Kapitel 16 - UnerwarteteHilfe
11:21 Uhr, Moning Sektor, Außenstützpunkt von Xernox
Seufzend setzte ich mich auf der Pritsche auf und winkelte die Beine an, während ich mich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte. Missmutig starrte ich die Wand der Zelle an. Egal wie ich meine Möglichkeiten drehte und wendete, ich kam hier nicht raus. Unmöglich.
Mein Headset hatten die Wachen leider entdeckt. Nur mein ID-Band nicht, aber diese blöde Zelle war quasi ein Bunker, in dem man kein Empfang hatte. Mein Handy hatte ich gar nicht erst zu unserer Rettungsmission mitgenommen, sonst hätte ich es wohl nicht mehr wiedergesehen.
Unser Einbruch in diesen Stützpunkt war vorletzte Nacht gewesen. Ich saß also nun meinen zweiten Tag in dieser ziemlich öden Zelle. Ich war mir sicher, dass den anderen nicht noch einmal gelingen würde, in das Gebäude zu kommen. Xernox hatte nach unserem Eindringen die Wachen verstärken lassen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich besonders stark bewacht wurde. Bestimmt Anweisung von Liam McChash. Gestern hatten zwei Wachen mich in einen Verhörraum geschliffen und der Kommandant dieses Stützpunktes hatte versucht, irgendwie aus mir herauszubekommen, wo Andrew, Jason, Laurin und Matthew sich Aufhielten. Ich hatte allerdings beharrlich geschwiegen. Nicht ein Wort würde Xernox aus mir herausbekommen. Soweit ich das mitbekommen hatte, war McChash außer sich vor Wut gewesen, als er erfahren hatte, dass wir in seinen Außenstützpunkt eingebrochen waren und Matthew befreit hatten. Dass sie mich allerdings festnehmen konnten, schien ihn etwas beruhig zu haben. Als würde ich ihm mehr als Matt nützen. Matt wusste, wie der T-Virus hergestellt wurde und wie er funktionierten, ich nicht. Das einzige was ich wusste, war wie man ihn einsetzt, aber das sollte McChash nicht viel weiterbringen, wenn er den T-Virus nicht hatte.
Na ja, wie auch immer. Ich starrte also so lange die Wand an, bis einer der Wachen mir etwas zu Essen und Trinken brachte. Gelangweilt aß ich das Brötchen und setzte mein starren fort. Ungefähr eine halbe Stunde lang tat ich nichts anderes, bis die Tür der Zelle schließlich geöffnet wurde und ein Offizier von Xernox eintrat. „Gefangene, stehen Sie auf."
Da mir eh nichts anderes übrigblieb, erhob ich mich seufzend und ließ mir von ihm erneut Handschellen anlegen. Er hielt mich am Arm fest – inzwischen war ich mir ziemlich sicher, dort bereits einen blauen Fleck zu haben - und schob mich aus der Zelle hinaus. „Wohin gehen wir?", fragte ich. Allerdings erwartete ich keine Antwort, daher überraschte es mich umso mehr, doch eine zu erhalten.
„Dr. McChash will, dass sie ins HQ verlegt werden." Der Offizier führte mich die Treppe hinauf und dann durch den Hauptausgang aus dem Stützpunkt. Vor diesem stand bereits ein dunkler Militärjeep. Ein Xernox-Polizist öffnete die Tür und der Offizier deutete mir an einzusteigen. Also kletterte ich auf die Rückbank und die Tür wurde wieder zugeknallt. Es war nicht schwer zu erraten, dass man sie von innen nicht öffnen konnte. Der Offizier stieg auf der Beifahrerseite ein, der Polizist setzte sich hinters Steuer und ein weiterer Polizist neben mich auf die Rückbank. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als wäre ich ein Schwerverbrecher.
Resigniert starrte ich aus dem Fenster, als der Wagen losfuhr und von durch das Tor rollte. Keiner der Xernox-Mitarbeiter sagte während der Fahrt nur ein Wort. Der Polizist steuerte das Auto durch einige Hauptstraßen des Sektors, eh wir eine freie Zone durchqueren mussten, die nicht bebaut war. Mehrere hundert Meter vor mir konnte ich erst wieder Häuser erkennen. Ich hatte gelangweilt den Kopf gegen die Scheibe gelegt und schaute auf das staubige Gelänge abseits der Straße an.
Auf einmal wurden wir von einem dunklen großen Auto mit getönten Scheiben überholt, dass ungefähr eine Minute dicht vor uns fuhr, eh es eine Vollbremsung absolvierte und schräg vor uns auf der Straße stehen blieb. Der Polizist, der den Jeep fuhr, musste ebenfalls stark bremsen, so dass ich mit dem Kopf nach vorne gegen den Sitz des Beifahrers prallte, eh unser Wagen knapp vor dem anderem zum Stehen kam. Ich spürte das warme Blut, dass aus der Platzwunde an meiner Stirn sickerte. Als ich mich gerade desorientiert umsah, blieben links und rechts von uns ebenfalls schwarze Autos mit quietschen Reifen stehen.
„Was zum...", setzte der Offizier an, als aus mehrere bewaffnete Männer und Frauen aus den Wagen sprangen. Schnell duckte ich mich, als diese begannen auf den Jeep zu schießen. Während die drei Xernox-Polizisten ihre Waffen zogen und aus dem Auto sprangen, um sich irgendwie zu Wehr zu setzte, bemerkte ich, dass keine der Schüsse mir gefährlich nah kamen. Ungefähr nach einer Minute hörten die Schüsse auf. Ich zuckte erschrocken zusammen, als einer der Xernox Offizier gegen den Wagen gepresst wurde und ein Mann ihm Handschellen anlegte.
Neben mir wurde die Tür aufgerissen und mein Blick huschte herum. Ich riss meine Hände mit den Handschellen hoch und machte mich angriffsbereit, falls diese Angreifer auch mir feindlich gesinnt waren.
„Wow Jin", erklang augenblicklich eine tiefe Stimme, als die Tür offen war. „Beruhig dich!"
„Nathan..." Ich ließ erleichtert meine Hände sinken und lehnte mich zurück. „Gott sei Dank"
„Geht's dir gut?", fragte Nathan, während er mir aus dem Auto half. Ich nickte und schwankte kurz, als ich auf den Beinen stand.
„Langsam", murmelte er und hielt mich an den Armen fest, damit ich nicht das Gleichgewicht verlor. Als ich kurz die Augen schloss, um mich wieder konzentrieren zu können, spürte ich wie er mir vorsichtig das Blut von der Schläfe wischte, dass noch immer aus der Platzwunde rang. „Wirklich alles in Ordnung?"
Ich atmete mehrmals tief durch. „Geht wieder." Er hielt mich noch einen Moment fest, bis er sich sicher war, dass ich wieder fest auf den Beinen stand. Langsam ließ ich meinen Blick umherschweifen. Der Xernox Offizier und einer der Polizisten wurden von mehreren Rebellen gerade in einen Sprinter verfrachtet, der vorhin neben einem der schwarzen Vans gehalten hatte. Suchend sah ich mich nach dem anderen Polizisten um. Als ich ihn entdeckte, zuckte ich zusammen und wandte mich ab.
„Ich sagte doch, dass niemand getötet wird", knurrte Nathan Timo an, als er meinem Blick gefolgt war. Timo zuckte bloß mit den Schultern. Nathan schüttelte den Kopf und warf mir dann einen kurzen prüfenden Blick zu, auf den ich nickte, eh er sich wieder seinen Leuten zuwandte. „Sorgt dafür, dass der Jeep verschwindet." Zögernd sah er zu Leiche des Polizisten. „Und er auch."
Timo nickte und winkte ein paar Leute zu sich, während Nathan mich zu einem der Vans dirigierte. „Liz", winkte er eine Frau heran. „Kümmerst du dich um ihre Wunde?"
„Klar." Sie deutete zu dem geöffneten Kofferraum, wo ich mich auf die Kante setzte. Während Liz die Platzwunde an meiner Stirn säuberte, sah ich zu Nathan, der mit verschränkten Armen neben uns stand. „Woher wusstet ihr, dass ich in dem Jeep war?"
Nathan unterbrach die Beobachtung seine Leute und sah zu mir. „Andrew hat mir erzählt, was während eurer Befreiungsmission für Matthew passiert ist. Seit dem habe ich einen Spion an dem Xernox Außenstützpunkt positioniert, der uns vorhin Bescheid gegeben hat, dass du verlegt wirst."
„Danke." Ich zuckte kurz zusammen, als Liz die Wunde zusammenklebte.
„Kein Problem", meinte Nathan. „Ich glaube ich hatte irgendwo vergessen zu erwähnen, dass das Abkommen gelegentlich auch gegenseitige Hilfe beinhaltet."
„Und Rettungsmissionen zählt er dazu", meinte Liz belustigt.
„Das hast du tatsächlich nicht erwähnt", murmelte ich und nickte Liz dankend zu, als ich wieder aufstand.
„Komm mit", Nathan winkte mich hinter sich her. „Wie müssen hier weg, bevor die Polizei der zuständigen Sektororganisation hier auftaucht." Er gab seinen Leuten ein Zeichen und diese teilten sich auf die Vans auf, so dass in Sekunden schnelle alle Wagen abfahrt bereit waren. Nathan führte mich zu seinen SUV, der seitlich an der Straße stand. Vorhin waren mir nur die drei Vans und der Sprinter aufgefallen.
„Soll ich dich zum Firmengelände fahren?", fragte er, als wir beide in seinen Wagen saßen und er losfuhr. Im Seitenspiegel sah ich, wie sich auch die Vans und der Sprinter in Bewegung setzten.
„Das wäre lieb von dir", antwortete ich und sah wieder nach vorn. Er nickte und als wir wieder die Stadt verließen, bog er ab, während die anderen Wagen der Rebellen weiterfuhren. Wieder lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe, dieses Mal aber, weil mein Kopf noch immer dröhnte, nachdem ich gegen den Sitz geprallt war. Es dauerte nicht lange, bis wir den Zerfallenen Sektor erreichten.
„Jin?", fragte Nathan, als er angehalten hatte und ich nicht reagierte.
„Mh?", ich schüttelte leicht den Kopf, eh ich meine Gedanken wieder sortiert hatte.
„Geht es dir wirklich gut?"
Ich nickte wieder und fasste mir kurz an die Stirn. „Ich glaube, ich habe nur eine Gehirnerschütterung."
„Du solltest dich ausruhen", meinte er und als ich seinen hellgrünen Augen begegnete, sah ich Besorgnis darin aufflammen. Ich wusste gar nicht mehr, wann sich das letzte Mal wirklich jemand außer Matt, Thomas und den Jungs um mich gesorgt hatte. Irgendwie war es ein komisches, aber gutes Gefühl.
„Werde ich machen", antwortete ich ihm und fasste nach dem Griff an der Tür. „Danke, dass ihr mich da rausgeholt habt, Nathan. Und fürs herfahren."
„Keine Ursache", lächelte er.
Kaum war ich ausgestiegen, schwankte ich wieder. Anscheinend nahm mich die Gehirnerschütterung doch etwas mehr mit, als ich gedacht hatte.
„Warte", Nathan sprang aus dem Auto und war wenige Sekunden später neben mir. Er legte einen Arm um meine Taille und stützte mich so. „Ich bring dich noch rein. Nicht dass du mir noch umkippst."
Ich nickte und wir liefen langsam zum Eingang der Lagerhalle. Nathans Arm um meine Taille gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Als wir die schwere Eisentür erreichten, deutete ich Nathan an, dass ich keinen Schlüssel dabeihatte. Also schlug er mit der Faust mehrmals dagegen.
„Wenn die jetzt nicht aufmachen...", setzte ich an, ließ den Satz aber unbeendet.
Es dauerte fast zwei Minuten, bis die Tür einen Spalt breit geöffnet wurde und ich Laurin erkannte, der hindurchlugte. „Jin!" Als er mich erkannte, riss er die Tür auf und umarmte mich stürmisch, so dass ich fast wieder das Gleichgewicht verlor. Lediglich Nathan, der mich am Rücken stütze, verhinderte dies.
„Hey", ich erwiderte Laurins Umarmung. Als er sich von mir löste, sah er zu Nathan. Dieser grinste nur. „Ich habe doch gesagt, ich kümmere mich darum."
„Ihr Rebellen haltet euer Wort, ich habe es kapiert", Laurin winkte uns in die Halle. Als wir diese betreten hatte, fiel mein Blick auf Matthew, der gerade die Treppe der Empore herunterkam. „Gott sei Dank, es geht dir gut", atmete er erleichtert auf.
Vor Freude, Matt nun endlich richtig begrüßen zu können, umarmte ich ihn. „Ich freu mich so, dass du hier bist."
„Und ich mich, dass es dir gut geht", er löste sich von mir und musterte mich von oben bis unten, bis sein Blick an der Platzwunde an meiner Stirn hängen blieb. „Alles in Ordnung?"
Ich nickte. Hinter mir hörte ich Nathan murmeln. „Sie hat sich nur den Kopf gestoßen."
Matthew sah Nathan mit hochgezogenen Augenbraune fragen an. „Und wer sind Sie?"
„Nathaniel Walker", stellte der dunkelblonde sich schnell vor und reichte Matthew kurz die Hand.
„Du heißt Nathaniel mit vollem Namen?", wandte ich mich an ihn.
Er sah mich aber nur belustig an. „Erzähl mir nicht, dass Jin dein voller Name ist."
„1:0 für dich, mein Freund", murrte ich und sah schnell zu Laurin, der gerade mit Andrew und Jason sprach. Die drei mussten ja nicht unbedingt mitbekommen, dass sie nicht meinen vollen Namen kannten. Den kannte nämlich nur Matt.
„Sie gehören zu den Rebellen oder?", schaltete Matthew sich wieder ein.
„Richtig", nickte Nathan und sah dann wieder mich an. „Ich muss wieder zurück zum Hauptquartier. Wir sehen uns." Er wollte sich bereits zur Tür wenden. So schnell ließ ich ihn aber nicht davonkommen, sondern ging zu ihm und umarmte auch ihn kurz. „Danke noch mal", murmelte ich, als ich spürte, wie er die Umarmung erwiderte.
„Habe ich gerne gemacht, Jin", er löste sich von mir, zwinkerte mir zu, eh er zum Abschied die Hand hob und dann die Halle verließ.
„Moment", erklang es hinter mir und ich drehte mich zu einem erstaunten Matthew um. „Du vertraust einer anderen Person?"
Ich verdrehte die Augen. „Mach dich nicht über mich lustig, Matt."
„Tue ich doch gar nicht", er hob abwehrend die Hände. „Ich war eben nur verwundert, dass du diesesm Nathan vertraust. Das ist bei einem von euch vieren echt ein Wunder."
„Wir vier sind vermutlich ein Wunder", murmelte resigniert und ging zu den Jungs, wo ich auch von Jason und Andrew begrüßte wurde.
„Also", setzte ich an, als wir alle oben auf der Empore waren und ich mich auf einem der Stühle niederließ. „Was gibt es neues?" Ich sah zu Matt. „Und wie kamst du zu Xernox?"
Matthew verschränkte die Arm vor der Brust. „Was Xernox in diesem ganzen Spiel für eine Rolle spielt, weiß ich nicht. Aber der gesamte Angriff auf das Lux HQ ging nicht von ihnen aus, sondern von Racket aus. Die Eindringlinge waren ebenfalls Racket-Soldaten. Sie haben mich überrumpelt und sofort aus dem HQ geschafft, ohne dass irgendwer etwas mitbekam. Am saß ich allerdings in einem Xernox Stützpunkt."
„Also steckt Racket hinter all dem?", fragte ich überrascht. Ich wusste ja das bei Racket was faul war, aber das die Eindringlinge tatsächlich ihre Soldaten waren hätte ich nichtgedacht. Eher das Racket diese angeheuert hätte. Aber in den letzten Tagen war mein Verdacht, das Xernox irgendetwas hiermit zu tun hatte, immer größer geworden. „Oder arbeiten Racket und Xernox zusammen?"
„Ich weiß es nicht genau.", meinte Matthew. „Auch die Unbekannten, die damals die Militärtransporter überfallen haben, gehörten zu Racket. Und auch dieses Serum war von ihnen. Aber ich glaube nicht, dass Liam McChash mit Tresher zusammenarbeiten würde. Fragt mich nicht, warum ich das denke, ich kenne die beiden schon ein bisschen länger und eigentlich kann Tresher Liam nicht leiden."
„Aber Xernox hielt dich gefangen", warf ich ein. „Und der Angriff ging von Racket aus."
„Ich glaube eher, dass Liam und Daniel sich gegenseitig ausspielen. Vermutlich wollte Tresher nie, dass Liam mich bekommt, aber Liam hat nun mal den größeren Einfluss in der Stadt und damit die besseren Mittel."
„Und wieso haben sie dich gefangen genommen?"
„Um an euch heranzukommen. Wenn ich verschwunden bin und Thomas wegen Hochverrat angeklagt wird, würde Luxanus vorrübergehend geschlossen werden."
„Das ist doch alles ein linkes Spiel, was Tresher hier abzieht", murmelte ich zerknirscht. Und das schlimmste war, die Regierung kaufte ihm das ja tatsächlich ab.
„Tresher versucht mit den neuen TVIs mehr Macht innerhalb der Regierung zu bekommen", warf Andrew ein.
„Hat er es schon geschafft weitere TVIs zu schaffen?", fragte ich erschrocken, aber Matthew schüttelte den Kopf. „Er wird es aber."
„Und wie? Er müsste bei den Jugendlichen erst die Genmutation in Gang setzten, bevor er ihnen das T-Virus verabreichen kann. Sonst bringt es sie um", sagte Laurin und ließ sich neben mich auf den anderen Stuhl fallen.
„Er nimmt die Genmutation aus meinem Blut", erklärte ich nüchtern und starrte den Boden an.
Jason sah mich verwirrt an. „Aus deinen Blut?"
Ich sah auf. „Habt ihr etwa nicht verstanden, warum Alexa mir im Racket HQ Blut abgenommen hat?"
„Ich dachte, sie wollten damit ein Impfstoff gegen das Serum herstellen", murmelte Laurin irritiert.
„Natürlich", meinte ich sarkastisch und sah ihn von der Seite an. „Gegen ihr eigenes Serum. Sie extrahieren aus der Blutprobe die Genmutation, verabreichen sie den anderen Kindern, so dass sie ihnen den T-Virus gegeben können."
„Wir müssen irgendwie an diese Blutprobe kommen und sie zerstören." Andrew stand entschlossen auf und begann, auf der Empore auf und ab zu laufen. Das tat er immer, wenn er nachdachte. Mir ging er damit schon seit Jahren auf die Nerven. Außerdem brummte mir noch immer der Schädel und zu viel Nachdenken war da nicht sehr hilfreich.
„Wenn wir an die Blutprobe gelangen wollen, müssen wir schon in das Racket HQ." Jason sah davon nicht gerade begeistert aus. Ich übrigens auch nicht.
Andrew blieb stehen und sah uns beide an. „Haben wir eine andere Wahl?"
Ich zuckte bloß mit den Schultern. Natürlich wollte ich Racket davon abhalten, weiteren Kindern den T-Virus zu verabreichen, aber wie wollten wir das hinbekommen? Immerhin waren wir nur vier Jugendliche und der Leiter einer geschlossenen Sektorenorganisation. Seufzend vergrub ich das Gesicht in den Händen.
„Matt?", fragte Laurin. „Was ist deine Meinung dazu?"
Erwartungsvoll sah ich auf. Matthew lehnte noch immer seitlich an der Wand und starrte nachdenklich vor sich hin. „Wenn wir das wirklich durchziehen wollen, brauchen wir andere Ausrüstung."
„Du bist also auch dafür?", fragte Jason und sprang aufgebracht auf. „Leute, wir werden nicht in das Racket HQ kommen! Das ist irrsinnig!"
„Reg dich ab", knurrte Andrew ihn an.
Jason wirbelte wütend herum. „Ich soll mich abregen? Das, was ihr hier plant, ist unmöglich! Habt ihr eine Ahnung, wie gut das Racket HQ geschützt ist?!"
Wow, ich habe die beiden bisher fast noch nie streiten sehen. Normalerweise waren sie immer einer Meinung. Auch wenn es mal kleine Unstimmigkeiten zwischen ihnen gab, wurden diese eigentlich immer schnell beseitigt.
„Racket ist auch in unser HQ gekommen, warum sollten wir nicht in ihr HQ gelangen können?", warf Andrew zurück.
Jason funkelte ihn an. „Weil wir nur zu fünft sind und sie das Lux HQ mit fünfzig Leuten gestürmt hatten. Und sie hatten Hilfe von innen! Schon mal an Alexa gedacht?!"
„Hey!", schwungvoll sprang ich auf und stellte mich zwischen die beiden. Das war allerdings nicht meine schlauste Idee, denn sofort überfiel der Schwindel mich wieder. Kurz kniff ich die Augen zusammen und konzentrierte mich darauf, mein Gleichgewicht zu halten. Dann sah ich von Jason zu Andrew und wieder zurück. „Das bringt uns absolut nicht weiter!"
„Dann sag ihm, dass das der totale Schwachsinn ist!", murrte Jason.
„Halt die Klappe!", fuhr ich ihn an und wirbelte dann zu Andrew herum, der gerade etwas erwidern wollte. „Und du auch!"
„Wir sollten abstimmen", meinte Laurin auf einmal und Andrews, Jason und mein Blick wanderte zu ihm. Der Blonde saß seelenruhig auf dem Stuhl und sah sich die Vorstellung an, die wir hier gerade abhielten. Er zuckte mit den Schultern. „Was? So haben wir das früher auch immer getan, wenn wir unstimmig waren."
„Meinet wegen", knurrte Jason wütend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin dagegen, dass wir ins Racket HQ einbrechen."
„Ich dafür", kam es prompt von Andrew und sein Blick wanderte zu Laurin. „Ich auch", antwortete er und wurde augenblicklich von Jason angefunkelt, was er geflissentlich ignorierte.
„Ich wäre auch dafür, dass wir es versuchen", erklärte Matthew.
„Na super", Jason warf genervt die Arme in die Luft, als er überstimmt war.
„Ich wäre dagegen gewesen, falls es noch jemanden interessiert", murmelte ich. Jason klopfte mir im vorbei gehen auf die Schulter, eh er die Treppe der Empore hinunterlief und unten geräuschvoll die Tür der Halle hinter sich zu knallte, als er nach draußen verschwunden war. Laurin wollte gerade aufstehen, als er meinem Blick begegnete. „Lass ihn, der bekommt sich schon wieder ein", meinte ich kopfschüttelnd.
Andrew sah sich um. „Wenn wir das durchziehen wollen, brauchen wir bessere Ausrüstung."
„Wo habt ihr das hier her?", fragte Matthew und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Laptops und all den anderen Kram, den wir auf der Empore aufbewahrten.
„Aus dem Lux HQ", antwortete ich und ließ mich wieder auf dem Stuhl nieder. Du diese ganze Streiterei hatte ich jetzt richtige Kopfschmerzen.
„Ihr wart da?"
„Ja, vor ein paar Tagen", Laurin zuckte mit den Schultern. „Aber Racket hat die wichtigsten Sachen wegräumen lassen."
„Also bekommen wir dort nichts mehr her", schlussfolgerte Matthew.
„Wo kann man den sonst solche Ausrüstung herbekommen, wie wir sie brauchten?", fragte ich. „Ich bezweifle, dass eine andere Organisation uns helfen würde."
„Thomas hat vor Jahren ein geheimes Lager errichte."
Blitzschnell wanderten unsere Blicke zu Matt. „Wo?"
Er zuckte mit den Schultern. „Nur er weiß das. Das hatten wir so ausgemacht. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir etwas passiert war höher als bei ihm."
„Toll, hätten wir ihn mal befreit und nicht dich", murmelte Laurin grinsend.
„Na vielen Dank", seufzte Matthew.
„Das war nur Spaß", verteidigte der Blonde sich und hob abwehrend die Hände.
Ich tauschte einen schnellen Blick mit Andrew. „Du willst jetzt nicht ernsthaft Thomas befreien?", fragte ich ungläubig. „Sind wir hier jetzt ein Rettungskommando?"
„Doch, genau das habe ich vor."
13:06 Uhr, Zerfallender Sektor
Schweigend setzte ich mich neben Jason auf die Dachkante der Halle. Ich hatte fast eine viertel Stunde gebraucht um ihn hier zu finden.
„Was haben die jetzt vor?", brach er schließlich die Stille, nachdem wir uns einige Minuten angeschwiegen hatten.
„Andrew will Thomas befreien, da er angeblich ein geheimes Lux Lager kennt, in dem die Ausrüstung ist, die wir brauchen", klärte ich ihn auf. Ich sah dem kleinen Stein nach, den Jason vom Dach warf.
„Na hervorragend", murmelte er und seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. „Noch so eine nicht durchdachte Aktion."
Ich sah ihn aus dem Augenwinkel an.
„Die Befreiungsaktion für Matt ist schon schief gegangen", fügte er hinzu.
„Ich weiß. Ich habe nicht vergessen, dass ich einen Tag in einer Zelle festsaß."
Er schüttelte genervt den Kopf. „Tresher wird nach all dem vorsichtiger sein. Wir werden nicht an Thomas herankommen, geschweige denn ins HQ."
„Das musst du mir nicht erzählen", murmelte ich. „Ich war auch dagegen. Vor allem befürchte ich, dass Thomas noch im HQ ist. Dann haben wir sowieso keine Chance."
Jason lehnte sich zurück und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Dach ab. „Ist dir schon mal aufgefallen, dass wir im Grunde nichts anderes machen, als irgendwelche Mission durchzuführen?"
Ich nickte vielsagend. Natürlich war mir das aufgefallen, schon seit Jahren. Ein normales Leben hatten wir noch nie gehabt.
Ich sprang entschlossen auf und ignorierte meine Kopfschmerzen geflissentlich. „Lass uns was Verrücktes machen. Irgendwas, was absolut nichts mit dem allem hier zu tun hat."
„Und was?", fragte er mit hochgezogenen Augenbraunen.
Ein grinsen schlich sich auf meine Lippen. „Ich habe da eine Idee." Ich zog ihm am Oberarm hoch, bis er schließlich von sich aus aufstand und ging zu Feuertreppe. Unten deutete ich ihm an, in den Pickup zu steigen.
„Du hast den Verstand verloren", murmelte er zehn Minuten später, als wir auf einer Brücke im Verfallenden Sektor ausstiegen.
„Hey, das hier ist etwas, das jeder in unserem Alter machen könnte", grinste ich und kletterte auf das Gelände der Brücke. „Komm schon, Jas."
Jason sah mich zweifelnd an und trat schließlich zu der Brüstung. Er schaute hinunter in das tiefe Blau des Flusses, welcher vor uns ins Meer floss.
„Hast du etwas Höhenangst?", neckte ich und grinste auf ihn hinab, da ich ihn nun ausnahmsweise Mal überragte.
„Halt die Klappe, Jin", er kletterte schneller als ich schauen konnte neben mich auf das Geländer und schüttelte den Kopf. „Das ist verrückt." Er zog sich sein Shirt über den Kopf und warf die Ladefläche des Pickups.
„Ich weiß." Ich grinste ihn noch einmal kurz an und sprang dann ab. Während des Falls fühlte ich mich mehrere Sekunden lang schwerelos, eh ich in das eiskalte Wasser eintauchte. Kurz fühlten sich meine Muskeln durch die Kälte wie gelähmt, aber ich schwamm mit einigen Zügen wieder an die Oberfläche. Das Adrenalin, dass meinen Körper durchflutete, war berauschend. Kaum hatte ich die Wasseroberfläche durchbrochen und schnappte nach Luft, schlug mir eine Wasserwelle ins Gesicht, als Jason neben mir eintauchte.
Ich strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht und sah hoch zu Brücke. Jason tauchte neben mir wieder auf und spritzte mir erneut eine riesen Ladung Wasser ins Gesicht. Lachend stützte ich mich auf seinen Schultern ab und versuchte ihn unterzutauchen.
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SKYLINE - Aufstand
Ciencia FicciónTeil 1 der Skyline Reihe. Ein Technischer Virus, der ihr Leben rettete. Ein Technischer Virus, der die tödliche Genmutation in ihren Zellen aufhielt und ihr ein Leben ermöglichte. Aber dieses Leben wird nie ein normales sein. Seit dem Moment, seit...