Kapitel 56: Außer Kontrolle

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Kayla hatte ihre Arme so fest um mich geschlungen als wollte sie mich nie mehr loslassen. Den Kopf hatte sie auf meine Schulter gelegt und schaute den Wellen dabei zu wie sie an den Strand schwappten. Es war längst dunkel und der Mond am Himmel war neben einigen Laternen die einzige Lichtquelle.

Ich saß mit Kayla auf einem der Felsen an irgendeinem Strand in Los Angeles und um diese Uhrzeit verirrten sich sehr wenige Leute an diesen Ort. Es war zwei Uhr nachts, an einem Tag Ende Juni.

Ragnar wurde drei Tage nach seinem Tod beerdigt, auf einem wunderschönen Friedhof in Stockholm. Ich und Kayla waren neben meinen Eltern die Einzigen die anwesend gewesen waren bei Ragnars Beerdigung. Mehr Leute hatten ich und Kayla einfach nicht gewollt.

Unser diesjähriges Weihnachtsfest war vollkommen anders verlaufen als wir es gewohnt waren. Raquel hatte Weihnachten über bei uns bleiben wollen, während ich und Kayla der Meinung gewesen waren sie könne ruhig rüber nach Kanada fliegen und mit ihrer Familie feiern. Wir würden zurechtkommen. Schlussendlich hockten wir an Weihnachten inmitten der vielen Menschen im Wohnzimmer meiner Eltern. Neben uns waren einige meiner Freunde, Kaylas Freundinnen von hier und aus den USA und, laut Raquel nur die halbe, Familie Bettencourt anwesend. Ihre Oma würde nämlich fehlen. Und eigentlich durften wir das meiner Mutter verdanken, dass Raquels gesamte Familie an Weihnachten bei uns angerückt war. Sie hatte sie eingeladen, da Raquel sich ja geweigert hatte uns allein zu lassen.

Und im Großen und Ganzen war das Weihnachtsfest noch nicht einmal so schlimm gewesen, auch wenn wir von einigen Babysachen bekamen. Es war recht witzig mitanzusehen wie Raquel tatsächlich versuchte sich mit meiner Mutter auf Schwedisch zu unterhalten und Ash nur lachend daneben saß wenn Raquel ein falsches Wort benutzte oder wie Kristen mit Isak durch den schneebedeckten Garten einem Fußball hinterherjagte.

An Silvester hatte ich mich fünf Minuten vor dem Jahreswechsel mit Raquel gestritten, das erste Mal überhaupt, da sie der Meinung gewesen war an Silvester sollte man nicht in Tonstudios hocken. Und genau das hatte ich auch getan und eigentlich vorgehabt die Zeit durchzuarbeiten. Ich glaubte nicht mehr so recht daran, dass dieses Jahr noch irgendwie gut werden würde. Wie denn auch, ohne Ragnar?

Kurz bevor es Zeit wurde das neue Jahr zu begrüßen konnten ich und Raquel uns allerdings wieder dazu durchringen uns zu entschuldigen. Wir ließen anschließend auf dem Parkplatz vorm Tonstudio ein paar Raketen steigen.

Ab da begann es für mich und Kayla wieder bergab zu gehen. Kayla begann zwei Wochen nach Silvester wieder mit der Arbeit, ich verzog mich in der Zeit wieder ins Tonstudio. An den Wochenenden zog Kayla es vor sich in Ragnars Kinderzimmer zu verziehen und einfach nur stumm dazusitzen und vor sich hin zu starren. Ich ließ sie dann meistens alleine und betrat Ragnars Zimmer nur noch äußerst selten.

Aus den vier Wochen die Ash mir freigegeben hatte wurden sechs Wochen, dann sieben und so ging es stetig weiter. Ich konnte mich zu fast gar nichts mehr aufraffen, arbeitete mich nur förmlich im Studio tot und das bis weit in die Morgenstunden. Und im Grunde  genommen tat ich das alles nur um nicht an Ragnar denken zu müssen.

Eines Morgens hatte es dann besonders Ash gereicht. „Wo…ist die Leidenschaft hin, hm?“, hatte er mich angefaucht als ich ihm meine neuesten Tracks gezeigt und er sie als meine schlechteste Leistung überhaupt betitelt hatte, „Das hier…“ Er wies auf den Bildschirm, „bist nicht du. Du arbeitest nicht länger nur weil du deine Arbeit liebst, sondern um Ragnar zu vergessen. Und dabei kann nichts gutes bei rauskommen.“ Dann hatte er mich einfach am Arm gepackt, nach draußen in sein Auto geschleift und war mit mir irgendwo hingefahren um bei einem langen Spaziergang mit mir zu reden, nicht nur über Ragnar. Und ehrlich gesagt hatte das gutgetan. Und ich hatte es auch eingesehen, dass ich und Kayla Hilfe brauchten. Das konnte nicht so weitergehen.

I could be the one (Avicii-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt