Die Vergangenheit holt uns immer ein

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Sprachlos starrte J sie an. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so was. Doch das erklärte warum sie ohne zu zögern diesen Wachmann erledigt hatte. Sie hatte es einfach in sich.

Er fing an zu lachen, erst leise, dann immer lauter. Er konnte einfach nicht aufhören zu lachen. Das war einfach - großartig! Das machte das ganze noch interessanter. Und vor allem zeigte es ihm eins: Sie würde ihn nicht retten, das konnte sie gar nicht, doch er könnte die düstere Seite in ihr hervorlocken. Und das war noch viel interessanter als sie in den Wahnsinn zu treiben. Obwohl, das eine schloss ja das andere nicht aus.

Aufgeregt vor Freude wurde sein Lachen immer lauter. Er wusste bereits was zu tun war, er wusste, wie er sie an den Punkt bekommen konnte wo er sie haben wollte. Er würde sie dazu bringen sich in ihn zu verlieben, denn aus Liebe machten die Menschen viel. Und so würde er ihr wahres Ich hervorlocken. Und sie in den Wahnsinn treiben.

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Er lachte. Fassungslos starrte sie J an. Das brachte sie aus dem Konzept. Und es machte sie noch wütender. Er hatte in ihrer Vergangenheit gegraben, Gott allein wusste, wie er das alles herausbekommen hatte. Und dann hatte er sie damit konfrontiert, bewusst provoziert. Und sie war voll darauf reingefallen. Sie hatte ihm gestanden, dass sie in Wahrheit alle umgebracht hatte. Das wusste niemand. Niemand außer Nick.

Nick war damals ihr Anwalt gewesen. Er war ein paar Jahre älter als sie und sie war damals sein erster Fall gewesen. Doch anstatt sie zu verraten, hatte er ihr geholfen alle, selbst die Zweifler, davon zu überzeugen, dass sie die unschuldige Zeugin des Blutbads gewesen war. Und nun war sie so dumm gewesen und hatte es im Affekt dem Joker gestanden. Sie ärgerte sich über sich selber.

J hatte in der Zwischenzeit aufgehört zu lachen und schaute sie neugierig an. Ein beinahe mitfühlendes Lächeln lag auf seinen Lippen. Er stand ebenfalls auf und trat ihr gegenüber, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Er starrte ihr in die Augen. Sie versuchte seinem Blick stand zu halten, doch sie schaffte es nicht lange. Nach kurzer Zeit schaute sie auf den Boden. "Dr. Quinzel" hauchte er und sie schaute wieder zu ihm auf. Wieder dieses mitfühlende Lächeln auf seinen Lippen. "Ich bin mir sicher, dass es Ihnen nicht leicht gefallen ist zu tun was getan werden musste. Doch nach dem, was all diese widerlichen Subjekte getan haben, hatten sie dieses Schicksal verdient. Ihr Geheimnis ist bei mir sicher!" sagte er einfühlsam. Irritiert schaute sie ihn an. "Sie werden mich nicht verraten, Mr. J?" fragte sie sichtlich irritiert. Er schüttelte den Kopf und hob fragend seine Augenbrauen. "Warum sollte ich? Ich hätte ja nicht anders gehandelt" sagte er mit einem zwinkern und lächelte sie an. Seine metallenen Zähne blitzten auf. Es war ein warmes Lächeln, kein vergleich zu allem was sie zuvor an ihm gesehen hatte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. "Erzählen Sie mir die Einzelheiten? Bitte bitte bitte bitte bitte" bettelte er. Sie starrte ihn an während sie darüber nachdachte. Eigentlich wollte sie diese Erinnerungen verdrängen, doch andererseits sah er sie so flehend an. Und irgendwie wollte sie es ihm erzählen. Sie wollte diese freundliche Art von ihm festhalten, sie wollte seine Gunst. Sie redete sich ein, dass dies nichts mit ihrem schnellen Herzschlag zu tun hatte, sondern damit, dass ihr das helfen würde um ihm zu helfen.

"Ok" flüsterte sie und nickte zaghaft. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl. J tat es ihr gleich und setzte sich ihr erneut gegenüber. Erwartungsvoll schaute er sie an. Sie räusperte sich und begann zu erzählen. "Es war kurz nach meinem Schulabschluss. Ich hatte damals eigentlich keine Freunde oder sonst jemanden. Ich konnte mich niemanden anvertrauen, denn ich hatte Angst, dass man mir eh nicht glauben würde. Ich hatte immer versucht all die Zeichen der Misshandlungen und des Missbrauchs zu verbergen, also trug ich immer lange Klamotten und schottete mich von allen ab. Ich galt immer als die Merkwürdige, die seltsame. Und so wurde ich auch von allen in Ruhe gelassen. Doch eines Tages lernte ich diesen jungen kennen. Er war ebenfalls ein Einzelgänger, er war neu an meine Schule gekommen. Und irgendwie kam es, dass wir uns unterhalten hatten. Wir kamen ins Gespräch und verstanden einander. Er war wahnsinnig wütend auf seine Eltern und die Welt. Und eines Tages erzählte er mir, dass er alle umbringen würde. Ich nahm ihn nicht ernst bis er mich eines Tages mit zu jemanden nahm den der kannte. Es war ein Waffenhändler" erklärte die junge Ärztin. Sie schloss die Augen und sofort sah sie wieder alles vor sich. "Er hatte sich damals eine Pistole gekauft. Und in dem Moment wusste ich, dass er Ernst machen würde. Er tat es damals, tötete seine Eltern und lief in der Nachbarschaft Amok. Er wurde dabei von der Polizei getötet und lies mich wieder alleine zurück. Ich hatte ihm nie erzählt was mit mir passierte, aber das musste ich nicht. Er wusste es auch so. Daher wunderte es mich nicht, dass ich als ich am Tag nach seiner Tat an unseren geheimen Treffpunkt kam einen Zettel mit einer Schachtel vorfand. Es war ein Abschiedsbrief inklusive eines Abschiedsgeschenks. Er hatte seinen Tod wohl fest einkalkuliert. Ich las den Brief und wusste direkt was in der Schachtel war bevor ich sie öffnete. Es war die Pistole die er in meinem Beisein gekauft hatte. In seinem Brief stand >Du kennst die Lösung, du weißt was zu tun ist Mädchen!<. Und ich wusste er hatte Recht." Harleen öffnete die Augen und sah wie der Joker sie anstarrte. Wie er an ihren Lippen hing. Er lächelte sie leicht an und flüsterte "Und dann?"

Sie seufzte. "Ich überlegte nicht lange. Schließlich kamen sie jeden Tag. Jeden verdammten Tag kamen sie und taten mir das an. Und nachdem sie fertig waren kam mein Vater um da weiter zu machen wo sie aufgehört hatten. Während meine Mutter in der Küche war und einen Kuchen nach dem nächsten backte und so tat, als bekomme sie von all dem nichts mit." flüsterte sie wütend. J knurrte und sie schaute ihn an. Es war, als würde ihn das aufregen was sie sagte. Sein Lächeln war verschwunden. "Ich nahm also die Pistole mit nach Hause. Als ich Zuhause ankam hatte ich noch eine Stunde Zeit bis die Männer kamen. Also legte ich mir einen Plan zurecht, der erstaunlich leicht umzusetzen war. Ich hatte mir Handschuhe angezogen, ich war ja nicht so blöd Fingerabdrücke zu hinterlassen und öffnete den Männern die Tür. Ich hatte meinen Vater in der Küche beschäftigt, in dem ich ihm ein Bier und etwas zu essen hingestellt hatte. Er war so einfältig und berechenbar, ich wusste, dass er dann statt zur Tür zu gehen sitzen bleiben würde. Und meine Mutter, die verkroch sich ja sowieso in der Küche. Nachdem die Männer eingetreten waren erschoss ich beide. Es war erstaunlich leicht. Und natürlich trugen beide Männer ebenfalls Waffen bei sich, so wie immer. Kaum lagen beide am Boden, und ich war selber erstaunt, dass ich getroffen hatte, stürmte mein Vater aus der Küche herein. Panik spiegelte sich auf seinem Gesicht als er die Männer am Boden liegen sah. Ich nahm die Waffe des einen Mannes und richtete sie auf meinen Vater. Er flehte mich an es nicht zu tun, schließlich sei er doch mein Vater und habe immer das beste für mich gewollt." Harleen lachte laut auf. "In dem Moment drückte ich ab." Ein lächeln spiegelte sich auf ihren Lippen. "Meine Mutter war ihm gefolgt und hatte es mit angesehen. Sie lächelte mich daraufhin an und sagte mir, dass sie froh sei, dass nun alles gut werden würde. Es war mir zuwider." sagte sie und schloss die Augen. Dann öffnete sie ihre Augen und lächelte. Es war ein bezauberndes Lächeln, ein glückliches Lächeln. "Es war ein schöner Moment als ich ihr lächelnd sagte, dass sie recht hatte und alles gut werden würde. Und ich sah wie sie sich erleichtert in Sicherheit wiegte. Dann drückte ich ab und sie viel tot zu Boden." aufgeregt kicherte Harleen bei dieser Erinnerung. Dann wurde sie wieder ernst.

"Bevor die Polizei eintraf, ich wusste, dass die Nachbarn diese mit Sicherheit rufen würden, arrangierte ich den Tatort entsprechend, sodass es aussah, dass mein Vater den einen Mann zuerst mit meiner Pistole umgebracht hatte, sein Partner daraufhin meine Mutter mit seiner Waffe und sich die beiden dann schließlich gegenseitig getötet hatten. Ich wusste damals nicht ob man das glauben würde, doch ich tat alles daran das arme überlebende Opfer zu spielen. Ich hatte mich in eine Ecke gekauert, die Hände vor die Augen genommen und geweint. Das weinen feil mir nicht schwer, denn all die Last und Anspannung war auf einmal von mir gefallen und ich weinte wie nie zuvor in meinem Leben. Und so saß ich noch immer da, zitternd und weinend, als die Polizei das Haus stürmte und mich fand."

Mad love - The BeginningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt