Zwei Tage nach der Beerdigung traf Jule zum ersten mal wieder auf Nathan.
Emma wurde von einer Nachbarin beaufsichtigt, so dass Jule in Ruhe einkaufen konnte und auch mal etwas Zeit für sich hatte - außerhalb des von Trauer und bedrückenden Erinnerungen belasteten Cottage. Doch ihre Einkaufstour dauerte länger als gedacht, nicht nur wegen des Schnees, sondern auch wegen der vielen Beileidsbekundungen der Bekannten, die sie unterwegs traf. Offenbar hatte man sie im Dorf trotz ihres Wegzuges nicht vergessen.
Dann überkam sie urplötzlich das Gefühl beobachtet zu werden. Ihr Herz schlug wie wild und als sie den Kopf wandte, sah sie Nathan Cunningham auf der anderen Straßenseite stehen. Für einen Augenblick schien sich ihre Welt aus den Angeln zu heben und dann - für den Bruchteil einer Sekunde - war es mucksmäuschenstill, als hielte alles und jeder den Atem an.
Schließlich machten Jules Lippen ein Seufzer, den allerdings nur sie hören konnte. Sofort bemerkte sie eine beunruhigende Veränderung an Nathan - nicht was sein Äußeres betraf, sondern seine Haltung ihr gegenüber. Er wirkte noch verschlossener als sonst, als umgäbe ihn eine Glasglocke, die ihn und seine Gefühle abschirmte.
Er war schon immer zurückhaltend gewesen und hatte seine Gedanken für sich behalten. Aber er sah so gut aus, dass sie sich von ihm angezogen fühlte wie eine Motte im Licht. Er brauchte nur im selben Raum mit ihr zu sein und sie geriet in helle Aufregung, wobei sie auch so etwas wie den Reiz des Verbotenen verspürte.
Jetzt brannten Tränen in Jules Augen wobei sie die Trauer über das, was sie und Nathan verloren hatten, mit Wiedersehensfreude mischte. Als er die Straße überquerte wagte Jule kaum sich zu rühren. Groß und breitschultrig kam er auf sie zu und bewegte sich dabei mit der Anmut eines Raubtiers auf Beutezug, so dass sie den Blick einfach nicht von ihm wenden konnte.
"Ich habe schon gehört, dass du wieder da bist." Seine Stimme klang ein wenig rau, als sei er auch von Gefühlen überwältigt.
Jules Mund war so trocken, dass sie kaum ein Wort herausbrachte. "Mein Vater ist gestorben.", stammelte sie während Nathans Blick aus jadegrünen Augen sie zu durchdringen schien. "Ich bin wegen der Beerdigung hergekommen."
Er biss die Zähne zusammen, was sein Kinn noch kantiger wirken ließ. Aber es kam keine Beileidsbekundung. Die hatte sie auch nicht erwartet, trotzdem schmerzte es.
"Ich verstehe.", sagte er nur. "Ich frage gar nicht erst, wie es dir ergangen ist, denn du siehst gut aus. Aber vielleicht verräts du mir, wo du die die ganze Zeit gesteckt hast."
Jule fuhr sich mit leicht zitternder Hand durchs Haar. "In London... ich wohne in London bei meiner Tante."
"Bist du gleich, nachdem du von hier weg warst, dahin gegangen?"
"Ja." Unter seinem prüfenden Blick kam sich Jule vor wie eine Kriminelle.
"Dann bist du also weder urplötzlich unheilbar krank geworden noch wurdest du von Außerirdischen entführt und hast auch nicht dein Gedächnis verloren?"
"Wie bitte?"
"Ich habe mir alles Mögliche ausgemalt, weil du ohne ein Wort der Erklärung verschwunden bist."
Sie zuckte zurück als hätte er sie geohrfeigt. "Müssen wir das in aller Öffentlichkeit besprechen? Wenn du darüber reden willst, gern... aber nicht hier." Jule blickte an Nathan vorbei auf die schneebedeckten Gehwege. Hier und da waren an diesem späten Vormittag trotz der Kälte noch andere Menschen unterwegs, um ihre Einkäufe zu machen.
Plötzluch fühlte sich Jule unheimlich verletzlich. Das sie nicht vergessen worden war. hatte sie ja schon erfahren. Zweifellos würde man sich auch daran erinnern, dass sie damals ein Verhältnis mit Nathan hatte. Bei der Vorstellung, jetzt wieder mit ihm beobachtet zu werden, überlief sie eine Gänsehaut. Damals hatte alles gegen eine Beziehung zwischen ihnen gesprochen. Keiner wollte, dass sie ein Paar waren. Aber das wäre alles nicht wichtig gewesen, wenn Nathan sie nur in sein Herz gelassen hätte... und wenn sie sich gestattet hätte ihm zu vertrauen.
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Zurück nach Irland
RomanceRaue See, Sturm über den Klippen, Schreie der Möwen. Jule ist wieder in Irland! Hier ist ihr Zuhause, hier hat sie einst bei Nathan Cunningham die Liebe gefunden. Und plötzlich steht der irische Traummann vor ihr. Er will wissen, warum sie ihn da...