Kapitel 35: Auf und davon (Ash)

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Fast könnte man sich dazu hinreißen lassen sich an diesem Morgen noch für eine oder wenigstens eine halbe Stunde an den Hotelpool zu verziehen. Doch die Zeichen standen jetzt auf Aufbruch. Wir mussten weiter, nach dem Frühstück würde es Sachen packen heißen und auf nach Atlanta. Wir hatten unsere freie Zeit hier bereits gehabt.

Tim war nicht, wie eigentlich verabredet, zur gewohnten Zeit runter zum Frühstück gekommen und für mich hieß das wohl wieder ihn aus dem Bett zu schmeißen. Vielleicht würde mir Kaylas Trick mit dem Wasserglas dabei behilflich sein.

Bei Tims Zimmer angekommen klopfte ich zuerst und wartete einige Sekunden. Nichts regte sich. „Komm schon, wir haben keine Zeit für Langschläfer.“, murmelte ich halblaut vor mich hin. Was hatte Tim gestern noch so lange gemacht, dass er jetzt offenbar immer noch so tief und fest schlief, und mich nicht hörte?

„Tim?“, fragte ich nachdem ich ein weiteres Mal geklopft hatte, „Steh auf, wir haben nicht mehr viel Zeit. In zwei Stunden geht unser Flug.“ Wenn man ihn ein bisschen hetzte kam er eigentlich immer recht schnell in die Gänge. Aber heute zeigte diese Methode offenbar keine Wirkung. Auf der anderen Seite der Tür blieb es weiter still.

Ich nutzte die letzte Option die mir blieb und zog den Zweitschlüssel zu Tims Zimmer aus meiner Hosentasche. Die Methode Tim zu hetzen verdoppelte ihre Wirkung wenn man dabei direkt neben seinem Bett stand, worin er meist dann noch dabei war friedlich zu schlafen.

Als ich den Schlüssel ins Türschloss steckte und umdrehte beschlich mich auf einmal ein ungutes Gefühl. In den letzten Tagen schien es Tim nicht sonderlich gut gegangen zu sein, das hatten wir alle irgendwann gemerkt. Natürlich hatten wir ihn gefragt, aber er hatte immer wieder gesagt, dass alles okay sei. Ganz glauben konnten wir ihm das natürlich nicht, aber wir wollten nicht immer auf diesem Thema herumreiten. Vielleicht vermisste er Kayla zu sehr, obwohl er das eigentlich nie so deutlich zeigte und auch nie über einen so langen Zeitraum. Womöglich war bei ihm das Vermissen dieses Mal noch intensiver da er Kayla vorher für eine lange Zeit um sich gehabt hatte.

Das ungute Gefühl blieb als ich die Türklinke herunterdrückte und die Tür einen Spalt öffnete. Fast erwartete ich Tim nicht alleine in seinem Bett vorzufinden, womöglich hatte er sich als „Trost“ irgendeine weibliche Bekanntschaft aufs Zimmer mitgenommen, vielleicht diese Raquel, er hatte mir erzählt, dass er sich gestern Abend mit ihr treffen wollte. Obwohl sie bei unserem ersten kurzen Zusammentreffen wirklich nicht wie ein Groupie auf mich gewirkt hatte hatte ich Tim gewarnt. Vorsichtshalber. Man konnte sich in Menschen so schnell und leicht täuschen. Aber eigentlich war es überhaupt nicht Tims Art etwas mit Groupies oder dergleichen anzufangen. In dieser Sache vertraute ich ihm.

Als ich schließlich im Zimmer stand und das leere Bett vor mir sah, worin sich zwar keine Raquel aber blöderweise auch kein Tim befand, wusste ich nicht ob ich erleichtert oder besorgt sein sollte. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, das Kopfkissen wirkte so als hätte schon letzte Nacht niemand mehr darauf geschlafen, es wirkte alles seltsam unberührt. In der Ecke neben dem Bett, wo sonst immer Tims Koffer seinen Platz gefunden hatte herrschte gähnende Leere. Ich hatte mit meiner leisen Vorahnung, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte offenbar recht gehabt. Tim war allen Anschein nicht hier, genauso wenig wie seine gesamten Sachen. Kurz ging ich noch einmal nach drüben ins Bad aber auch hier deutete nichts darauf hin, dass dieses Zimmer noch gestern von einer Person bewohnt worden war. Auch hier fehlten Tims Sachen komplett.

Gerade als mir das Ausmaß der Katastrophe bewusst werden wollte hörte ich hinter mir ein rumpelndes Geräusch. Eine Putzfrau kam ins Zimmer, schob ein kleines Wägelchen mit Reinigungsmittel vor sich her und das rumpelnde Geräusch kam von dem Staubsauger den sie hinter sich herzog.

„Was machen Sie’n noch hier?“, fragte sie leicht nuschelnd und musterte mich mit leicht zusammengekniffenen Augen, „Ich muss hier sauber machen, da verziehn Sie sich lieber ganz schnell.“ Ihr Blick wanderte kurz durch den Raum, entdeckten den Geldschein auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa und mit raschen Schritten war sie darauf zugelaufen und ihre Finger schlossen sich um den Schein. Sie schien sich über die fünf Dollar Extratrinkgeld zu freuen. Wenigstens hatte Tim an sie gedacht bevor er offenbar gegangen war.

I could be the one (Avicii-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt