11. Kapitel

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Natürlich war Jule schon einmal auf Oak Grove gewesen. Trotzdem wirkte das große, beeindruckende Haus einschüchtern auf sie. Auch Nathans abweisende Art trug nicht dazu bei, dass sie sich besser fühlte.

"Ich bleibe nicht lange.", verkündete sie deshalb schnell, während sie mit ihren blauen Augen nervös sein ernstes Gesicht musterte. "Ich bin immer noch nicht mit dem Sortieren von Dads Sachen fertig. Einiges wollte ich an der Kirche für ihren Basar spenden, auch wenn wir nicht viel hatten. Hauptsache Dad konnte die Rennnachrichten im Radio hören und sich hin und wieder ein Bier im Pub genehmigen, dann war er glücklich.", fügte Jule hinzu und überlegte gleich darauf ob das auch der Wahrheit entsprach. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte er eigentlich kaum noch gelächelt, geschweige denn herzhaft gelacht. Als ihr klar wurde, dass sie gar nicht wusste, ob ihr Vater glücklich gewesen war, verspürte sie ein seltsames Gefühl in der Magengegend.

"Komm, stell dich an den Kamin. Du zitterst ja!", sagte Nathan und kam auf sie zu. "Geht's dir nicht gut?"

"Doch, doch." Sie rang sich ein Lächeln ab, aber das verschwand, als Nathan sich neben sie stellte. Wieder war sie irgendwie eingeschüchtert, diesmal aber aus einem anderen Grund. Bei seiner beeindruckenden Männlichkeit und Stärke verschlug es ihr beinah die Sprache, besonders im Hinblick auf das Geständnis, das sie ihm machen wollte.

"Du wirst dich doch gestern nicht erkältet haben?", fragte er jetzt ernsthaft besorgt und half ihr aus dem Mantel.

"Nein... nein, Nathan, ich..."

"Du hast eine neue Frisur, irgendwie kürzer.", sagte er dann und Jule spürte, wie ihr dabei ein wohliger Schauer überlief.

"Das ist praktischer, wenn man morgens schnell aus dem Haus muss." Als Nathan nun über ihr Haar strich, begann ihr Herz wie wild ans zu schlagen.

"Wo arbeitest du denn in London?"

"Ich... ich bin in einer Buchhandlung beschäftigt."

Dem Blick seiner jadegrünen Augen nach zu urteilen, schien ihn das wirklich zu interessieren. Kein Wunder , denn sie wusste von seinen Büchern - und war ganz begeistert gewesen, als sie das erste in der Hand gehalten hatte mit seinem Foto auf der Innenseite des Schutzumschlags. Die Bücher waren für Jule die Bestätigung gewesen, dass es ihm gut ging. Er war jetzt ein bewunderter Autor.

NAch wie vor strich er ihr übers Haar und ihr Atem ging schneller, während sie ein wohliger Schauer überlief.

Nathan sollte damit aufhören. Er sollte damit aufhören, bevor ich keine Kraft mehr habe mich gegen seine Zärtlichkeiten zur Wehr zu setzen.

"Du bist inzwischen ein bekannter Autor. Deine Familie muss wahnsinnig stolz auf dich sein.", zwang sie sich zu sagen um das gefährliche Terrain zu verlassen.

"Ich glaube nicht, dass sie das ist. Aber ich sehe sie nur noch selten." Er ließ von ihren Haaren ab und legte ihr stattdessen zwei Finger unters Kinn.

Jule spürte seinen warmen Atem und nahm seinen Duft wahr. Nathan war wie seine keltischen Ahnen auf besondere Art mit ihnen verbunden. Es gab kein Haus, indem er sich länger aufhielt. Kein Wunder, dass er die keltische Mythologie zum Thema seiner Bücher gemacht hatte.

"Was tust du so, wenn du nicht schreibst?", fragte Jule, aber er beantwortete ihre Frage nicht, sondern seufze nur ungeduldig. Und als er den Kopf mit dem schwarzen Haar zu ihr hinunterneigte, spannte sie jeder Muskel in ihr in freudiger Erwartung.

Und dann nahm er sich einfach wonach es ihn sehnte, indem er seine Lippen auf ihre drückte.

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