Kapitel 27

211 25 3
                                    

„Salina?", meldete sie sich, ohne überhaupt ihren Namen zu nennen. Sie wusste, dass ich wusste, dass sie es war. Ihre Stimme klang seltsam verzehrt durch den Lautsprecher in mein Ohr, dennoch meinte ich zu hören, dass sie müde und erschöpft war.

„Mara", flüsterte ich zurück. „Gott, Mara, es tut mir so leid. Ich hätte dich nicht einfach so zurücklassen sollen und es tut mir so leid, dass ich es getan habe, aber ich..."

„Warum hast du das getan?", fragte Mara mich. „Was habe ich getan? Denn was auch immer es ist, ich werde er versuchen, zu ändern."

„Du hast gar nichts getan, hör sofort auf, dir das einzureden. Du bist der tollste Mensch, den die ganze Welt je gesehen hat und du kannst nichts dafür, dass ich weggefahren bin. Das ganze ist auf meinen Mist gewachsen also trage ich auch die Verantwortung und die Schuld dafür", sagte ich sofort.

„Aber warum bist du dann abgehauen?"

„Weil mir meine eigenen Gefühle und Gedanken Angst gemacht haben", antwortete ich ihr leise. „Ich hatte das Gefühl, dass ich mich nicht an eine Person binden darf, weil ich dann meine eigentliche Suche aus den Augen verliere. Aber ich glaube, ich habe gefunden, wonach ich gesucht habe."

„Was meinst du damit?", fragte Mara mich.

„Lass mich dir das persönlich sagen, nicht über das Telefon", bat ich sie.

„Das heißt, du willst mich wiedertreffen?", fragte Mara mich und ich bildete mir ein, so etwas wie Hoffnung in ihrer Stimme zu hören.

„Ja, Mara", sagte ich. „Ja, das will ich. Vorausgesetzt du willst noch etwas mit mir zu tun haben, nachdem was ich getan habe."

„Natürlich will ich", sagte sie sofort. „Gott, natürlich will ich das, Salina. Du glaubst gar nicht, wie langweilig es ohne dich war. Ich bin noch zwei ganze Tage in Cuxhaven geblieben, in der Hoffnung, dass du wiederkommst, aber du kamst nicht, also bin ich auch weitergezogen. Und habe mir ein Zimmer in einem Kaff namens Ocholt genommen. Ich schwöre dir, dass es hier nichts gibt, abgesehen von der Jugendherberge, in der ich bin."

„In Ocholt?", hakte ich nach und überlegte, warum mir der Name etwas sagte. „Nein oder?"

„Doch", sagte sie. „Du kennst das?"

„Ich wollte da aussteigen", stellte ich fest. „Meine Güte Mara, wir haben uns gerade eben verpasst."

„Echt?", fragte sie begeistert und dann lachten wir beide. „Das ist ja cool."

„Ja", bestätigte ich und dann war es eine Weile einfach nur still zwischen uns. Aber es war schön. Angenehm. Ich hatte ein Lächeln auf meinem Gesicht.

„Was hältst du davon, wenn wir uns morgen in Norddeich treffen?", fragte Mara mich. „Dahin gibt es eine direkte Zugverbindung von hier aus und außerdem wollte ich da schon immer mal hin."

„Klingt gut", antwortete ich ihr. „Ich vermisse dich Mara."

„Ich vermisse dich auch, Salina. Aber es ist nur noch eine Nacht."

„Ja, nur noch eine Nacht", bestätigte ich.

„Bis morgen, Salina."

„Bis morgen, Mara."



Da Mara und ich keine Zeit abgemacht hatten, wann wir uns in Norddeich treffen wollten, fuhr ich einfach los, sobald ich aufgewacht war – was erstaunlich früh dafür war, dass ich eigentlich müde war – meine Sachen gepackt und gefrühstückt hatte und natürlich mich von Bob verabschiedet, der mich zum Bahnhof gebracht hatte, wieder in seiner Anzug-Dreadlocks-Kombination.

Die SuchendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt