20. Kapitel

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Seit Tagen verbrachte sie nun den Großteil der Zeit damit, auf irgendwelche Kärtchen mit blauen und pinken Punkten zu starren, die ihr die Ärzte vorlegten.

Sie sollte sagen, was sie darauf sah.

Doch sie saß einfach nur auf dem gepolsterten Stuhl und starrte am jeweiligen Arzt vorbei, zum Fenster hinaus.

Draußen schien die Sonne und sie hätte ihre Zeit lieber damit verbracht, spazieren zu gehen, oder einfach nur irgendwo zu sitzen, nur nicht hier. Der Lichtstrahl der wärmenden Wintersonne tat gut auf ihrer Haut.

Der Arzt vor ihr, lehnte sich in seinem knarrenden Stuhl zurück und begann damit, sich angestrengt die Nasenwurzel zu massieren.

„Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht redest!" sprach er leise, beugte sich wieder nach vorn, packte die Pappkärtchen mit verschiedensten Punktkonstellationen weg und faltete anschließend die Hände in einer eleganten Geste ineinander.

Wobei genau, wollte er ihr denn helfen? Dabei, ihre realen Ängste zu besiegen? Schwachsinn!

„Hör zu!" sprach er nach einer Weile unangenehmen Schweigens. „Ich mache dir einen Vorschlag!"

Für den Bruchteil eines Wimpernschlages kreuzten sich ihre Blicke, bevor sie wieder zum Fenster hinausstarrte.

„Umso eher du mir erzählst, was mit dir ist, desto eher kann ich dich nach Hause entlassen!"

Juna gab einen abfälligen Laut von sich. Die erste Reaktion seit Tagen, was den Arzt kurz lächeln ließ.

Wo war denn „zuhause"? ... Nirgends!

„Wäre es denn so einfach?" Ihre Stimme war kratzig und rau, fast so, als ob sie jahrelang geraucht hätte.

Seit Tagen, oder waren es bereits Wochen, der erste Satz, den sie sprach.

Sie könnte ihm irgendeine Geschichte auftischen, doch Lügen waren noch nie ihre Stärke gewesen und sie war sich sicher, dass er es merken würde, wenn sie log.

„Ich erzähle Ihnen eine Geschichte und Sie entlassen mich?" hakte Juna noch einmal nach und lehnte sich im Stuhl zurück.

Der Arzt vor ihr nickte stumm.

„Aber!" setzte er an und hob mahnend den Zeigefinger. „Für jede Lüge, die ich in deiner Geschichte erkenne, wirst du jeweils eine Woche länger hierbleiben!"

Er reichte ihr die Hand, um diesen vermeintlichen Deal zu besiegeln. Juna schlug ein, auch wenn ihr bewusst war, dass sie nicht entlassen werden würde, auch wenn sie die Wahrheit sprach.

Wie damals schon Henry, erzählte sie ihre recht lange Geschichte, die nicht fiktiv war, verschwieg jedoch den Clown, der sie so ... ja was eigentlich – gemacht hatte. Verrückt? Nein sie war nicht verrückt! Sie war bei klarem Verstand! Das musste doch der Arzt vor ihr erkennen!

Die Sonne war inzwischen am Horizont hinabgesunken und es dämmerte. Wie spät es wohl war?

„Hmhm..." machte der Arzt und musterte sie prüfend. „Ich komme nicht umhin zu glauben, dass du etwas Wichtiges verschweigst! Und ich denke, dass es der Punkt ist, der dich... verwirrt."

Juna zog eine Augenbraue nach oben, woraufhin der Arzt leicht lächelte und wissend nickte.

„Der junge Mann, der uns anrief, erwähnte etwas wie Namen..." setzte er fort, doch sowie sie an Henry dachte, legte sich ein dunkler Schatten auf ihr Gemüt. „Vielleicht kannst du mir etwas auf die Sprünge helfen?"

Natürlich wusste sie, welchen Namen er meinte, doch wieso erinnerte sich Henry plötzlich wieder daran?

In ihren Ohren erklang das grausige Lachen des Clowns, der keiner war und ließ sie erschauern. Es war, als schloss sich eine kalte, unsichtbare Hand um ihre Kehle und drückte zu, sodass sie kein Wort herausbekam.

You'll be mine.        ES FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt