3. Kapitel

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  „Wer bist du?" widerholte Juna ihre einst gestellte Frage, während die Hand, in der sie die Scherbe hielt, unentwegt zitterte und viele kleine Kratzer auf der Haut des Menschen ihr gegenüber hinterließ.
Etwas, das wie ein Knurren klang, jedoch keinem tierischen Laut ähnelte, drang an ihr Ohr, während mehr und mehr Speichel auf ihre Schulter troff.
Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, allerdings nicht aus Angst vor dem, was sie nicht sehen konnte, sondern vor dem, was sie im Grunde gerade tun wollte.
Wollte sie das gerade wirklich tun? War es ihr Wille? Ging diese Handlung von ihr aus?
Sie schüttelte leicht den Kopf, als ob ihr Geist dadurch klar werden würde, während sich ihre Hand langsam senkte und die Scherbe fallenließ.
Die Kälte verschwand, sobald das Klirren der Scherbe erklang. Als wäre es ein Zeichen, um... zu erwachen...?



Juna atmete tief ein und wieder aus, während ihr Körper vor Kälte zitterte. Es war die gleiche Kälte, wie in ihrem Traum...
„Sie sind wach?"
Sie wandte erstaunt den Kopf zur Seite und stellte fest dass sie sich wieder in dem Bett befand.
Aber war sie das? Wach?
Ihre Arme spannten sich an, fühlten die Riemen an ihren Gliedern.
„Warum... bin ich gefesselt..." hauchte Juna und visierte einen Punkt neben der Person an, die sich mit ihr im Raum befand.
„Zu Ihrem eigenen Schutz. Wenn Sie gestatten, mein Name lautet..."
Juna wandte sich gänzlich ab und schloss erneut die Augen. Was interessierte sie das Geplapper eines weiteren Psychiaters? Mit ihr war alles in Ordnung!
„Was hat es mit dem roten Ballon auf sich, von dem Sie im Traum sprachen?"
Juna riss die Augen auf und sah in die Richtung, aus der die Stimme kam, jedoch war der Stuhl, auf dem die Psychiaterin gesessen hatte leer.
„Ist es ein Ballon, der Ihnen ein Trauma bereitet?"
Sie ballte ihre Hände unter der Decke zu Fäusten, während ein leichtes Stechen ihre Rechte durchfuhr.
In einer unwirsch suchenden Geste wandte sie den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung und entdeckte aus dem Augenwinkel heraus die Psychiaterin. Sie hielt ein Schreibbrett in der Hand und kritzelte ununterbrochen Notizen darauf.
„Können Sie mir sagen, welches Datum wir haben?" Die Stimme der Frau, dessen Namen sie nicht wahrgenommen hatte, war bohrend, keinesfalls vertrauenserweckend.
Juna starrte zu der Uhr über dem Türrahmen. Eine simple schwarze Einfassung umgab das runde Ziffernblatt auf dem die römischen Zahlen standen, während der Sekundenzeiger unablässig seine Runden drehte.
Sie erinnerte sich daran, dass die Uhr eine Macke haben musste. Vielleicht hatte jemand inzwischen die Batterien getauscht, damit sie wieder richtig lief?
„Juna?"
Der Klang ihres Namens war so laut wie der Schlag eines Hammers auf einen Amboss.
„Juna, was ist im Hotelzimmer passiert?"
Ihre Atmung wurde schneller, ihr Puls begann zu rasen. Warum ließ sie nicht alle Welt in Frieden?
Die Frau trat um das Bett herum und betrachtete sie nun voller Sorge. Ihre strahlend blauen Augen funkelten wie gläserne Abbilde von Murmeln, die sie in ihrer Kindheit besessen hatte. Die kastanienbraunen Haare waren streng nach hinten gekämmt und zu einem Dutt zusammengebunden. In ihrer schwarzen Uniform mit der weißen Bluse sah sie genau aus, wie man diese Psychiater aus Nachmittagstalkshows kannte.
Zu viele Fragen waren es gewesen, als dass sich Juna überhaupt noch an die erste erinnerte.
Die Frau nahm wieder auf dem Stuhl neben ihrem Bett Platz und verschwand somit aus ihrem Blickfeld.
Irgendetwas mit einem Ballon hatte sie gefragt... Sie kniff die Augen zusammen, bis ein leichtes Flackern vor selbigen erschien und sie sich krampfhaft zu erinnern versuchte, was in ihrem letzten Traum geschehen war.
„Juna – ich arbeite mit vielen Patienten, die ein ähnliches Trauma, wie Sie durchlitten haben."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch nur eine einzige kullerte an ihrer Wange hinab, bevor sie herniedertropfte.
„Zusammenhangloses Gerede!" fauchte Juna wütend, während sich ihre Fäuste noch enger schlossen und der Schmerz in ihrer Rechten zunahm. Zuerst war es nur dieses Stechen gewesen, doch nun fühlte es sich so an, als ob sie eine Messerklinge umklammert hielt. Brennend fraß sich der Schmerz durch ihre Hand und kroch langsam ihren Arm empor, um dort langsam zu verebben.
Wortlos sammelte die Psychiaterin ihre Sachen zusammen und verließ eilig den Raum. Die Tür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss.
Juna atmete tief ein und wieder aus, bevor sich ihre Muskeln etwas entspannten und sie abermals den brennenden Schmerz in ihrer Hand wahrnahm. Mit ihrem Daumen fuhr sie über etwas Hartes, das inmitten ihrer Handfläche lag. Die Oberfläche war warm und mit einem feuchten, schmierigen Film bedeckt.
Mit ihrer Linken versuchte sie ihre Bettdecke beiseitezuziehen, was sich als äußerst schwierig, aber nicht als unmöglich herausstellte. Zumindest bis sie ihre andere Hand betrachten konnte.
Frisches Blut rann durch ihre Finger als sie die Hand soweit anhob, wie es die Lederriemen um ihr Gelenk zuließen. Ungläubig starrte sie auf die große Scherbe und schluckte den schweren Kloß in ihrem Hals hinunter. Wie, um alles in der Welt, war diese in ihren Besitz gekommen?
„Es... war doch nur ein... Traum... Es..." Ihr Körper begann zu zittern, die Scherbe glitt aus ihrer Hand und fiel gen Boden.
Ein Schrei verließ ihre Kehle, brach sich an den Wänden und kehrte zu ihr zurück. Der Atem, der ihren Mund verließ, bildete plötzlich kleine weiße Wölkchen vor ihren Augen. Wie sehr wünschte sie sich die schützende Dunkelheit ihrer Träume zurück, in der ihr nichts widerfahren konnte.
Eisblumen begannen sich an den Wänden zu bilden, während ihr Blick durchs Zimmer glitt.
„Nicht echt, nicht echt, nicht echt!" widerholte sie so schnell, dass sich die Worte beinahe überschlugen.
War das eine Art kalter Entzug, der rationales Denken nicht mehr möglich machte? Sie kniff die Augen zusammen und presste ihren Kopf ins Kissen, das auf einmal hart wie Stein schien.
Die Kälte kroch unbarmherzig in ihren Körper und ließ diesen erzittern.
„Nein!" schrie sie erneut und lauter...
Das Hämmern ihres Herzens ließ nach, als sie die Augen wieder öffnete und in ein orange leuchtendes Augenpaar blickte. Sie schüttelte den Kopf, blinzelte wieder und sah erneut in die Augen, die nun eine andere Farbe angenommen hatten. Nur schwer nahm sie die Worte des Weißkittels wahr, der vor ihr stand, da ein unangenehmer Druck auf ihren Ohren lag.
Die Worte, die er sprach, kamen erst Sekunden später in ihrem Hirn an, was die Situation seltsam verzerrt darstellte. Doch sie verstand keines seiner Worte.
Was war das nur plötzlich für ein Flimmern vor ihren Augen? Ihr Körper begann sich zu verkrampfen, während sie mehrmals das Gefühl hatte, zu ersticken.
Ihre Hände krallten sich in das Laken, als ihre Atmung erneut nicht mehr gehorchen wollte. Ihr Körper stemmte sich gegen die Riemen die sie hielten. Was geschah mit ihr? Ein Röcheln, wie von weit her drang an ihr Ohr bevor sie begriff, dass dieser Laut aus ihrer Kehle hervorgekrochen war.
Die Ränder ihres Blickfeldes wurden langsam grau... Je mehr sie blinzelte, desto schneller schien sich der Grauschleier auszubreiten, weswegen sie die Augen aufriss und in jene Richtung blickte, in der das Wesen aus ihrem letzten Traum gesessen hatte.
Umrisse und Schatten huschten um sie her, zerrten und rüttelten an ihr, doch das alles schien irreal...
Lediglich die behandschuhte Hand, die ihr entgegengestreckt wurde, schien echt zu sein, weswegen sie ihre soweit anhob, wie es ihr möglich war.
Samtener Stoff berührte ihre Fingerspitzen, bevor sich die fremde Hand um ihre eigene schloss und sie mit sich zog.


You'll be mine.        ES FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt