34. Kapitel

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Ihre blauen Augen weiteten sich und offenbarten ihm einen wahren Ozean der Gefühle. Während Nathan jetzt in Jules Augen blickte, dachte er an die plötzliche Aufregung, die ihn ergriffen hatte, als er sie das erste Mal gesehen hatte. In solchen Momenten entschied sich oft das Schicksal zweier Menschen für ihr gesamtes weiteres Leben. Und Nathan hatte sofort gewusst, dass ihre Lebenswege von nun an verbunden wären.

Der Entschluss, sie ins freie Apartment ziehen zu lassen, rührte daher, dass er ihr ein wenig Raum geben wollte, sodass sie in Ruhe um ihren Vater trauern und nach und nach erkennen konnte, dass es auch Vorteile hatte, hier mit ihm, Nathan, auf Oak Grove zu leben. Das war zumindest die rationale Begründung für seine Entscheidung.

Aber in Wirklichkeit hatte er einfach große Probleme, Jule zu widerstehen und kein Abstand war groß genug, um sein Verlangen unter Verschluss zu halten. Nicht, wenn er sich tagtäglich danach verzehrte, sie zu berühren.

Wie erleichtert war er da, als er sie jetzt sagen hörte: "Mir geht es genauso."

"Dann ist ja gut." Sein Lächeln war einfach umwerfend. "Dann lass mich dich ins Bett bringen."

"Ich hab das Gefühl, als wäre es das erste Mal", gestand sie ihm jetzt leise, während sie sich endlich so frei fühlte, im die Locke aus der Stirn zu streichen.

Als sich Jule im Schlafzimmer wiederfand, konnte sie endlich ihren wilden Gefühlen freien Lauf lassen. Wie sie hier so lag, in inniger Umarmung mit Nathan, wusste sie, dass sie genau da war, wo sie hingehörte. Nach diesem Augenblick hatte sie sich viereinhalb lange Jahre gesehnt.

Wie hatte sie die Zeit überhaupt überstehen können, ohne diese Nähe zu diesem Mann? Von Emma einmal abgesehen, die ihre Tage erhellt hatte, war Jule ansonsten vorgekommen wie in einem Gefängnis.

Jetzt bereitete es ihr unendliche Freude, ihre Hände nach Herzenslust über Nathans Rücken gleiten zu lassen, über die definierte Muskulatur, die seidenweiche Haut und seinen gut geschnittenen Mund zu fühlen, während er ihren eroberte.

"Ich habe dich so vermisst, Nathan und mich so sehr nach deinen Berührungen gesehnt."

Sein vor Verlangen glänzender Blick traf ihren. "Und weißt du, wie lange ich mich nach deinen Berührungen gesehnt habe?", fragte er mit einer Stimme, die von Leidenschaft nur so bebte.

"Ich wollte dir nie wehtun", sagte Jule und spürte einen beunruhigen Moment lang, wie er innehielt, während sein Blick in ihre Seele vorzudringen schien. Es schnürte ihr den Brustkorb zu, während ihr Herz beinah zerbrach bei der Vorstellung, dass Nathan jetzt vielleicht doch nicht mehr mit ihr schlafen wollte. Aber dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und küsste sie umso inniger.

"Ich brauche dich!", erklärte er, als es ihm schließlich gelang, sich von ihren Lippen zu lösen, "und zwar so sehr, als müsse ich sterben, wenn ich dich nicht haben kann! Aber ich darf nicht vergessen zu verhüten."

"Das ist schon in Ordnung, Nathan. Ich nehme die Pille", antworte Jule, ohne nachzudenken. Doch dann fügte sie erklärend hinzu, dass sie nur verhütet, um die Menstruationsbeschwerde abzuschwächen. Zu ihrer großen Erleichterung war kein Zweifel in seinem Blick und sie spürte wie Nathan ihr die Hand unter den Po schob und ihre Hüften an sich zog. Seine ungezügelte Begierde griff auf sie über, sodass sie ihm bereitwillig entgegenkam, als er tief in sie eindrang.

So war es immer gewesen, wenn sie zusammen waren. Die ersten hitzigen Berührungen hatten stets diese Explosion des Verlangens zur Folge gehabt und dann, wenn dieses heiße Begehren befriedigt war, kam die zärtliche, ruhigere Variante ihres Liebesspiels.

Der tiefe, bis in ihre Seele vordringende Blick aus Nathans jadegrünen Augen vereinnahmte Jule genauso wie sein Körper. Die Gefühle , die sich in ihr aufgestaut hatten, waren nicht mehr aufzuhalten, als Jule ihren Höhepunkt erreichte. Rasch verwandelten sich ihre Seufzer in Freudentränen, die wiederum in Tränen des Bedauerns übergingen. Warum hatte sie ihn verlassen, obwohl sie doch ihr Leben hätte geben müssen, um das festzuhalten, was sie miteinander gehabt hatten? Warum war sie nicht stärker und mutiger gewesen und hatte ihn irgendwie dazu gebracht, sich ihr zu öffnen.

"Schh, schh... nicht weinen. Es ist alles gut." Nathan küsste ihr die Tränen weg, kam noch einmal ganz zu ihr und sank schließlich schwer atmend auf sie. Während ihre Körper noch glühten, umarmte Jule Nathan und rang die Tränen nieder. Anstatt sich Gedanken um Dinge zu machen, die in der Vergangenheit lagen und die sie ohnehin nicht mehr ändern konnte, wollte sie lieber diesen kostbaren Moment betrachten.

Nathan hielt Jule eng umschlungen. Dabei dachte er an die Unterhaltung, die er mit ihr über seine Exfrau und seinen Sohn geführt hatte und wünschte er hätte sich Jule schon damals anvertraut, als sie sich kennengelernt hatten. Dann hätte sie gewusst, was er durchgemacht hatte. Vielleicht hätte sie ihn nicht verlassen und er hätte nicht all die Jahre damit verbracht, böse auf sie zu sein und ihren Vater dafür verantwortlich zu machen, dass sie gegangen war.

Nathan begann zu erkennen, dass er keine unwesentliche Rolle bei Jules "Vertreibung" gespeilt hatte. Er hatte zu schnell anderen die Schuld gegeben, anstatt ehrlich zu sich selbst zu sein. Jetzt wurde ihm auch klar, dass er es zugelassen hatte, wegen des Verhaltens seiner Exfrau zu verbittern, sich zurückzuziehen und jedem feinselig gegenüberzutreten, der sich ihm in Liebe und Freundschaft nähern wollte.

Kein Wunder, dass Jule nicht gewagt hatte, sich ihm anzuvertrauen, als sie schwanger war. Doch darüber wollte er später nachdenken. Jetzt strich er ihr zärtlich übers Haar, bevor er sanft einen Kuss darauf drückte. "Warum versucht du nicht, noch ein bisschen zu schlafen?", schlug er dann vor. "Ich stehe auf und kümmere mich um Emma, wenn sie mit Margreth zurückkommt."

"Ich habe doch versprochen, dir bei der Arbeit zu helfen, weißt du noch?", fragte Jule und unterdrückte ein Gähnen.

"Die Arbeit kann warten."

"Bist du sicher?"

"Ganz sicher."

"Wenn das so ist, mache ich gern noch ein Nickerchen. Aber du musst bleiben, bis ich eingeschlafen bin."

Während sie das sagte, hatte sie schon Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten und ihr warmer Atem strich sanft über Nathans bloßem Oberkörper. Wenige Augenblicke später hörte er sie ihm Schlaf seufzen, sah zur hohen , gewölbten Decke und atmete so entspanntdurch wie seit Langem nicht mehr. Dass er diese hinreißende Frau wieder in den Armen halten durfte, war einfach unglaublich.

Nathan hatte Jule mehr vermisst, als er es in Worte fassen konnte. Und als sie jetzt im Schlaf mit der Handüber seine Brust strich, erregte ihn diese sanfte Berührung schonwie so, dass es ihm schwerfiel, sein Verlangen zurückzuhalten. Hätteer nicht die Rückkehr seiner Tochter erwartet, hätten ihn keine zehn Pferde aus dem Bett gebracht.

Während er die Kontur von Jules sanft geschwungener Hüfte nachfuhr, wünschte er, sie möge rechtzeitig aufwachen, damit er sie wenigstens noch einmal lieben konnte, bevor er wirklich aufstehen musste, um Emma bei Margreth abzuholen.

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