Kapitel 9

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Jetzt gibt es nichts was die Tränen noch stoppen könnte. Sie quellen aus meinen Augen und rinnen über meine Wangen, sodass ich schon nach kurzer Zeit verschwommen sehe und mein Gesicht klitschnass ist. Ich lasse den Kopf sinken und weine erneut um meinen Bruder, meinen besten Freund, der mir mein Leben lang zur Seite gestanden ist und jetzt weg ist, für immer.

Etwas weiches streift meinen Arm, aber ich blicke nicht auf. Da ich weiß, dass es Azura ist schlinge ich meine Arme um ihr kräftiges Genick und presse mein Gesicht in ihr seidiges Fell. Als wolle sie mich damit beruhigen streicht sie mit ihrer Schnauze über meinen Kopf und es wirkt tatsächlich beruhigend. Die Tränen werden immer weniger, das laute Schluchzen verstummt und statt am ganzen Körper zu zittern sitze ich einfach nur starr im Gras und lasse Azuras Wärme auf mich überstrahlen. Azura ist ebenfalls stumm, aber sie muss gar nichts sagen, denn allein die Tatsache, dass sie mich hier hergebracht hat und noch immer hier ist sagt alles.

Ihre Wärme erfüllt meinen ganzen Körper und ich merke wie ich langsam schläfrig werde. Kein Wunder, denn den ganzen Tag nur weinen macht verdammt müde. Ich kuschle mich noch mehr an Azura, genieße dabei das Gefühl ihres weichen Felles an meiner Haut und könnte hier und jetzt einschlafen. Sie scheint das zu merken, denn sie stupst mich mit ihrer Schnauze an. "Lass uns wieder zurückgehen, denn dein Bett ist sicherlich bequemer als der Waldboden." Kurz überlege ich ihr zu widersprechen, denn ich will nicht dorthin zurück wo mich alle hassen, weil Alexander wegen mir.... Nein! Hör auf so zu denken, du hast es ihm versprochen!

Der Gedanke bald wieder in meinem großen, weichen Bett zu liegen und ein wenig zu schlafen klingt sehr verlockend. "Okay." Auch wenn ich im Moment nichts lieber will als in mein Bett zu fallen und zu schlafen steige ich etwas widerwillig auf Azuras Rücken. "Keine Sorge, ich werde schleichen wie ein Panther, damit uns niemand entdeckt." Ihr Wortspiel lässt mich schmunzeln als ich mich auf ihren Rücken lege und mich festhalte, um nicht runterzufallen.

Langsam, um mich nicht zu verlieren, macht sie sich auf den Weg zurück zu den Zelten. Da ich meine Augen sowieso nur noch mit großer Mühe offen halten kann mache ich sie ganz einfach zu und genieße die sanfte Schaukelei durch Azuras Gang. "Danke, dass du mich zu dieser Lichtung gebracht hast.""Keine Ursache, ich hoffte es würde dir helfen."

Stille breitet sich aus während ich auf ihrem Rücken liege und mich anstrengen muss nicht sofort ins Land der Träume zu entschwinden. Die Stille ist allerdings alles andere als angenehm, denn es schwirrt die unausgesprochene Frage umher woher Azura von dieser Lichtung weiß. Obwohl es mich brennend interessiert (verfluchte Neugier) will ich nicht nachfragen, denn ich möchte keine alten Wunden wieder aufreißen. "Deine Mutter hat diese Lichtung entdeckt als sie ohne Wissen in diese Welt gezogen wurde. Auf diese Weise konnte sie zumindest einmal mit ihrem Vater, deinem Großvater, sprechen. Bevor ich hierher kam hat mein Rudel meinen Sohn vor meinen Augen umgebracht. Es sollte eine Bestrafung sein, weil ich Menschen geholfen habe und das mehr als nur einmal. Ich konnte nichts tun um ihm zu helfen. Als ich dann hier war und deine Mutter mich aus diesem Käfig von Arena gelassen hat erzählte sie mir von dieser Lichtung. So konnte ich mich bei meinem Jungen entschuldigen und mit der Zeit auch endlich damit abschließen." Ich würde ihr gern mit meiner Hand über ihr Fell streichen, als Zeichen der Dankbarkeit für ihre Offenheit, aber meine Hand hängt schlapp neben mir und fühlt sich schwer an. Es wird immer schwieriger wach zu bleiben, denn die Erschöpfung ist einfach größer als die Geduld zu warten bis wir wieder bei meinem Zelt sind.

Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren als ich im Halbschlaf spüre wie Azura stehen bleibt. "Zum Glück, ihr seid beide unversehrt." "Ich hab dir doch gesagt es wird nichts passieren, Schatz." Das sind die Stimmen meiner Eltern. Wie gern würde ich aufspringen und sie umarmen, aber mich hat jegliche Kraft verlassen und ich komme dem Land der Träume immer Nähe. "Tut mir leid, dass ihr euch Sorgen gemacht habt. Ich habe sie nur zur Lichtung gebracht, aber sie wollte dabei nicht gesehen werden." "Ich bin die Königin, ich sehe alles. Weißt du warum sie sich seit einer Woche in ihrem Zelt versteckt und weder rauskommt noch uns reinlässt?"

Es wird immer schwerer der Unterhaltung zu folgen, denn ich höre die Stimmen immer gedämpfter, aber ich zwinge mich zumindest so weit wach zu bleiben, dass ich zu Ende lauschen kann. "Sie will euch nicht unter die Augen treten, weil sie sich selbst die Schuld am Tod ihres Bruders gibt und denkt, dass ihr das auch tut." "Wie kommt sie denn auf den Gedanken? Derek wir müssen-" "Ganz ruhig. Wir werden morgen mit ihr reden. Jetzt lassen wir sie erstmals in Ruhe schlafen und neue Kraft sammeln. Azura, könntest du vielleicht bei ihr bleiben, damit sie nicht allein ist wenn sie aufwacht?""Natürlich Alpha."

Ich spüre noch wie sich Azura wieder in Bewegung setzt und höre meine Eltern noch etwas sagen, verstehe es aber nicht. Dann wird alles schwarz und ich sinke in den Schlaf, wo bereits zwei berntseinfarbene Augen auf mich warten.

It's not easy being a princess!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt