Schon fast Februar

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Sky

Ich machte als Schulsprecherin einen ziemlich guten Job. Erstens: Repräsentation der Schule. Nun ja, ich kann stillsitzen, interessiert aussehen und mit Eltern oder Vertretern anderer Schulen Smalltalk betreiben. Das macht mich ziemlich gut auf öden Einweihungen und Feiern. Zweitens: Vermittlung zwischen Schülern, Lehrern und Direktor. Ich bleibe immer sachlich. Drittens: Vorstand und Koordination der Schülermitverwaltung. Das macht mir sogar Spaß. Außerdem muss ich die Frischfleischarbeit nicht mehr machen, zum Beispiel Kuchen backen oder Plakate aufhängen. Ich mache es trotzdem manchmal, um nicht so versnobt und abgehoben zuwirken. Nach der Versammlung am Freitag kam ich mit einem Stapel Plakate und einer Rolle Klebeband auf Maria zu. Noch bevor ich sie bitten konnte, mir zu helfen, schüttelte sie den Kopf. „Sorry, heute nicht, Sky." Sie sah, wie ich die Stirn runzelte und fügte schnell hinzu: „Ich bin verabredet, weißt du, aber ich schickte dir jemanden zum Haupteingang, ja?" „Mhm.", brummte ich. Später saß ich auf der leeren Bühne in der Aula und starrte den Haupteingang an. Warten machte mich immer furchtbar wütend. Tony kam die Treppe runter, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Oh Gott, bitte nicht. Er sah sich suchend um. „Hey!", rief ich zu ihm hinüber. „Hat Maria dich gebeten, mir beim Aufhängen zu helfen?" „Sie hat jedenfalls nicht gesagt, dass ich der schuleigenen Schreckschraube helfen soll!" Pah. „Hilfst du mir oder nicht?" „Wenn du lieb „bitte" sagst." „Bitte." „Ganze Sätze, wir wollen doch ein Vorbild sein!" „Bitte hilf mir.", fauchte ich. „Ich konnte dich nicht hören!" „Bitte hilf mir!", brüllte ich. „So, jetzt noch mit der richtigen Anrede." „Die da wäre?!" „Großer Technik-Gott." „Arsch!" Er lachte in sich hinein. „Könntet ihr da unten nicht aufhören zu brüllen?", fragte ein Neuntklässler über das Geländer der Galerie hinweg. „Ich kann mich nicht konzentrieren." „Schnauze da oben!", brüllte ich. Mit Getöse sprang ich von der Bühne. „Bitte hilf mir, großer Technik-Gott.", zischte ich in Tonys Gesicht. Der grinste frech. „Natürlich gerne, wenn du so lieb fragst." Ich drückte ihm die Rolle Klebeband in die Hand und hielt ein Plakat an die Wand. „So, jetzt fixierst du es bitte." „Valentinstag, interessant. Eine Rose kostet einen Dollar und wird am 14. Februar ins Klassenzimmer geliefert. Soso." „Quatsch nicht und papp das blöde Teil an!" Er zog das Klebeband so über das Papier, das er auch meinen kleinen Finger mit anklebte. „Ups. Anfängerfehler." „Schon okay.", presste ich zwischen meinen vor Wut zusammengebissenen Zähnen hervor. Dann sagte er ganz unvermittelt: „Kein Junge auf diesem Planeten würde auch nur daran denken, dich freiwillig anzufassen. Du bist viel zu..." Ich funkelte ihn über die Plakate in meiner Hand hinweg böse an. „Was bin ich?" Ich versuchte, gelangweilt zu klingen, aber ehrlich gesagt war ich schon ziemlich wütend. „Unlocker. Prüde. Eine Schreckschraube eben. Und flachbrüstig." Ich lachte höhnisch auf, verschränkte aber meine Arme vor der Brust. Dabei rutschten mir die Plakate aus der Hand. Ich beeilte mich, sie aufzuheben. „Nur dass du's weißt, ich hatte schon mal einen Freund." „Ach ja? Und wo ist er jetzt, dein toller Freund?" „Auf dem College.", sagte ich so hoheitsvoll wie möglich und klatschte ein Plakat an die Wand. „Auf dem College.", äffte er mich nach und fixierte das Papier mit Klebeband. „Hörst du dir eigentlich mal selber zu? Und, wie hast du's angestellt, ihn dir zu angeln?" Ich ging schneller, aber er konnte mühelos Schritt halten. „Hast du ihn mit deinem Körper bezirzt? Ist er deinem Charme erliegen?" Himmel, wie konnte ein einzelner Mensch so nervig sein?! Ich klatschte ein weiteres Plakat an die Wand. „Nein, ich hatte mehr Punkte im Physik-Ferienprojekt als er." Jetzt war es an Tony, aufzulachen. „Was ist denn das für eine Beziehung?!" „Eine schöne.", rief ich trotzig aus und klatschte das nächste Plakat an die Wand. Der Typ hatte jetzt diesen spöttischen Blick drauf, der mich vom ersten Tag an wahnsinnig gemacht hatte. Provozierend langsam befestigte er das Papier. „Ja, schön!", setzte ich hinzu, weil ich das Gefühl hatte, mich rechtfertigen zu müssen. „Wir haben gemeinsam im Labor gearbeitet und über alles geredet. Er hat mir immer geholfen, war wahnsinnig treu und..." „Du beschreibst ihn wie einen Bunsenbrenner." Mir blieb die Spucke weg. „Al... also wirklich, als ob du mir zu sagen hast, wie ich eine Beziehung führen soll!" Ich rannte beinahe weiter, aber natürlich kam er mühelos mit. „Ich wette, du hast ihn nicht mal geküsst." Ich erstarrte und drehte mich dann ruckartig um. „Natürlich!" rief ich mit soviel Überzeugung und Leidenschaft in der Stimme wie möglich. „Ach ja? Auch mit Zunge?" Vor Überraschung ließ ich die Plakate fallen. Ich konnte nicht verhindern, dass ich knallrot wurde. „Das dachte ich mir." Gott, was war dieser Junge anmaßend. Und unverschämt. Ein Mistkerl allererster Güte. „Kl... klar habe ich... schon mal...", stotterte ich. „Du lügst." Auf Tonys Gesicht spiegelte sich spöttisches Mitleid. Irgendjemand sollte ihn mal ganz dringend hauen. Gott, wie ich diesen Typen hasste. „Na warte!", fauchte ich. Einer plötzlichen Eingebung folgend machte ich einen Schritt nach vorne, ballte die Faust, holte aus und schlug zu. Tonys Kopf flog nach hinten, aber er fing sich schnell. Seine Lippe war aufgeplatzt. Etwas trat in seine Augen, was mir Angst machte. Bevor ich reagieren konnte, packte er mich an den Schultern und schleuderte mich von sich weg. Ich knallte mit dem Rücken gegen die Schließfächer, ein Griff bohrte sich in meine Wirbelsäule. Jetzt hätte ich gern offene Haare gehabt, um mein Gesicht vor ihm abzuschirmen. Stattdessen vergrub ich es in den Händen. Argh. Jetzt bloß nicht heulen. Verdammt, ich hatte doch sonst alles unter Kontrolle. Ich linste zwischen meinen Fingern hindurch.  Kurz starrten wir einander an. Dann fand Tony zu seinem gewohnten arroganten Selbst. Er lächelte spöttisch, drehte sich um und ging den Gang hinunter, als hätte er soeben nett Smalltalk betrieben. „Wir sehen uns!", rief er noch über die Schulter. Mistkerl.

Fangirlträume: Jahr mit den AvengersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt