Kapitel 34: Kurzschlussreaktion

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Ich hatte die unterschiedlichsten Empfindungen im Körper. Das Vermissen war stärker als je zuvor und ich fragte mich ob die Verabredung mit Raquel wirklich eine gute Idee gewesen war. Einerseits fühlte ich mich erleichtert es jemandem erzählt zu haben, andererseits hatte meine Stimmung sich nicht gebessert. In Wahrheit fühlte ich mich vielleicht noch ein wenig schlechter.

Wenn ich aus dem Fenster des Hotelzimmers blickte konnte ich den Innenhof mit dem Hotelpool sehen, ein paar Leute paddelten zu dieser späten Stunde noch darin herum. Und ich fühlte mich mit einem Mal wie der einsamste Mensch auf der Welt. Kayla war nicht hier, niemand mit dem ich nach unten in diesen Pool gehen könnte wenn ich gewollt hätte. Ich hätte jemanden anrufen können, Raquel oder Ash vielleicht aber hatte keine richtige Motivation dies wirklich zu tun. Vielleicht schlief Raquel schon und Ash war mit den anderen irgendwo hier unterwegs und ich hatte abgelehnt mich ihnen anzuschließen.

Schlafen wäre vielleicht eine nicht ganz verkehrte Idee, morgen würde es weitergehen, wir würden Las Vegas verlassen und Atlanta ansteuern. Da wollte ich ausgeruht sein um den Tag zu überstehen, ohne Kayla.

Ich hatte mich gerade dazu entschlossen ins Bad zu gehen, zu duschen und mich dann ins Bett zu verziehen als ich den Klingelton meines Handys hörte. Ich zog es trotzdem aus der Hosentasche, obwohl ich im Moment nicht die geringste Lust hatte mit irgendwem zu sprechen.

Die Nummer auf dem Display kannte ich nicht. Eine fremde Nummer störte mich also jetzt und ich fragte mich wer das nur war. Kurz überlegte ich einfach nicht ranzugehen bis der Anrufer aufgab, aber da konnte ich lange warten. Das Handy klingelte und klingelte.

Vielleicht würde der Anrufer schnell wieder auflegen wenn ich jetzt ranging und so tat als hätte er mich gerade aus dem Tiefschlaf geholt. Die Idee erschien mir geeignet um den Anrufer schnell wieder loszuwerden.

„Hallo?" Ich versuchte so müde wie möglich zu klingen, schaffte es sogar zu gähnen.

„Oh, Herr Bergling, habe ich Sie geweckt?" Die Stimme des Anrufers klang leicht fragend.

Ich hatte keine Zeit mich darüber zu freuen, dass man mir den Todmüden offenbar abnahm, denn beim Klang der Stimme des Anrufers war ich innerlich zusammengezuckt. Es war Kaylas Vater den ich am Handy hatte und soweit ich mich erinnern konnte hatte er mich noch nie angerufen. Also, warum tat er es jetzt?

„Ich wollte Sie darüber informieren, dass Kayla im Krankenhaus liegt. Sie hatte einen Unfall und war ein paar Stunden bewusstlos. Nach dem Aufwachen hat Sie sofort nach Ihnen gefragt und uns gebeten Sie anzurufen.", erklärte er und ich konnte die Besorgnis aus seiner Stimme hören.

„Oh mein Gott." Ich hörte nur mein eigenes Flüstern. „Wie geht es ihr?", fragte ich, etwas deutlicher.

„Sie ist stabil und hat nur leichte Verletzungen.", antwortete er, „Es sieht zum Glück alles relativ gut aus."

„Vielen Dank...das Sie mich informiert haben." Ich hatte keine Kraft mehr weiter mit Kaylas Vater zu sprechen.

Nachdem er aufgelegt hatte saß ich einige Minuten nur still auf dem Sofa meines Hotelzimmers und starrte nach vorne während die Gedanken in meinem Kopf umherwirbelten. Kayla. Im Krankenhaus. Meine Kayla. Die Gedanken tröpfelten wie ein Gift in mein Gehirn und ließen mich nicht mehr klar denken. Die Vorstellung, dass womöglich auch Matthew an Kaylas Bett saß und ich nicht war unerträglich. Viele Menschen sprangen jetzt wahrscheinlich um sie herum, nur ich fehlte.

Ich nahm mir meinen Laptop, schmiss das Internet an und rief eine Seite für Flugbuchungen auf. Äußerst selten buchte ich mir meine Flüge selbst, normalerweise erledigten das Robb oder Ash für mich.

Wenig später schaltete ich den Laptop wieder aus und ging nach drüben ins Bad. Räumte wie mechanisch mein Waschzeug zusammen und schmiss es in meinen Koffer. Ich gab mir keine Mühe meine Anziehsachen vorher zusammen zu legen, alles landete zerknautscht auf dem Beutel mit dem Waschzeug. Um Ordentlichkeit scherte ich mich jetzt am wenigsten.

Kurz sah ich mich noch einmal um als ich alles beisammen hatte. Das einzige was ich zurückließ war ein wenig Trinkgeld für die Reinigungskräfte. Dann hängte ich mir die Laptoptasche über die Schulter, nahm meinen Koffer und verließ das Zimmer.

An der Rezeption entdeckte ich noch jemanden und das um elf Uhr abends. Zum Glück.

„Ich würde gerne auschecken.", teilte ich der Frau mit, die dort saß und trotz der späten Uhrzeit noch immer ein Lächeln zur Schau trug.

„Sehr gerne." Ihr Lächeln wurde noch breiter. „Ursprünglich war Ihre Abreise für morgen geplant.", bemerkte sie nachdem sie meinen Namen überprüft hatte.

„Ja, mir ist was....dazwischen gekommen. Deshalb muss ich bereits heute abreisen.", erklärte ich geduldig und fragte mich nebenbei warum ich das dieser Frau eigentlich erzählte.

„Dann bräuchte ich von Ihnen nur noch eine Unterschrift." Sie deutete auf eine schmale Zeile auf dem Dokument was sie mir entgegenstreckte, „Und die Rechnung geht an Herrn Pournouri?" Ich nickte nur als Antwort.

Kurz darauf stand ich vor dem Eingang des Hotels auf dem Bürgersteig, spürte das Adrenalin in meinen Venen und zitterte innerlich auch ein wenig. Wenn ich Ash oder dem Rest jetzt begegnete war es aus mit meiner Reise.

Ich konnte nicht stillstehen und verzichtete darauf mir ein Taxi zu rufen, worauf ich womöglich noch hätte warten müssen. Da kannte ich andere Mittel. Wozu gab es in der Nähe unseres Hotels denn eine U-Bahnstation?

Ich hatte Glück und erwischte die richtige U-Bahn Richtung Flughafen noch, ehe sie mir davon fuhr. Langsam ließ ich mich auf einen der Sitze fallen und schaute mich kurz um. Etwas weiter von mir entfernt saß ein junger Mann der schrecklich müde wirkte. Seine Augen fielen ihm immer wieder zu und er riss sie anschließend rasch wieder auf.

Ich ging rasch noch einmal auf Twitter um eine Nachricht an meine Fans zu hinterlassen. Ebenfalls schickte ich eine kurze SMS an Raquel, ich wollte sie wissen lassen, dass ich einen Plan hatte.

Im Gegensatz zu dem jungen Mann einige Sitze hinter mir fühlte ich mich hellwach und so aufgekratzt als stünde ich vor dem Auftritt beim Ultra Music Festival in Miami.

Gleichzeitig mischten sich leise Zweifel in meine Gedanken. Was, wenn Kayla mich nicht sehen wollte, obwohl das natürlich Blödsinn war. Sonst hätte sie ihre Eltern bestimmt nicht gebeten mich anzurufen.

Ich lehnte mich im Sitz zurück, schloss kurz die Augen und versuchte etwas zur Ruhe zu kommen, während die U-Bahn fuhr und fuhr. Es entspannte mich und ich fühlte mich langsam besser. Ich hatte einen Plan.

Das erste Mal seit Wochen ging es mir gut. Wie sehr ich dieses Gefühl doch vermisst hatte.

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So, Tims filmreife "Flucht". Was denkt ihr passiert als nächstes?

Freue mich auf eure Kommentare.

Und übrigens ein großes Dankeschön an über 2000 Leser, ihr seid die Besten.

I could be the one (Avicii-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt