

„Nenne deine Nummer, unter der du hier verzeichnet bist."

Ich sehe sie weiterhin verwirrt an. Wovon zum Teufel spricht es da?

„Ich habe keine komische Nummer. Ich bin hier nicht aufgewachsen, sondern erst seit zwei Wochen in dieser Stadt", erkläre ich dieser hochnäsigen Besetzertante.

Dann scheint es doch tatsächlich Klick bei ihr zu machen. „Du bist das Wildlingsmädchen", stellt sie fest.

„Sehr gut erkannt. Und jetzt hätte ich gerne wieder meine Ruhe, also wenn du mir bitte aus der Sonne gehen würdest." Ich habe das so höflich und nett gesagt, wie ich nur kann, also warum bewegt sie sich nicht von der Stelle?

Ich schließe einfach wieder meine Augen und hoffe, dass sie irgendwann versteht, dass sie gehen soll.

Doch natürlich macht sie das nicht.

„Dein Status als Wildling gibt dir nicht mehr Freiheiten als denen, die hier geboren sind."

Will sie mich etwa zu irgendetwas zwingen? Soll sie ruhig mal versuchen. Vielleicht schaffe ich es ja dann doch noch die Kontrolle zu verlieren.

Widerwillig öffne ich meine Augen wieder und werfe ihr einen Todesblick zu.

„Verschwinde", zische ich, doch das Miststück bewegt sich keinen Meter. Nicht mal ihr Gesicht verändert sich. Fast als hätte jemand bei ihr den Pausenknopf gedrückt und sie wäre eingefroren.

„Ich habe gesagt, du sollst verschwinden", wiederhole ich ganz langsam und bestimmt für ganz Doofe. Also sie.

Als sie immer noch nicht den Hauch einer Reaktion zeigt, werde ich langsam wirklich wütend.

Ich quäle mich hoch und stütze mich auf meine Arme.

„Vielleicht bist du in eurer Besetzernahrungskette ja so weit unten, dass du es noch nicht gehört hast, aber man hat mir dieses Superserum gespritzt. Du weißt schon. Das, was Nick auch schon bekommen hat, bevor er allen Starken, die ihn aufhalten wollten, den Kopf abgerissen hat. Und wenn du mir nicht sofort aus der Sonne gehst und mich in Frieden lässt, werden hier wieder ein paar Köpfe rollen und das obwohl, Nick nicht mal in der Nähe ist. Also hast du mich jetzt endlich verstanden oder müssen auf Worte Taten folgen?"

Besetzeraugen (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt