Als Margreth in der Eingangshalle ankam, wandte sich Nathan sofort an sie.
"Rufen sie bitte den Arzt an. Sagen sie ihm, was passiert ist und bitten sie ihn, sofort hier heraus zukommen!"
"Ja, Mr Cunningham", antwortete Margreth und eilte davon.
"Oh, Sweetheart, hast du dir weh getan?" Jule strich ihrer Tochter zärtlich das seidige blonde Haar aus der Stirn und sah die hühnereigroße Beule, die sich dort bereits bildete. Bei der Vorstellung, was alles hätte passieren können, wurde ihr ganz anders.
"Mummy hat dir doch gesagt, dass du auf der Treppe vorsichtig sein musst."
Hinter ihr beugte sich jetzt Nathan vor, um die Blessur abzutasten.
"Wie lange ist Emma ohnmächtig gewesen?", fragte er dann seine Mutter.
"Es können nicht mehr als zwanzig Sekunden gewesen sein", antwortete Viktoria Cunningham kleinlaut. "Als ich bei ihr ankam, hat sie die Augen schon wieder geöffnet."
"Tut es dir noch irgendwo anders weh, mein Schatz?", fragte Nathan liebevoll und nahm vorsichtig die kleine, blasse Hand seiner Tochter.
Emma schüttelte den Kopf. Ihre Unterlippe zitterte, während sie versuchte, nicht wieder zu weinen.
"Ich hab mir meinen Kopf wehgetan!",erklärte sie dann ebenfalls kleinlaut.
"Ich weiß, Engel, aber das wird schon wieder. Der Doktor kommt gleich, um zu gucken, ob alles okay ist. Ist dir ein bisschen schlecht oder schwindelig?"
Emma nickte. "Ein bisschen schlecht."
"Das geht vorbei, versprochen. Bald fühlst du dich wieder gut."
Margreth kam aus dem Salon.
"Doktor James ist unterwegs. Er sagt, er wird ungefähr in zwanzig Minuten hier sein. Sie sollen bei Emma bleiben und dafür sorgen, dass sie nicht aufsteht, bevor er da ist."
"Lass sie mich nehmen, Mutter. Wir bringen sie in den Salon und legen sie dort auf die Couch. Margreth ...können sie eine Decke von oben holen?"
Alle waren sehr beunruhigt, bis der Doktor kam. Nathan saß neben Emma, hielt ihre Hand und erzählte ihr Geschichten, um sie abzulenken. Währenddessen saß Jule am anderen Ende des Sofas und behielt ihre Tochter genau im Auge, ob sich nicht doch irgendwelche Symptome zeigten, die Grund zu weiterer Sorge geben könnten.
Nachdem Viktoria eine ganze Weile auf und ab gegangen war und den Blick dabei vor allem auf ihre Hände gerichtet hielt, überraschte sie Jule damit, dass sie mit Margreth die Küche ging, um Tee zu kochen. Danach erschien sie sogar höchstpersönlich mit dem Tablett.
Kurz darauf kam Doktor James. Er warein sehr netter, liebenswürdiger Mann – so wie es sich besorgte Eltern für ihr verletztes Kind wünschten. Nachdem er Emma gründlich untersucht hatte, nahm er sich Zeit, um Jule und Nathan davon zu überzeugen, dass ihre Tochter schon bald wieder auf der Höhe wäre. Die nächsten vierundzwanzig Stunden sollten sie Emma allerdings imAuge behalten. Aber normalerweise gab es keinen Grund zur Annahme, dass sie nicht schon am nächsten Tag wiederhergestellt sei.
Nachdem der Arzt gegangen war, verließen auch Viktoria und Margreth den Salon. Jule war immer noch mulmig zumute, aber nicht mehr wegen ihrer Tochter. Nathan saß einfach nur da und sagte kein Wort, sodass sie sich unwillkürlich fragte, was ihm durch den Kopf ging.
Emmas Unfall hatte sie alle aufgerüttelt und irgendwas hatte sich verändert. Jule selbst fühlte sich total erledigt, aber auf merkwürdige, nicht erklärbare Weise auch geläutert. Irgendwie waren alle dunklen Geheimnisse endlich ans Licht gekommen. Doch was Nathan nun damit anfing, dass er die Gründe für ihren Weggang kannte, ließ sich nur schwer sagen.
Eine Sache zumindest war klar: Emma würde ohne ihren Vater keine Schritt mehr tun. Selbst jetzt, während sie von einem dicken Kissen gestützt auf dem Sofa ruhte, ließ sie ihn nicht aus den Augen, als wäre er der Messias persönlich.
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Zurück nach Irland
RomanceRaue See, Sturm über den Klippen, Schreie der Möwen. Jule ist wieder in Irland! Hier ist ihr Zuhause, hier hat sie einst bei Nathan Cunningham die Liebe gefunden. Und plötzlich steht der irische Traummann vor ihr. Er will wissen, warum sie ihn da...