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"Ich hab Dad angerufen", hörte ich meine Schwester leise sagen, als sie sich von mir löste und bedrückt zu mir hochsah. Gleichzeitig überrascht und entsetzt fragte ich: "Du hast was?"

Sie nickte schuldbewusst und nagte auf ihrer schmalen Unterlippe herum, während sie mich nicht einmal aus den Augen ließ. Sie wartete auf meine Reaktion, das war mir klar. Doch wie genau sollte ich reagieren?

Zunächst einmal schloss ich die Augen, atmete tief ein und aus und öffnete sie danach wieder. Die kleine Dunkelhaarige sah mich immer noch mit ihren großen, braunen Augen an. Ich seufzte erschöpft. Eigentlich sollte ich sauer auf sie sein, weil wir nie - wirklich nie - unsere Eltern anriefen, wenn es Schwierigkeiten gab. Zumindest nicht ohne Einverständnis der betroffenen Person.

Und zudem, wie kam sie darauf, dass ich in Schwierigkeiten steckte? Oder es nötig hatte, dass Carlisle auftauchte, um mich abzuholen?

Mir ging es vielleicht nicht so besonders gut, aber das war eigentlich noch nie ein Grund gewesen, dass ich wortlos verschwunden war. Vor allem nicht, abgeholt wurde.

Ich fuhr mit meinen Händen durch mein zerzaustes Haar und seufzte noch einmal, ehe ich leise vor mich hin flüsterte:" Es ist besser so, Edward. Reg dich nicht auf" Meine Schwester schien mich dennoch gehört zu haben und entschuldigte sich bei mir:" Es tut mir leid, Edward. Ich dachte, du würdest da jetzt nicht mehr rein wollen, da Bella so offensichtlich mit Jacob Black rummacht."

Was?

Leicht verwirrt starrte ich sie aus schmalen Augen an. Ich musste mich verhört haben. Das konnte doch nicht wahr sein!

"Was meinst du mit offensichtlich rummachen ?", fragte ich sie mit gehobener Augenbraue. "Es hieß lediglich, sie müsse ihn küssen." Meine Stimme klang unheimlich gepresst und leise. Ich wollte nichts mehr davon hören - ich konnte nicht. Bella hatte mir das Herz gebrochen und nicht nur ein Mal. Aber das hier? Das war zu viel für mich.

Aber ich konnte nicht anders, als meine Schwester mit meinen Fragen zu löchern und sie dabei mit meinem Blick zu durchbohren. Schließlich musste ich es wissen.

"Najaa", begann sie unsicher und trappelte von einem Fuß auf den anderen, während sie meinem Blick auswich. Alice und unsicher? Das war ja mal was Neues. Normalerweise schoss sie geradeaus heraus und schaffte es dabei gleichermaßen schrecklich, wie aufgeschlossen zu sein.

Langsam verlor ich meine Geduld. "Spuck's aus", fuhr ich sie an. Wehmütig erwiderte sie nun doch wieder meinen Blick und sprach das aus, was ich niemals hätte hören wollen:" Erst schien es so, als würde Bella dir hinter herlaufen wollen, nachdem sie bemerkt hatte, dass du verschwunden bist..., aber dann hat Rosalie" Mein Kopf fuhr schlagartig in die Höhe und ich horchte auf. "Rosalie", knurrte ich.

Dieses Biest, dachte ich. Sie ist eine Intrigantin und ein seelenloses Monster, so viel stand fest. Verschwunden waren Kummer, Leid und Sehnsucht. Zurück blieb diese endlose Wut, die ich schon seit Tagen in mir trug. Dieses untypische Gefühl von Rachsucht und Zorn. Am liebsten würde ich ins Haus stürmen und ihr etwas so Schreckliches antun, wie es sich niemand würde vorstellen können.

"Sprich weiter", zischte ich und versuchte, mich wieder unter Kontrolle zu bringen. Niemand durfte mich jemals so aus der Fassung bringen, dass ich mich selbst vergaß und Dinge tat, die ich unter normalen Umständen niemals tun würde.

Dazu gehörte auch, meine Schwester nicht hier und jetzt umzubringen. 

Ich hatte schon einmal die Kontrolle verloren, als ich Black verprügelt hatte. Und das sollte unter keinen Umständen noch einmal passieren - nicht für Sie. Nicht für Bella. Sie hatte es nicht mehr verdient, dass ich sie liebte und verteidigte. 

"Rosalie hat Bella eingeredet, sie könne ruhig mal ein wenig Spaß vertragen. Und dann hat sie behauptet, du hättest hinter ihrem Rücken, ein Verhältnis mit Tanya. Rose hat Bella weiß gemacht, sie hätte euch gestern beim Sex erwischt..." Alice stoppte noch einmal und sah mich mit einem unergründlichen Blick aus Sorge, Wut und Mitleid an. Sie wusste, dass Rosalie zu weit gegangen war. Und das war nicht das Erste mal.

"Sie hat was?", kam es wutentbrannt von mir.

Jetzt war es doch um mich geschehen. Die blonde Schlang war zu weit gegangen! Ich wusste nicht einmal, wieso sie mir das antat. Welchen Grund hatte sie, mich so zu verachten, dass sie mir meine einzige Chance auf Glück nahm? Warum erzählte sie diese Lügen über mich? - Ich hatte ihr nichts getan! Nie!

Alice nickte noch einmal. "Bella hat ihr geglaubt, Edward", gab sie leise von sich. Das konnte doch nicht wahr sein! Natürlich schenkte sie Rosalie Lilian Hale mehr glauben als mir, ihrem besten Freund! Der Typ, der ihr offenkundig gestanden hatte, dass er sie liebte. Der Typ, der sie niemals in den Dreck gezogen hatte. Der Typ, der sogar für sie sterben würde!

Und sie glaubte allen Ernstes meiner verlogenen Schwester, die nichts besser konnte, als zu lügen und zu betrügen. Einem Mädchen, dem alles andere egal ist. Das alles tun, um anderen klein zu kriegen, damit sie selber groß erschien.

"Warum hat denn keiner von euch etwas unternommen?", fuhr ich aufgebracht fort, während ich hin und her lief. Mir war noch nicht bewusst, wie ich die Sache regeln sollte. Aber eines war mir wichtig und zwar, dass die Blondine dafür in der Hölle schmorrte.

"Das haben wir ja versucht", gab Alice unbeholfen von sich und folgte mir, als ich den Weg zum Haus einschlug. "Glaub mir, Edward. Wir hatten keine Chance" Ihre Stimme klang flehend und reumütig. "Ach ja?", fragte ich ohne mich umzudrehen. 

Ich lief den gepflasterten Pfad entlang, direkt auf die Haustür zu.

"Tanya hatte Knutschflecken am Hals und behauptet, sie seien von dir. Also was hätten wir tun sollen?", rief sie verzweifelt und hielt mich auf, ehe ich die Tür erreichte. Sie stellte sich mir in den Weg und betrachtete mich ausgiebig. "Edward, es wäre nicht klug, da jetzt reinzugehen", beschwor sie mir. Ich seufzte genervt. "Ich weiß"

Dann schob ich sie mit den Worten: "Aber du wirst mich nicht aufhalten können" beiseite und öffnete die weiße Haustür. Augenblicklich drang mir der Geruch von Alkohol, Schweiß und Parfum entgegen. Außerdem war es laut und voll.

Festentschlossen machte ich mich auf den direkten Weg ins Wohnzimmer, um Rosalie vor versammelter Mannschaft bloß zu stellen, als ich Bella schon aus dem Flur sah. Sie saß neben Black. Er hatte einen Arm um ihren Körper geschlungen und nahm einen Schluck aus seinem Becher. Meine beste Freundin schien nicht gerade glücklich zu sein, das bemerkte ich sofort. Ihr Lächeln war ebenso falsch, wie das liebevolle Gehabe von Rosalie. Sie wirkte erschöpft und völlig verloren zwischen den betrunkenen Clowns, die immer noch zu spielen schienen.

Aber in diesem Moment konnte ich mich nicht um Bella kümmern. Sie hatte sich schließlich dazu entschlossen, der Schlange zu glauben und vor meinen Augen mit Black zu knutschen. Das würde ich ihr nicht so leicht verzeihen, ganz gleich wie sehr ich sie liebte. Das war es nicht wert. Der darauffolgende Schmerz war es nicht wert, wenn sie es immer und immer wieder tun würde. Eines Tages würde ich daran zu Grunde gehen, wenn ich es nicht unter Kontrolle bekam.

Somit sah ich mich suchend nach meiner Schwester um und fand sie schließlich bei Lauren Malory und Jessica Stanley. Sie saßen kichernd auf einem der Sofa und unterhielten sich. Schnurstracks ging ich auf die drei zu, um Rosalie bei den Haaren zu packen und sie dann aus dem Wohnzimmer zu schleifen.

Doch drei Schritte von ihr entfernt, stellte sie ein Mädchen mir in den Weg.

Es war Tanya. Natürlich, dachte ich und verdrehte die Augen. Das zweite blonde Biest, welches meine Rache am heutigen Abend mehr als nur verdient hätte. Aber sie war vorerst aus dem Schneider. Erst würde ich mir Emmetts Freundin vornehmen.

"Da bist du ja wieder." Tanyas Stimme klang hocherfreut, als sie mich schmachtend anstrahlte und mir eine Hand auf die Brust legte. "Ich habe dich schon vermisst" Ich verdrehte die Augen. Sie war ja so falsch. Ich musste mich zügeln, um sie nicht quer durch den Raum zu schleudern, als ich sie heftig zur Sete schob und unfreundlich murrte:" Halt die Kappe, Tanya"

Dann machte ich einen weiteren Schritt in Richtung Sofa. In dem Moment schien das hinterhältige Biest mich entdeckt zu haben. Denn ihr Kopf fuhr in meine Richtung und ihr eiskalter Blick begegnete dem Meinen.

"Du", kam es wütend aus meiner Kehle.

First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt