30. Kapitel

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"Ich habe da über etwas nachgedacht", verkündete Nathan am nächsten Morgen, als sie im Esszimmer frühstückten.

"Kann ich jetzt runtergehen, Mummy?", unterbrach Emma, die unbedingt wieder zu dem Spielzeug wollte, dass Margreth ihr von ihrer inzwischen erwachsenen Tochter mitgebracht hatte. Jule wischte mit einer Serviette etwas Erdbeermarmelade von Emmas Kindermund und nickte.

"In Ordnung, aber vorher soll dir Margreth mit dir die Zähne putzen. Und denk daran, ich komme später nachsehen!"

"Ja, Mummy.", antwortete Emma Doch an ihrem Blick war zu erkennen, das sie keine große Lust hatte, etwas so Überflüssiges zu machen wie Zähne putzen.

Nathan musste unwillkürlich lächeln, erklärte dann aber: " Du tust besser, was deine Mutter sagt." Dabei fuhr er seiner Tochter übers blonde Haar. "Du willst doch nicht enden wie die zahnlose, alte Hexe in dem Märchen, das ich dir gestern Abend vorgelesen habe?"

Emma war von ihrem Stuhl gerutscht und baute sich nun vor Nathan auf. Dabei sah sie ihn beleidigt an. "Ich werde keine alte Hexe! Ich bin eine Prinzessin und eine Prinzessin ist immer jung und hübsch! Weißt du das denn nicht, Daddy?" Und damit hüpfte sie davon und wusste gar nicht, dass sie Nathan völlig überrascht zurückließ.

Jule lächelte kopfschüttelnd. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass ihre Tochter NAthan mit "Daddy" angesprochen hatte. Dabei dachte sie an das Geheimnis, das er ihr vergangene NAcht offenbart hattw und das er kein Mitgefühl wollte. Hoffentlich machte ihr Lächeln nicht zu deutlich, wie sehr sie sich für ihn freute.

"Du sagtest, du hättest über etwas nachgedacht.", nahm sie ihr Gespräch wieder auf und nippte an dem heißen Tee, während sie Nathan über den Rand erwartungsvoll ansah.

Doch er war immer noch gerührt, dass er von seinem Kind gerade zum ersten Mal "Daddy" genannt worden war. Schließlich fuhr er sich nachdenklich durchs Haar. "weißt du", begann er und suchte Jules Blick "nach unserer Unterhaltung gestern Abend sind mir drei Dinge eingefallen..."

Eine ganze Zeit sahen sie sich an, überrascht und wie gefangen genommen, als könnten sie den Blick nie wieder voneinander wenden. Dann errötete Jule und stellte ihre Teetasse vorsichtig auf den Unterteller zurück. Dieser schüchterne Zug an ihr hatte Nathan schon immer an ihr gefallen, eigentlich hatte ihm alles an Jule gefallen. Mit ihrem hübschen Gesicht und ihrem Körper konnte sich jeder Mann nur wünschen, morgens neben so einer hübschen Frau aufzuwachen. Durch die Schwangerschaft war sie eindeutig noch schöner geworden und Nathan fragte sich, ob sie sich nicht manchma nach einer Umarmung eines Mannes sehnte. Zwar hatte sie ihm geschworen, während der vergangenen vier Jahre keine intime Beziehung gehabt zu haben. Doch sie sich mit einem anderen vorzustellen, machte ihn ganz verrückt.

Nachdem er ihr vergangene Nacht so unerwartet die Sache mit Erik gestanden hatte, war er noch empfindlicher geworden, wenn es um Jules Haltung ihm gegenüber ging.

"Zunächst", erklärte er schließlich, "müssen wir darüber sprechen, wann du nach London zurückkehren möchtest."

"Am Samstag, aber das habe ich dir doch schon gesagt. Willst du immer noch mitkommen?"

"Natürlich, allerdings passt er mir an diesem Samstag noch nicht. Deshalb wollte ich mit dir sprechen. Du müsstest deine Rückkehr nach London um wenigstens zwei Wochen verschieben."

"Wieso das denn?"

"Weil ich noch so viel Arebit habe, dass ich nicht früher wegfahren kann."

"Dann lass mich und Emma doch allein fliegen und komm später nach."

"Nein."

"Was soll das heißen?" Nathan bemerkte sofort, dass seine Haltung Jule aufbrachte. Aber er hatte seine Gründe, warum er sie nicht allein abreisen lassen wollte. "Du bringst meine Tochter ohne mich nirgendwohin!"

"Jetzt sei doch vernünftig, Nathan! Wir müssen am Samsatag los. Zum einen sind die Flugtickets nicht übertragbar, zum anderen will ich in der Buchhandlung Bescheid sagen, dass ich kündige. Wahrscheinlich werde ich noch ein, zwei Wochen arbeiten müssen bevor sie einen Ersatz gefunden haben."

"Du brauchst niemanden um Erlaubnis zu bitten, wenn du deinen Job aufgeben willst. Und du brauchst auch keine Kündigungsfristen einzuhalten", fuhr Nathan unbeirrt fort "wenn du ihnen sagst, dass du aus familiären Gründen fristlos kündigen musst. Wahrscheinlich würde schon ein Telefonat genügen und dann reichst du deine Kündigung schriftlich nach."

"Und was ist mit meiner Tante?"

"Was soll mit ihr sein?"

"Sie erwartet uns am Samstag zurück. Was soll ich ihr denn sagen?"

"Das ich mich von jetzt an um dich und Emma kümmere."

"Ich bin kein Kind mehr! Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert." Entrüstet hatte Jule die blonden Brauen zusammengezogen und Nathan musste sich zwingen nicht darauf einzugehen, wie bestürzt sie über die ganze Situation war.

"Denk darüber nach.. Vielleicht tut dir einbisschen Urlaub nach dem Tod deines Vaters ganz gut. Das wird deine Tante sicher verstehen. Eigentlich gibt es keinen Grund, so eilig nach London zurückzukehren. Du willst doch ohnehin nur deinen Job kündigen und ein paar Sachen packen. Abgesehen davon... bist du frei."

"Frei?" Ihre blauen Augen verdunkelten sich. "Eine komische Formulierung! Als hätte ich keinerlei Bindung zu dem Ort, an dem ich die letzten viereinhalb Jahre verbracht habe. Ich kann nicht gerade sagen, dass ich London vermissen werde, aber meine Tante schon. Sie ist meine beste Freundin und wir haben viel zusammen durchgemacht."

Ihre Bemerkung löste bei Nathan sofort Schuldgefühle aus. Wenn er daran dachte, dass sie das Kind allein bekommen hatte, ohne dass er sie moralisch und finanziell unterstützen konnte...

Doch sie hatte ihn ja nicht dabei haben wollen. "Wir sind auch einmal Freunde gewesen.", antworte er dann nachdenklich. Dabei klang seine Stimme ganz rau, sodass Jule unwillkürlich aufsah. "Erinnerst du dich noch, Jule?"

"Ja, das tue ich." Sie sprach so leise, dass er es kaum hören konnte.

"Gut, die Londonreise ist also verschoben, bis ich meine Arbeit abgeschlossen habe?"

"Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, dann ist es wohl so", willigte sie zu seiner Überraschung ein. Er hatte eine Riesendiskussion erwartet, aber stattdessen schien Jule entschlossen, sich seinen Wünsche unterzuordnen. Lag es an seiner Enthüllung letzter Nacht? Er verabscheute die Vorstellung, Jule würde ihn am Ende bemitleiden.

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