Kapitel 20 - DieWelt abseits der ihren I
13:12 Uhr, zerfallener Sektor
Fassungslos sah ich zwischen Matthew und Thomas hin und her. Das war jetzt nicht ihr ernst oder? Ich öffnete bereits den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber dann wieder und starrte erneut auf das Tablet, dass ich in der Hand hielt. Es war eine Nachricht geöffnet. Eine Nachricht, die Tresher in das Lux System eingeschoben hatte, damit wir sie sehen können.
Was auch immer ihr vorhabt, ihr werdet damit nicht durchkommen. Es mag euch ja gelungen sein, Alcris und Mitchall zu befreien, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis wir euch finden werden.
Am besten gibt ihr euren sinnlosen Aufstand gleich auf, vielleicht werdet ihr dann mit einem minderen Urteil des Staatgerichts davonkommen.
- D. Tresher„Ihr wollt das hier einfach ignorieren?", fragte ich ungläubig und sah von dem Lux Leiter zu meinem Trainer und wieder zurück. „Glaubt ihr wirklich, dass Tresher seine Drohungen nicht ernst meint? Vermutlich hat er es inzwischen geschafft, die ganze Regierung davon zu überzeugen, dass wir alle Gesetztes widrig handeln."
„Jin", versuchte Thomas mich zu beruhigen, aber ich brauste einfach weiter auf.
„Ist euch eigentlich aufgefallen, dass gegen dich, Thomas, und gegen uns vier auch inzwischen ein Haftbefehl bei der Regierung vorliegt? Und Matt, du giltst offiziell noch immer als Vermisst. Was ist..."
„Jin! Verdammt noch mal, reg dich ab!"
Erschrocken hielt ich augenblicklich den Mund, als Matt mich anfuhr und starrte ihn mit großen Augen an. Im selben Moment wunderte ich mich über mich selbst, da es sonst immer die Jungs waren, die sich so aufregten und ich sie wieder zurück auf den Boden der Tatsachen runterholen musste. Meine Wut allerdings blieb.
Ich wollte gerade erneut etwas sagen, aber Matthew ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen. „Hör mir erst mal zu, Jin! Daniel will doch genau das. Uns in Aufruhe versetzten, damit wir unvorsichtig und unbedacht handeln. Er will uns herauslocken."
„Also bleiben wir erst einmal hier", fuhr Thomas fort. „Und machen weiter, wie wir geplant haben."
Ich drehte mich zu Laurin um und sah ihn auffordernd an. Er zuckte leicht überfordert mit den Schultern, was mir ein leises und frustriertes Knurren entlockte. Also wirbelte ich wieder zu den beiden Männern herum und funkelte vor allem Matt wütend an. „Und was, zum Teufel noch mal, machen wir, wenn Racket uns hier findet?!"
„Wie soll er uns denn hier finden, Jin? Ihr seid doch schon seit Tagen hier und wurdet nicht entdeckt", warf Thomas ein.
Ich schnaubte vor Frustration. „Wie kann man so naiv sein?", murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Mein Trainer wollte gerade noch etwas erwidern, aber ich drehte mich bereits um und sprang mehr als ich lief die Treppe hinunter. Unten riss ich die Tür auf und rauschte an Jason und Andrew vorbei, die gerade die Halle betreten wollten.
„Jin?", hörte ich Jason überrascht fragen. „Was ist los?"
Ich schüttelte den Kopf und lief einfach ohne ein Wort weiter, während ich mir die Kapuze der grauen Stoffjacke über den Kopf zog. Jason und Andrew riefen mir beide etwas hinter her, aber ich achtet gar nicht darauf und kletterte durch den Zaun vom Firmengelände hinunter. Kurz sah ich mich aus Gewohnheit kurz um, bevor ich mich dazu entschied, einfach die Straße entlang zu laufen.
Vielleicht hatten Thomas und Matthew Recht, dass Tresher uns bloß herauslocken oder aufscheuchen wollte. Aber was war, wenn er wirklich kurz davor war uns zu finden? Wenn Racket die Lagerhalle stürmte, waren wir erledigt. Und ich dachte, dass die Jungs und ich unüberlegt handeln würden. Frustriert vergrub ich meine Hände in den Jackentaschen.
Langsam fragte ich mich, ob wir es überhaupt schaffen konnte, Tresher aufzuhalten. Er hatte eine ganze Organisation hinter sich und vielleicht auch die Regierung. Dagegen hatten wir ziemlich wenige Mittel und Wege.
Aber irgendwas mussten wir unternehmen, zumindest ich musste es. Ich konnte es nicht zulassen, dass Tresher noch anderen Kindern den Techno Virus verabreichte. Vor allem, wenn er ihnen dann eine Gedächtnissperre einpflanzte. Diese Kinder würden dann nicht einmal im geringsten ein normales Leben führen können. Tresher würde sie als Waffen einsetzten. Er würde sie nur benutzen, um mehr Macht zu erlangen.
Ich seufzte, als ich merkte, dass ich bereits beim Bahnhof angekommen war. Kurz überlegte ich, ob es klug war, mit der Bahn zu fahren. Mein Blick wanderte kurz zu Uhr. Um halb zwei führte die Regierung keine Kontrollen durch, also müsste mich auch niemand entdecken. Entschlossen kaufte ich mir ein Ticket und erwischte gerade noch so einen Zug. Ich wusste zwar nicht so wirklich, wo hin ich eigentlich wollte, aber ich brauchte einfach mal Abstand von dem allen.
Als ich mich auf einem freien Platz nieder ließ, fiel mein Blick auf mehrere Jugendliche in meinem Alter, die lachend zusammensaßen. Sie alle hatten Sporttaschen dabei und einer hielt einen Handball in der Hand. Ich wusste, dass man mit diesem Zug das großen Sportzentrum der Stadt erreichen konnte. Eine Spur von Neid kam in mir hoch. Wie gerne würde ich mal das Sportzentrum besuchen und selber Sport treiben. Natürlich konnten wir das schon immer im Lux HQ, aber ich würde es gerne wie alle anderen auch tun. Genauso gerne würde ich am liebsten zu einer normalen Schule gehen und nicht privat bei Luxnaus unterrichtet werden.
Ich wandte den Blick ab. Es war frustrierend, wenn man sich einfach nur ein normales Leben wünschte, es aber nie haben könnte. Der T-Virus würde immer ein Teil von mir sein. Und dadurch würde es immer jemanden geben, der versucht meine Fähigkeiten für seine Zwecke zu missbrauchten. Also blieb ich bei Matthew, denn er war der einzige, den ich kannte, der genau dies nicht versuchte und mich und die drei anderen Jungs davor schützte.
Der Zug hielt in einem Bahnhof im Delta Sektor. Die meisten Fahrgeste stiegen hier aus, aber ich entdeckte eine Gruppe, die in dem Abteil, in dem ich saß, einstieg. Es waren größtenteils Jugendliche, die von drei Erwachsenen begleitet wurde. Sie alle trugen Freizeitkleidung, allerdings in dunklen Farben gehalten. Leicht irritiert hob ich eine Augenbraun, als mein Blick auf die Waffen fiel, die die Erwachsenen am Gürtel trugen. Zwar hatten sie ihre Jacken darüber gezogen, aber jemand, der aufmerksam und darauf geschult war, so etwas zu entdecken, sah sie trotzdem.
Zwei der Erwachsenen, zwei Männer, blieben vor meiner Sitzreihe im Eingang mit dem Rücken zu mir stehen, während sich der Rest der Gruppe in dem ganzen Waggon verteilte. Ich schenkte den beiden Männern vor mir keine weitere Aufmerksamkeit, sondern musterte stattdessen die Taschen, die die Jugendlichen dabeihatte. Sie sahen aus wie die Sporttaschen, die die Sportler vor hin schon bei sich hatten, aber was auch immer in diesen Taschen war, es waren sicherlich keine Klamotten, dafür waren es viel zu kantig. Außerdem hätten sie in die andere Richtung gemusst, wenn sie zum Spotzentrum wollten.
„Jin?", ertönte auf einmal eine überraschte Stimme vor mir. Ich zuckte heftig zusammen und hob den Blick, während meine Hand automatisch zu der Waffe in meinem Hosenbund wanderte.
Die beiden Männer vor mir hatten sich zu mir umgedreht und überrascht erkannte ich Nathan und den Schwarzhaarigen aus dem Rebellenversteck – ich meine er hieß Alain.
„Was machst du denn hier?", fragte Nathan mich. Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Waggontür, während sein Blick kurz zu den Jugendlichen wanderte, eh er wieder zu mir sah.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ablenkung suchen."
Nathan und Alain tauschten einen kurzen Blick, eh der Schwarzhaarige mich verwirrt ansah. „Und wo willst du mit diesem Zug hin?"
Ich sah an ihm vorbei zu dem Monitor, auf dem angezeigt wurde, wo wir uns gerade befanden. Seufzend ließ ich meinen Kopf gegen die Scheibe sinken, als ich sah, dass ich schon längst hätte aussteigen müssen. Jetzt verließ der Zug das Stadtzentrum und fuhr zu den Wohngebieten in den Ausläufen der Stadt. „Ich war in Gedanken versunken und hab die Haltestellte verpasst", murmelt ich. Innerlich verfluchte ich mich selbst. Ich wurde im Moment immer unkonzentrierter.
Nathan wollte gerade etwas sagen, aber in diesem Moment wurden Stimmen von einigen der Jugendlichen laut. Alain verdrehte seufzend die Augen, bevor er zu den zwei streitenden Jungen ging. Nathan beobachtete das kurz kopfschüttelnd und setzte sich dann auf den freien Platz neben mich.
„Was macht ihr eigentlich hier?", fragte ich ihn.
„Außentraining für die Rekruten", erklärte er und nicht in Richtung der Jugendlichen, wo Alain gerade die beiden Jungen zusammenstauchte. Also waren das hier Rebellen Rekruten. Eigentlich hätte mir sofort auffallen müssen, dass das Rebellen sind, wenn Alain und Nathan bei ihnen sind. Während ich mich noch wunderte, warum Nathan hier offen über die Rebellen sprach, sah ich mich um und bemerkte, dass außer mir nur Rebellen in diesem Waggon zu sein.
„Caleb hat Alain, Zoey und mich dazu verdonnert, das Training zu leiten."
„Woran du schuld bist", knurrte Alain, der wieder zu uns trat und Nathan verdrehte die Augen.
„Was hast du angestellt?", fragte ich schmunzelnd.
„Er hat sich mit Caleb angelehnt, als dieser schlechte Laune hatte. Zoey und ich standen dummerweise zufällig in der Nähe. Nicht einer von Nathans schlausten Ideen", lachte Alain, woraufhin Nathan ihm nur einen genervten Blick zu warf.
„Und warum bist du hier?", wandte der dunkelblonde Rebell sich an mich und musterte mich. „Du scheinst mir etwas durch den Wind zu sein."
Ich seufzte. „Mir wird das gerade alles zu viel. Ich brauche einfach mal Abstand."
Nathan nickte langsam. „Gut, wenn das so ist, werde ich jetzt am besten nicht fragen, was passiert ist."
„Besser nicht", murmelte ich leise. „Aber ich kann dir so viel sagen, dass wir Thomas befreit haben."
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Nathan und Alain über Blick zu kommunizieren zu schienen. „Wenn du Ablenkung suchst, warum kommst du dann nicht mit uns mit?", fragte Alain schließlich. „Wir machen mit den Rekruten ein Training in einem alten Fabrikgebäude außerhalb der Stadt."
„Darf ich denn mit euch kommen? Oder habt ihr da irgendwelche Rebellen Regeln zur Geheimhaltung?"
Nathan lachte. „Caleb hat bestimmt irgendwo so eine, aber er hält sich ja sowieso nie an seine eigenen Regeln. Außerdem gehören Alain und ich zu zum Rat, also liegt die Entscheidungsgewalt in diesem Moment bei uns."
„Wenn das so ist, würde ich gerne mit euch kommen", beschloss ich. So würde ich auf andere Gedanken kommen und vielleicht tat es mir mal gut, mit anderen Leuten zusammen zu sein, als Laurin, Jason, Andrew, Matthew und Thomas.
„Wann sind wir den endlich da?", fragte einer der Rekruten. Ich glaubte es ist einer der Jungen, der sich eben an der Meinungsverschiedenheit beteiligt war.
Während Nathan die Augen verdrehte, drehte sich die Frau, die außer Nathan und Alain die einzige Erwachsene war, zu ihm um. „Wir sind da, wenn wir da sind", meinte sie nur mit einem sarkastischen Lächeln.
„Zoey ist genervt", grinst Alain und sah zu der junge Frau mit den langen hellbraunen Haaren, die sie zusammengebunden hatte.
„Ich übrigens auch", murrte Nathan neben mit und sah missgelaunt über die Rekruten. Dass er lieber etwas anderes machen würde, als ein Training der Rekruten zu leiten, war nicht schwer zu übersehen.
„Das ist übrigens Zoey Rush", stellte Alain die hellbraunhaarige vor, bevor er zu ihr sah und auf mich deutete. „Und sie ist Jin, eine von den TVIs."
Zoey nickte mir freundlich zu. „Du bist doch sicherlich die Jin, die Nathans neue Informantin ist, oder?"
Ich nickte, als der Zug quietschend langsamer wurde. Alain warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und gab den Rekruten dann ein Zeichen, dass wir nun aussteigen würden. Ich folgte Nathan und Zoey aus dem Zug hinaus, als dieser gehalten hatte und sah mich um. Wie waren auf einem ziemlich herunter gekommenen kleinen Bahnhof. Naja, Bahnhof konnte man es kaum nennen. Eher ein Bahnsteig, wenn überhaupt. Nachdem Alain sich einen Überblick über die Rekruten verschafft hatte und sicher war, dass alle 16 Jugendlichen da waren, deutete er uns alles an, ihm zu folgen. Wenn ich das richtig interpretierte, schien Alain das Kommando über dieser Gruppe zu haben. Kurz musterte ich ihn und dann Nathan und Zoey und stellte fest, dass er auch einige Jahre älter als die beiden seien musste.
Kaum hatten wir den beinah alten Bahnsteig verlassen, erblickte ich das große etwas zerfallene Fabrikgebäude, von dem Alain gesprochen hatte. Es erinnerte mich stark an die Häuser und Firmen im zerfallenen Sektor.
Als wir das Tor des Gebäudes erreicht hatten, sah Zoey auffordernd zu Nathan, der kurz in seiner Jackentasche herumkramte, bevor er einen Schlüsselbund herauszog und mit einem der Schlüssel das Tor aufschloss. Die Eingangstür des Fabrikgebäudes war allerdings offen und ich trat hinter Zoey in eine alte und staubige Eingangshalle.
„Und ich dachte unser Firmengelände wäre heruntergekommen", murmelte ich.
Zoey warf mir grinsend einen Seitenblick zu. „Das Firmengelände im zerfallenen Sektor?"
„Yep, genau das."
Sie sah mich kurz belustigt an, bis sie in der Mitte der Halle stehen blieb und zu den beiden Männern sah, die gerade über irgendetwas fachsimpelten. Wenn ich das richtig verstehe über die Aufteilung für das Training. „Ok", wandte Alain sich an die Rekruten, während Nathan sich zu Zoey und mir stellte. Der schwarzhaarige Rebell deutete den Rekruten an, die Taschen an einer Stelle abzustellen. „Wir werden jetzt einen Art Kriegsspiel machen. Ihr werdet in zwei Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe wird sie hier irgendwo in diesem Gebäude ein Lager suchen. Das Ziel ist es, dass jeweils andere Lager einzunehmen oder alle Mitglieder des anderen Teams zu treffen. Wer am Oberkörper getroffen wurde, ist raus, Arme und Beine zählt nicht. Die eine Gruppe begleiten Zoey und ich, die andere Nathan und Jin. Für alle, die nicht wissen wer Jin ist, das ist die junge Dame da neben Nathan", stellte Alain mich vor und deutete zu mit. Ich hob kurz grüßend die Hand. Alain teilte die Jugendlichen in zwei Gruppen mit je acht Leuten auf und schickte eine zu Nathan und mir. Während ich etwas ratlos da stand, schnappte sich Nathan zwei der Taschen und öffnete sie. Zum Vorschein kamen mehrere Waffen, die er an die Jugendlichen Verteilte.
„Hast du eine Waffe?", fragte er an mich gewandt, während er seine eigene aus dem Holster von Gürtel zog.
„Ja", antwortete ich und er hielt mir drei Magazine hin. „Lad sie hier mit."
„Was ist das für Munition?"
Nathan sah grinsend auf, während er seine eigene Waffe durchlud. „Farbepatronen."
„Ihr schießt mit Farbe?", fragte ich lachend.
„Wir hatten eigentlich mal Munition, die Schmerzen simuliert. Aber dann haben sich alle Rekruten immer beschwert und die, die getroffen worden waren haben Tagelang auf Verletzt getan und das Training geschwänzt. Also sind wir auf Farbe umgestiegen", erklärte er belustigt und hing sich ein Scharfschützengewehr über die Schulter.
Ich wechselte das Magazin meiner Waffe und ließ die normale Munition in meiner Jackentasche verschwinden. „Das kann ja dann lustig werden"
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SKYLINE - Aufstand
Science-FictionTeil 1 der Skyline Reihe. Ein Technischer Virus, der ihr Leben rettete. Ein Technischer Virus, der die tödliche Genmutation in ihren Zellen aufhielt und ihr ein Leben ermöglichte. Aber dieses Leben wird nie ein normales sein. Seit dem Moment, seit...