Spieglein, Spieglein, an der Wand

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Sie starrte auf das Messer in ihrer Hand. Sie wollte sich zu Mitchell umdrehen, doch sie zögerte. Auf einen Schlag wurde ihr klar: Harley hatte erneut die Oberhand gewonnen. Sie schüttelte den Kopf und lies das Messer fallen. "Ich kann das nicht" sagte sie und starrte J mit großen, Angst erfüllten, Augen an. Dann rannte sie aus dem Zimmer. Sie rannte den Flur entlang ohne eine Ahnung zu haben wo hin sie rannte. Sie wusste nicht wie lange sie gerannt war und welchen Weg sie genommen hatte, doch auf einmal stand sie auf einem großen Balkon. Sie fühlte die kühle Luft und schaute in den Himmel. Es war eine klare Nacht und sie konnte die zahlreichen Sterne sehen. Sie schaute hinab und konnte, weit unter sich, die Lichter einer Stadt erkennen. Ihrer Stadt. Sie sah herab auf Gotham City, dessen Anblick bei Nacht wunderschön war. 

Sie fuhr ruckartig herum als sie ein Geräusch hörte und starrte direkt in J's funkelnde Augen. Sie konnte seine Mimik nicht deuten. Sie reckte ihr Kinn in die höhe und versuchte seinem Blick stand zu halten. 

Mit einer schnellen Bewegung hatte er sie am Hals gepackt, drückte sie nun unsanft gegen das Geländer des Balkons und presste seinen Körper gegen ihren. Ihr Atem beschleunigte sich und ihre Augen weiteten sich vor Angst. Sie fühlte sich gleichzeitig so sehr von ihm angezogen, dass sie Angst hatte ihr Herz würde auf der Stelle aus ihrer Brust springen, doch gleichzeitig hatte sie Todesängste. Um so länger sie in dieser Situation verharrten, um so mehr Panik stieg in ihr hoch. Und sie wusste, dass J es in ihren Augen sehen konnte. 

Er grinste sie an, ihr Herzschlag und ihr Atem schienen völlig außer Kontrolle zu geraten. Dann küsste er sie. Er küsste sie hart, voller verlangen, er eroberte ihren Mund mit roher Gewalt, doch sie lies ihn gewähren. Sie schloss die Augen und gegen aller Vernunft legte sie ihre Arme um seinen Hals und zog ihn näher an sich heran, während er gleichzeitig den druck um ihren Hals erhöhte. Dann lockerte er seinen Griff, für einen kurzen Moment wurde der Kuss sanfter, dann schob er sie mit einer solchen Wucht zur Seite, dass sie Probleme hatte das Gleichgewicht zu halten. Für einen kurzen Moment fürchtete sie sich nicht am Geländer festhalten zu können und hatte Angst zu fallen, doch sie schaffte es sich zu fangen. Der Morgenmantel war ihr gänzlich von ihren schmalen Schultern gerutscht und lag nun auf dem Boden. 

So stand sie da, in ihrem roten Negligé, die Haare wehten im Wind, ihre Beine zitterten. Und dann schaute sie hinüber zum Joker, der sie mit wutverzerrtem Gesicht anschaute. Alle ihre Alarmglocken gingen an. Alles in ihr schrie sie müsse vor ihm davon laufen. Doch sie stand da, wie ein Kaninchen vor der Schlange, unfähig sich zu bewegen. Unfähig auch nur den Blick von ihm abzuwenden.

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J stützte sich auf der Brüstung ab, schwer atmend. Er war wütend, so wütend. Und er versuchte sich verzweifelt wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er drehte seinen Kopf zur Seite und starrte die Blonde Frau an. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Diese Frau trieb ihn in den Wahnsinn. Er verlor die Kontrolle, jedes Mal wenn er ihr nahe kam. Er wollte sie gleichzeitig Küssen, auf Händen tragen, ihr die Welt zu Füßen legen, und gleichzeitig wollte er ihr Schmerzen zufügen, sie endlose Qualen erleiden lassen, sie qualvoll umbringen. Er knurrte. Ihm gefiel nicht was mit ihm passierte, was sie in ihm auslöste. Und doch wollte er sie jetzt, wo sie so verletzlich vor ihm stand, in den Arm nehmen, ihr einen Kuss auf die Stirn geben und sagen, dass alles gut werden würde. Er wollte nicht, dass sie solch eine Angst vor ihm verspürte. 'Und wie ich will, dass sie Angst vor mir hat' sagte er sich selber in Gedanken und ballte seine Hände zu Fäusten. 

"Geh" presste J hervor und wand den Blick von ihr ab, doch Harleen rührte sich nicht. "Geh mir aus den Augen!" schrie er nun und starrte sie erneut an. Er sah wie sie zögerlich begann sich zu bewegen, aus ihrer Schockstarre zu erwachen schien. Doch sie bewegte sich für seinen Geschmack nicht schnell genug. "Verschwinde habe ich gesagt! Verschwinde, oder ich lege dich, hier und jetzt, auf der Stelle um!"

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Wieder rannte sie den Flur entlang, voller Panik und Angst. Sie wusste nicht wie, doch irgendwie schaffte sie es zurück in das Zimmer in dem sie zuvor aufgewacht war. Sie rannte in das Badezimmer, schloss die Tür hinter sich und verschloss diese. Dann stützte sie sich am Waschbecken ab und starrte ihr eigenes Ebenbild im Spiegel an. Sie sah schrecklich aus. Ihr Make-Up vom Vortag war verschmiert, ihre Haare standen in alle erdenklichen Richtungen ab. Ihre Augen waren rot und geschwollen, Tränen liefen ihr in einem endlosen Fluss über die Wangen. 

Sie drehte den Wasserhahn auf und klatschte sich das kühle Wasser ins Gesicht. Sie versuchte verzweifelt sich mit purem Wasser das verschmierte Make-up zu entfernen, dann erst bemerkte sie, dass auf dem Schränkchen neben dem Waschbecken zahlreiche Utensilien standen, unter anderem auch eine Flasche Make-up Entferner und Kosmetiktücher. Sie nutzte dies um ihr Gesicht in einen "Norm-Zustand" zu bringen, ohne sich weiter zu fragen warum der Joker in einem Badezimmer all diese Utensilien hatte die eine Frau benötigen würde. Sie stellte erleichtert fest, dass sich auf dem Schränkchen ebenfalls eine Bürste befand und begann sich die Haare zu bürsten.

'Harleen, Harleen, Harleen' sagte die Stimme in ihrem Kopf. 'Du bist selber Schuld an dieser Misére! Du hättest doch nur dieses widerliche kranke Arschloch verletzen müssen. Du hättest es ihm nur heimzahlen müssen!' sagte die zuckersüße Stimme die sie zu ihrem "anderen Ich", Harley, zuordnete. "Nein!" sagte sie und hielt sich die Hände an die Ohren. 'Du kannst mich nicht aus deinen Gedanken aussperren' kicherte Harley. 'Ich bin ein Teil von dir. Beziehungsweise... ich bin DU!'.

Harleen schluchzte. Nein, sie wollte das alles nicht. Sie war nicht wie Harley, sie war nicht die verrückte die vor Jahren diese Menschen getötet hatte. Sie wollte nicht so sein. Sie war nicht verrückt. Sie konnte nicht verrückt sein. 'Du bist die verrückteste von allen!' schrie Harley kichernd in ihrem Kopf. Sie blickte auf und starrte in den Spiegel. Sie starrte eine ihr fremde Frau an, mit funkelnden Augen. Augen die in diesem Moment den Augen des Jokers so ähnlich waren. Dann schüttelte sie energisch den Kopf, stellte die Dusche an. Es interessierte sie weder, dass sie noch immer das Negligé trug, noch dass das Wasser eiskalt war. Sie stieg unter die Dusche und lies das kalte Wasser über sich laufen. Als hoffe sie, dass mit dem Wasser auch die Spuren von Harley von ihr gespült werden würden.

Mad love - The BeginningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt