10. Kapitel

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Jule wusste ihre kleine Tochter gut zugedeckt und im Tiefschlaf in dem Eisenbettchen, in dem sie selbst schon als Kind geschlafen hatte. Sie stand am Hintereingang des alten Bauerncottages und sah in die dunkle Winternacht hinaus, ehe sie zu den glitzernden Sternen emporblickte. Aber keiner von ihnen strahlte so hell wie Nathan Cunninghams Augen, wenn sie früher zusammen gewesen waren.

Heute hatten dieselben Augen sie nur aus Wut und Verachtung angefunkelt, weil er annahm, sie hätte ihn leichthin verlassen. Das war so ungerecht! Warum musste sie eigentlich alles ausbaden? Hätte er vor viereinhalb Jahren nur ein wenig mehr über sich gesprochen, hätte sie sich ihm vielleicht anvertrauen können.

Aber wie sollte sie ihm sagen, dass sie ein Kind von ihm erwartete, wenn sie nicht wusste, wie er auf diese Neuigkeit reagieren würde?

Noch jetzt schnürte es ihr die Kehle zu, wenn sie daran dachte, wie heftig sie damals geweint hatte, auf dem Flug über die irische See nach London, der sie immer weiter von zu hause und von dem Mann fortbrachte, den sie liebte.

Wenn Nathan morgen von Emma erfuhr, würde sein Herz wahrscheinlich völlig vor ihr verschließen. Womöglich würde er ihr nie verzeihen, dass sie ihm nicht schon längst von der gemeinsamen Tochter berichtet hatte. Und was, wenn er sie für eine kleine Abzockerin hielt, die ihm nur eine Falle stellen und ihn schon wieder in eine Beziehung zwingen wollte die er gar nicht wünschte? Und wie sollte sie damit umgehen, falls er ein regelmäßiges Besuchsrecht für Emma einforderte?

Käme sie damit zurecht, wenn er sein Kind akzeptierte, sie als Mutter aber nicht als vertrauenswürdig genug einstufte, um Kontakt mit den Cunninghams zu haben? Etwas Demütigens konnte sich Jule kaum vorstellen...

Nachdem Nathan von seinem frühmorgendlichen Ritt zurückgekehrt war, überließ er die schöne graue Stute einem erfahrenden Pferdepfleger, damit er sie ins Warme bringen konnte. Nathan wollte noch schnell duschen und sich umziehen, bevor Jule kam. Nach einer beinah schlaflosen Nacht in der er über ihr Treffen und am vergangenen Nachmittag und Jules bevorstehenden Besuch nachgedacht hatte, war er sehr reizbar gewesen und im Morgengrauen ausgeritten, um sich abzureagieren.

Auch wenn er die Schuld vor allem bei ihr suchte, ging ihm nicht aus dem Kopf was sie über seine Gefühlskälte gesagt hatte. Womöglich hatte sie mit ihrer Bemerkung nicht ganz unrecht. Nach dem Duschen wickelte er sich ein Handtuch um den durchtrainierten Unterkörper und ging zum marmor Waschtisch am Ende des riesigen Badezimmers. Vor dem antiken Spiegel strich er sich prüfend übers Kinn. Doch als er den lächerlichen Hoffnunfsschimmer und die Vorfreude in seine Augen sah, wandte er sich leise fluchend von seinem Spiegelbild ab.



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Es tut mir soo leid, dass zwei Wochen lang kein Kapitel kam. Ich hatte total den Stress in der Schule, aber ich verspreche das ich jetzt wieder regelmäßig update. Ich hoffe euch gefällt das Kapitel. 🙈💕

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