Kapitel 19

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Wir hatten ausgecheckt, zu unserem Glück war an der Rezeption noch eine Dame, die wohl etwas wichtiges vergessen hatte und deshalb noch einmal zurückgekommen war und die sich uns erbarmt hatte. Danach hatten wir das Gebäude verlassen und auf eine S-Bahn gewartet, die uns dann, als sie ankam, zum Hauptbahnhof brachte, wo wir festgestellt hatten, dass nicht mehr allzu viele Züge fuhren. Während wir auf die S-Bahn gewartet hatten, hatten Mara und ich beschlossen, nicht ans Meer zu fahren, sondern nach Hamburg. Die Zugfahrt war zwar lang aber das war uns nur recht, dann konnten wir sofort, wenn wir ankämen einchecken und außerdem im Zug schlafen.

Schweigend liefen wir durch den Bahnhof auf unser Gleis zu, wo in einer halben Stunde der Zug einfahren würde. Das Schweigen, das zwischen uns herrschte war im Gegensatz zu sonst nicht angenehm, sondern das genaue Gegenteil davon. Generell war die Stimmung zwischen uns seit dem Kuss, von dem ich immer noch nicht wusste, was ich von ihm halten sollte, komisch. Zwar redeten wir zwischendurch, aber es war mehr erzwungener Small Talk, als ein wirkliches Gespräch. Und irgendwann hatten wir dann einfach beide aufgegeben und so herrschte zwischen uns schon eine ganze Weile dieses unangenehme Schweigen.

Es war sehr spät und es fuhren nur noch wenige Züge, weshalb es nicht weiter verwunderlich war, dass der Bahnsteig nicht überfüllt war und so machten Mara und ich uns auf den Weg zu den Bänken, die komplett frei waren. Wir setzten uns und starrten dann einfach nur auf das vor uns liegende Gleis, warteten darauf, dass die Bahn ankam und achteten darauf, uns nicht anzusehen. Jedenfalls kam es mir so vor.

Es war nicht dunkel, Laternen erhellten den Bahnsteig und so auch Mara und mich. Trotzdem sah es anders aus als tagsüber und die Stimmung faszinierte mich irgendwie. Wären wir unter anderen Umständen hier, hätte ich vielleicht Fotos gemacht, aber im Moment hatte ich nichtmal darauf Lust. Und so kam es dass wir einfach weiter stumm nebeneinander saßen und uns nicht ansahen. Ich hätte gerne gewusst, wie Mara sich fühlte, nachdem sie mich geküsst hatte. Was in ihrem Kopf vorging. Doch ich fragte sie nicht. Die Stimmung war zu komisch. Und ich war unsicher, was ich überhaupt fühlen sollte. Ich hatte versucht, alle Gedanken an den Kuss in die hinterste Ecke meines Kopfes zu verdrängen, aber auch das reichte nicht, sodass ich die ganze Zeit daran denken musste. Ihre Lippen waren warm gewesen und weich. Jedenfalls meinte ich mich daran zu erinnern. Und irgendwo in mir hatte ich Freude gespürt, das wusste ich. Aber ich wollte nicht glauben, dass ich eventuell Gefühle für Mara hatte, die über Freundschaft hinaus gingen. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Klar, sie war eine super gute Freundin – vermutlich sogar die beste die ich jemals hatte – aber mehr? Nein. Mehr fühlte ich nicht für sie.

Der Zug kam an und Mara und ich erhoben uns gleichzeitig, um einzusteigen. Kurz blickten wir uns an, aber sofort wieder weg und betraten den Zug. Trotz allem blockierten wir zu zweit einen Vierer, sie einen Platz versetzt gegenüber von mir. Ich stellte auf meinem Handy einen Wecker, damit wir nicht verschliefen, wenn wir aus- und umsteigen mussten. Dann lehnte ich meinen Kopf an die Lehne meines Sitzes und schloss die Augen. Es war schon spät. Und ich war müde.

Es war früher Morgen, als wir in Hamburg ankamen, die Sonne ging gerade erst auf. Es sah schön aus, keine Frage, aber immer noch hatte ich keine Lust, zu fotografieren und außerdem wollte ich lieber schlafen als irgendwas anderes. Mara schien es ähnlich zu gehen, denn auch sie sah die Sonne zwar kurz an, ging aber dennoch weiter. Wir hatten uns gemeinsam für eine Jugendherberge entschieden, als wir im Zug waren. Zu unserem Glück war in der günstigeren laut Internet noch Platz, sie war nicht komplett belegt.

Wir machten uns also auf den Weg dorthin und als wir ankamen bezahlten wir unsere Zimmer. Zwei Zimmer. Mara in einem 6-Mann-Zimmer und ich in einem 4-Mann-Zimmer. Wir liefen schweigend die Treppen hoch und Mara verabschiedete sich in ihrer Etage nur mit einem „Tschüss" von mir. Es verletzte mich, aber ich war auch froh, dass sie mich nicht umarmte, da ich nicht wusste, wie ich hätte reagieren sollen. Eine Etage weiter oben verließ auch ich das Treppenhaus und lief durch den Flur zu meinem Zimmer. Nummer 347. Ich klopfte, bevor ich die Schlüsselkarte vor den Leser hielt und die Tür öffnete.

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