Das Haus, vor dem sie parkte hatte die Größe eines normalen Familienhauses und stach nicht sonderlich aus den darum liegenden Gebäuden hervor. Das schwarze Dach bildete einen starken Kontrast zu den weiß gefärbten Außenwänden des Hauses, während der Vorgarten mit bunten Blumen geschmückt war anstatt wie die beiden Nachbargärten aus Kies bestand. Josefine parkte das Auto in einer Garage und wir beide stiegen aus. Während ich noch den Rucksack aus dem Kofferraum holte, ging sie schon in Richtung Haustür und ich folgte ihr. Sie schloss auf und bedeutete mir, mit hineinzukommen.
„Wärst du so lieb, deine Schuhe auszuziehen?", bat sie mich dann freundlich und sofort kniete ich mich hin und öffnete die Schnürsenkel meiner schwarzen Chucks. Josefine tat es mir gleich, sodass ich schon bald auf ihre weißen Socken sehen konnte.
„Ich zeige dir mal dein Zimmer, wenn es dir Recht ist", meinte sie dann. „Das Bett ist zwar noch nicht bezogen – immerhin haben wir nicht mit Besuch gerechnet – aber es ist sauber und du kannst deine Sachen schon abstellen und frische Luft hineinlassen."
„Danke", bedankte ich mich, teils aus Höflichkeit, aber größten Teils aus purer Dankbarkeit. In meinem bisherigen Leben hatte ich noch nie jemanden getroffen, der einem einfach so, ohne zu zögern, einen Schlafplatz in seinem Haus anbot. Meine Eltern hätten so etwas nie getan und ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es getan hätte. Immerhin könnte ich ein Räuber sein, der stahl oder die Familie bedrohte oder ich könnte sonst etwas vorhaben. Doch Josefine schien das nicht zu denken und ich war ihr sehr dankbar dafür, denn ich hatte nichts in irgendeiner Weise vor, außer hier zu wohnen. Und ich wollte Josefine im Haushalt helfen, denn ich wollte mich nicht den ganzen Tag bedienen lassen und nicht einmal etwas für diese Unterkunft bezahlen, denn dann würde ich mich nur schlecht fühlen.
Hinter Josefine ging ich an der Treppe vorbei zu einer Tür, die sie öffnete. „Es ist nicht sonderlich groß, aber ich hoffe, es gefällt dir trotzdem", sagte sie lächelnd und ich sah an ihr vorbei hinein in das Zimmer. Den größten Teil nahm ein Doppelbett ein, das zwar nicht bezogen war, aber dennoch sehr gemütlich wirkte. Rechts und links daneben war abgesehen von zwei kleinen Nachttischen Freiraum und links waren zwei Fenster in die Wand eingelassen, durch die ich einen guten Blick in den Garten hatte. Dem Bett gegenüber stand ein großer Schrank mit einem Spiegel.
„Fühl dich frei, solange zu bleiben wie du willst. Du darfst in diesem Zimmer alles benutzen, was du brauchst und wenn du irgendetwas nicht findest, frag entweder mich oder meinen Mann oder meine Kinder", sagte Josefine.
„Danke Josefine", bedankte ich mich ein weiteres Mal. „Vielen vielen Dank, dass du mich hier aufgenommen hast, ich würde dir gerne schon sagen, wie lange ich bleibe, damit du dich darauf einstellen kannst, aber ich weiß es leider noch nicht genau."
„Ist doch kein Problem, Schätzchen", sagte Josefine. „Wie gesagt, ich freue mich immer über Besuch und du kannst so lange bleiben, wie du möchtest."
Ich lächelte sie lieb an und unterdrückte das Bedürfnis, mich erneut zu bedanken, auch, wenn ich es gerne getan hätte. Meinen Rucksack ließ ich auf den Boden sinken, zog das Ladekabel für mein Handy heraus und steckte es in die Steckdose, die ich neben meinem Bett entdeckt hatte. Mein Handy schloss ich daran an und legte es auf den Nachttisch, der links neben dem Bett stand. Dann verließ ich das Zimmer und folgte Josefine, die in die Küche ging, die, wie der Rest des Hauses auch, recht modern auf mich wirkte.
„Wir sind erst vor einem Jahr hierhergezogen", erklärte mir Josefine, die meinen fragenden Blick wohl bemerkt hatte. „Wir haben davor in einer kleinen Wohnung gewohnt und uns dort einfach nicht sonderlich wohl gefühlt und haben dann irgendwann beschlossen, neu zu bauen. Die alte Wohnung war einfach sehr klein und wir hatten wenig Platz, außerdem hatten die Kinder öfter mal Probleme mit den Nachbarn bekommen, weil die nicht sonderlich...nett zu Kindern waren."
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Die Suchenden
RomansaNach der Schule bricht sie von zuhause aus. Eine Reise durch Deutschland beginnt - durch schöne und nicht ganz so schöne Städte, durch Berge und an der Küste entlang, durch bekannte Großstädte und unbekannte kleine Dörfer. Immer mit einem Ziel: ein...