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"Scheiße", fluchte ich und trat gegen eine graue Mülltonne. Sie kam heftig ins Schwanken. "Fuck, fuck, fuck" Ich kickte noch einmal wütend gegen sie. Dieses Mal ging sie mit einem lauten Poltern zu Boden. Der Deckel viel ab und allerlei Reste verteilten sich rund herum auf dem Gehsteig, doch das war mir egal. Das alles hier war egal.

Ich hatte es endgültig vermasselt. Bella war zu weit entfernt von mir, um noch eine Chance auf ein gemeinsames Glück zu haben. Und dabei hatte ich so sehr gehofft, sie würde dasselbe für mich empfinden und mit mir zusammen sein wollen. Und jetzt? Jetzt war alles noch viel schlimmer als vorher! Sie wollte mich nicht einmal mehr sehen.

"Cullen, beruhig dich mal", ertönte Jacobs Stimme hinter mir. Ich wirbelte herum. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er noch da stand. Wieso war er nicht längst verschwunden? Hatte er etwas gedacht, er könne sich nach diesem Chaos einfach wieder hereinschleichen und Bella trösten, weil ich so ein Arschloch gewesen war?

Die wilden Spekulationen in meinem Kopf machten mich wahnsinnig. Meine Wut brodelte direkt unter meiner Haut und würde Jacob Black auch nur ein falsches Wort in den Mund nehmen, dann würde ich ihm die Nase wirklich brechen. Dazu war ich ohne Frage imstande. Vor allem in diesem Moment.

"Was willst du noch?", fuhr ich ihn zischend an und strich mir widerspenstige Haare aus der Stirn. Einige Strähnen waren schon feucht. Ich schwitzte immer dermaßen viel, wenn ich aufgebracht war. Und meine Hände zitterten bei der Geste unkontrolliert.

Verflucht, Edward. Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich, kurz nachdem ich einmal tief Luft holte. Black ist an dem Durcheinander ja nur zum Teil schuld.

Immer noch völlig neben der Spur wartete ich auf seine Erklärung und nahm mir einen Augenblick Zeit, um ihn zu mustern. Himmel, dachte ich. Ich hatte ihn schon ziemlich übel zugerichtet: Seine Nase blutete immer noch und versaute sein weißes Shirt. Sein eines Auge schwoll langsam an und wurde blau. Und seine Fäuste waren ebenso aufgerissen und rötlich verfärbt wie meine. Mit dem feinen, aber kleinen Unterschied, dass an meinen Fäusten sein Blut hing und nicht mein eigenes.

Jacob tupfte sich die Nase mit einem alten Taschentuch ab und seufzte. Es schien so, als würde es ganz schön weh tun, denn er verzog das Gesicht dabei ziemlich schmerzverzerrt.

Beinahe tat es mir sogar leid, dass ich auf ihn losgegangen war. Doch im nächsten Moment dachte ich daran, was er zu mir gesagt hatte und bereute es nicht noch fester draufgehauen zu haben.

"Sorry, Mann", gab er zurück. "Das, was ich gesagt habe ist mir nur so rausgerutscht" Seine Stimme klang gepresst, so als würde es ihm schwer fallen, sich bei mir zu entschuldigen. Zumindest entschuldigte sich der Dreckskerl, was man von Newton und seinem Gefolge nicht behaupten konnte. Er hätte noch dreckigere Anspielungen über Bella gemacht und ihn hätte es nicht gejuckt, ob ich etwas dagegen zu sagen habe. Natürlich hätte Newton, ebenso wie Black, einen Schlag dafür kassiert, aber es wäre lange nicht so ausgeatmet.

Ich hob skeptisch die Brauen und sah ihn an, während ich bemerkte, dass ich meine Rucksack in Bellas Haus hatte stehen lassen. Ich fummelte an meiner Jacke, machte sie zu und stöhnte innerlich auf. Ich würde heute keinen Schritt mehr in ihr Haus wagen, so viel war sicher. Also musste ich mir überlegen, ob eine meiner Schwestern ihn vielleicht später für mich holen könnte.

"Du bist schon in Ordnung, Cullen. Und Bella ist natürlich keine...äh ... Schlampe oder so. I-Ich ... sie bedeutet mir nur so viel...", stammelt der Indianer und rieb sich über den Hinterkopf.

Resigniert seufzte ich auf: "Ja, mir auch"

Meine Wut verflog in diesem Moment und schien auch nicht allzu bald wiederzukommen. Black und ich standen in der selben Zwickmühle: Wir beide wollten ein Mädchen, was nicht zu haben war. Und wir beide wollten sie beschützen, ganz gleich, ob vor uns selber oder vor anderen. Bella war alles für ihn - und alles für mich. Ganz gleich wie ungerne ich das zugab.

"Wir seh'n uns morgen bei Training, Black", sagte ich zum Abschied.

Zugegebenermaßen schuldete ich Black noch eine Entschuldigung, doch ich war in diesem Moment einfach zu stolz, um meinen Fehler zuzugeben. Er sollte schließlich nicht denken, dass ich so einfach aufgab. Schließlich ging es hier um die Liebe meines Lebens.

"Bis dann", erwiderte er noch, drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung fort.

Lange sah ich ihm nicht nach, als ich mich umdrehte und den Weg nach Haus antrat.

Esme würde sich bestimmt wundern, wenn ich schon so früh zurück sein würde, doch ich sah keinen Sinn darin, jetzt noch zur Schule zurück zu fahren. Die Aufgaben, die wir momentan bearbeiten hatte ich eh schon erledigt und der Stoff war auch nicht allzu schwer, sodass mein Fehlen keine Konsequenzen haben würde.

Gut, Esme und Carlisle werden im ersten Moment sauer sein, dass ich die Schule schwänzte, aber nach einer Erwähnung von Bellas Unglück, wird vor allem meine Mum mich verstehen - und mein Dad auch.

Somit lief ich die schmale Straße zwischen den Wäldern entlang, die geradewegs zu unserem Haus führte. Unser Haus lag ziemlich abseits der anderen Häuser von Forks, doch das hatte mich noch nie sonderlich gestört. Ganz im Gegenteil. Wir hatten unsere Privatsphäre, einen großen Garten, ein großes, offenes Haus, welches einen fabelhaften Ausblick auf die Landschaft um uns herum freigab und natürlich den perfekten Ort für eine Party.

Wenn Mum und Dad im Sommer oder auch zu anderen Jahreszeiten auf Reisen waren, schmissen wir bei uns immer die größten und besten Partys. Mal kam die gesamte Footballmannschaft, um sich ein Spiel auf unserem riesigen Flachbildfernseher reinzuziehen. Mal kamen sie zum Feiern, mal luden meine Brüder unsere beiden Stufen ein und mal verwandelten Rose und Alice das Haus in einen Beauty-Palast. Zu diesem Party liefen immer haufenweise Mädchen in hautengen Schlafanzügen durchs Haus. Dabei trugen sie Plüschtiere an den Füßen und kicherten wie Hühner auf der Stange.

Gut, ab und an musste ich zugeben, dass Tanya oder Lauren ziemlich heiß aussahen in ihren rosa Pants und diesen kurzen Tops, unter denen sie keinen BH trugen. Aber dennoch freute ich mich viel mehr darüber, wenn ich oben in mein Zimmer kam und Bella auf meinem Bett lag und mich anflehte, meinen Schwestern nicht zu sagen, dass sie hier bei mir war.

Bei der Erinnerung bildete sich ein unwillkürliches Lächeln auf meinem Gesicht. Bella hatte diese Pyjamapartys immer gehasst - und zwar alles an ihnen. Angefangen mit den pinken Pyjamas, über schleimige Hautcremes, bis hin zu kitschigen Liebesfilmen. Obwohl ich insgeheim wusste, dass Bella kitschige Liebesfilme liebte. Doch vor allem liebte sie Klassiker wie Romeo und Julia oder Stolz und Vorurteil - Bücher, die ich zwar auch schon gelesen, aber nicht unbedingt gemocht hatte.

Bella hatte ihren ganz eigenen Geschmack und genau das zeichnete sie aus. Sie liebte es, uns beim Footballspielen zuzusehen, sie liebte es, mich mit Dingen aufzuziehen, von denen ich keine Ahnung hatte. Sie liebte Dramen, in denen das Ende schon ganz am Anfang zu erahnen war. Aber vor allem liebte sie es, frei zu sein, sich selbst auszuleben und sich nicht zu verstellen.

Meine beste Freundin war nicht so wie meine Schwester Rosalie, die immer nur sich selbst im Spiegel betrachtete oder neues Make up auflegte, wenn sie raus ging. Und sie war auch nicht wie meine durchgeknallte Schwester Alice, die nichts mehr liebte, als ihren Kleiderschrank und jedes Outfit kommentierte, was ihr gefiel oder eben nicht gefiel. Bella war anders!

Und genau das liebte ich an ihr.

Bei dem Gedanken daran, dass ich sie womöglich gerade verloren hatte, zog sich mein Herz in meiner Brust heftig zusammen und ich schloss frustriert die Augen.

Warum war alles so verdammt frustrierend?

First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt