14 | Fünf Jahre

5.2K 226 42
                                    

Severus schwieg. Er konnte nichts sagen.
Er war nicht überrascht oder schockiert, sondern einfach nur still.

Hermine wurde nervös und sah ihn ängstlich an. Er würde ausrasten, dessen war sie sich sicher. Nach mehreren Minuten hielt sie die unerträgliche Stille nicht mehr aus.

"Severus? Sag bitte etwas", murmelte sie verzweifelt.
Er schwieg weiter.
"Bitte, irgendwas...", flehte Hermine erneut.

"Ich kann es nicht fassen", hauchte er und ließ sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch sinken.

"Aber es ist wahr, Severus. Antonia Eileen Granger ist deine Tochter", sagte Hermine und musste sich so sehr beherrschen nicht seine Hand zu streicheln, die vor ihr auf dem Tisch lag.

"Antonia Eileen Granger?", fragte er überrascht.

"Ja...ich wollte, dass sie wenigstens ein bisschen von dir hat."

"Sie hätte noch mehr von mir gehabt wenn du deinen Mund aufgemacht hättest!", erwiderte er wütend.
Kaum hatte er sich gesetzt sprang er nun wieder auf und ging vor ihr hin und her. "Wie alt ist Antonia jetzt? Vier oder schon fast fünf?" Hermine sah ihn nur schuldbewusst an. "So lange hast du mir meine Tochter verschwiegen."

"Ich weiß, es tut mir leid. Ich wusste nur damals nicht wie ich damit umgehen sollte. Wie auch...wir hatten ja nicht mal eine richtige Beziehung", erklärte sie mit hängenden Schultern.

"Wir haben nur ein mal miteinander geschlafen!"

"Das reicht um schwanger zu werden!", rief Hermine lautstark zurück.

Er wurde wieder etwas ruhiger, doch wusste sie nicht ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war. "Warum hast du mir all die Jahre nichts gesagt?"

"Ich hatte Angst", hauchte sie mit tränenerfüllten Augen.

"Vor wem? Vor mir?", fragte er ungläubig. "Was glaubst du denn was ich gemacht hätte? Es war schließlich nicht nur dein Fehler."

"Nicht nur deswegen", wisperte sie. "Ich hatte Angst dich wiederzusehen."

"Wie bitte?"

"Ich dachte ich wäre nur ein bedeutungsloser One-night-stand gewesen", erwiderte sie mit leiser Stimme.

Er sah sie scharf an. "Hermine, in den ganzen letzten Wochen in denen du hier bist, bist du da nicht einmal darauf gekommen, mir die Wahrheit zu sagen?"

"Doch natürlich aber--"

"Hast du nicht ein einziges mal über die Konsequenzen deines Handelns nachgedacht?", fragte er aufgebracht.

"Natürlich habe ich das, aber jedesmal hatte ich zu viel Angst. Angst davor, dass du ausrastest, dass du dich schämst, oder Antonia nicht willst", antwortete sie mit brüchiger Stimme.

"Und das soll ich dir glauben?", fragte er kopfschüttelnd. "Du hast fünf Jahre lang mich, deine Tochter, deine Freunde, einfach alle belogen. Wie soll ich dir jemals wieder vertrauen? Wie soll ich der Frau vertrauen, die mir mein eigenes Kind genommen hat?"

Hermine sah ihn gebrochen an. "Ich weiß es nicht", hauchte sie und sah nur noch, duech einen verschwommenen Film wie er ihr Büro verließ und die Tür kraftvoll hinter sich zuschlug.
Weinend brach sie an ihrem Schreibtisch zusammen.
Sie trauerte über eine zerstörte Familie, den Bruch seines Vertrauens in sie und vielleicht sogar eine verlorene Liebe.

* * *

Severus flüchtete aus Hermine Büro und eilte zur Tür zu den Gängen. Doch fast rannte er Antonia um, die in Häschenpantoffeln und Pyjama vor ihm stand und das Geschrei gehört hatte. Sie sah aus, wie ein unschuldiger Hoffnungsschimmer, herausgerissen aus dem Streit. Als würde es hier nur um das Mädchen gehen. Nicht um Vorwürfe, Betrug und Verrat. Sie schien seine Wut zu stoppen, wenn auch nur für einen Moment. Wie eine plötzliche Erscheinung, die ihn für eine gewisse Zeit alles negative vergessen lassen konnte.
Sie sah ihn mit großen runden Augen an und wollte ihn an liebsten ganz fest drücken, weil er in ihren Augen wirklich so aussah, als könne er es gebrauchen.

"Severus, wo ist Mummy?", fragte die Kleine und drückte ihr Kuscheltier an sich.

Er sah für einen Moment wie hypnotisiert auf das Mädchen herab. Sie war sein Kind. Sein Fleisch und Blut. Er und Hermine hatten diese entzückende Mädchen geschaffen. In seinen Augen wurde sie genau in dem Moment so einem Sinnbild der Perfektion, welches nichts und niemand übertreffen konnte.
Doch er sah plötzlich nur noch Hermines Verrat in ihr. Die endlosen Lügen und Kränkungen. Bevor sein Herz weiter wie eine platzende Glasscheibe zerspringen konnte rauschte er an dem Mädchen vorbei und verließ Hermines Räume voller Wut und Verzweiflung.

* * *

Severus besah sich die Ungebung und versuchte tief zu atmen. Man sah nur wenige Häuser in großen Abständen stehen, die von blühenden Gärten umringt waren. Man konnte kaum mit Sicherheit sagen wo ein Garten aufhörte und der nächste anfing.
Der Himmel war aufgeklart und nur wenige Wolken verdeckten die Sonne hin und wieder.
Was sollte er sich nur wünschen? Das er Hermine niemals kennengelernt hätte? Sie niemals zum Tanzen aufgefordert hätte? Oder einfach nur niemals mit ihr geschlafen hätte? Was davon? Oder alles zugleich?
An den Kuss vermochte er gar nicht mehr zu denken, sondern nur noch an Antonia. Seine Tochter. So absurd, wie er gedacht hatte, klang es gar nicht. Antonia Snape...er schmunzelte. Ein passender Name. Ihr Hesicht tauchte vor seinem inneren Augen auf und er konnte es nicht verhindern zu lächeln. Doch schnell legte sich ein Schatten über das Bild. Es war ähnlich wie eine Wolkenbank, die sich vor die gleißende Sonne schob und die Welt um ihn herum für einen Moment dunkler zu machen schien.
Er hatte seine Tochter nie kennenlernen können, in den Wissen, dass sie seine Tochter ist. Und nun würde er sie vielleicht niemals richtig kennenlernen, da sie nicht lange genug leben würde. Er wollte diese Gedanken zur Seite schieben, doch es gelang ihm nicht. Wie sehr er sich wünschte an ihrer Stelle krank zu sein. Er würde jede Art von Schmerzen ertragen, solange es dem Mädchen gut ginge.

Seine Augen erfassten nun Fassaden und die grundzüge eines kleinen gemütlichen Häuschens inmitten, der schönen Wiesen Englands. Er klopfte an die Tür und trat einen Schritt zurück. Er brauchte nicht lange zu warten eine ältere Frau mit schon leicht ergrautem hochgestecktem Haar, die Haustür öffnete. Sie war schmal gebaut, aber sah nicht dünn, sondern schmächtig aus und hatte müde schwach wirkende Augen.

„Severus?", sagte sie voller Überraschung, mit ihrer rauchigen aber dennoch verwunderlich melodischen Stimme.

„Hallo Mum."

The RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt