Kapitel 20

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Der am Abend vorher von mir gestellte Wecker klingelte pünktlich um halb zehn und brachte mich dazu, aufzuwachen. Meine Laune war am Nullpunkt angelangt und ich fragte mich, was zur Hölle mich am gestrigen Tag dazu getrieben hatte, den Wecker zu stellen. Genervt stellte den Wecker aus und drehte mich dann weg von dem Zimmerinneren und zur Wand hin. Doch meine Augen zwang ich dazu, aufzubleiben.

Ich vermisste Mara, die mich jetzt wieder ausgelacht hätte, weil ich immer noch schlafen wollte. Ich vermisste ihr Lachen, ihre Stimme und generell sie. Weil ich wusste, dass wir zusammen mehr Spaß hatten als alleine. Weil generell alles mehr Spaß machte, wenn man nicht alleine war.

Trotzdem stand ich eine halbe Stunde später gähnend auf uns streckte mich ausgiebig. An die Dunkelheit hatten sich meine Augen längst gewöhnt und so bemerkte ich die anderen drei, die alle noch schliefen. Anscheinend war ihnen der Wecker ziemlich egal gewesen. Die Glücklichen.

Nur mit meinem Handy in der Hand schlurfte ich zu meinem Schrank und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Ich überlegte kurz, was ich anziehen wollte, ging dann zu dem Fenster und zog den dunklen Vorhang ein wenig nach vorne, sodass ich die strahlende Sonne sehen konnte. Es würde also warm werden. Ich entschied mich für eine kurze Hose und ein schlichtes schwarzes Top, band mir dann meine Haare zu einem Pferdeschwanz, schlüpfte in meine Chucks und verließ leise das Zimmer, darauf bedacht, die anderen nicht doch noch zu wecken.

Im Flur angekommen wusste ich dann doch nicht so genau, was ich machen sollte. Ich hatte Hunger, aber ich hatte mir erst gestern geschworen,nicht mehr alleine essen zu gehen. Vielleicht konnte ich mir einfach beim Bäcker ein Brötchen holen und dann weiter irgendwohin fahren. Da ich nicht wusste, wo ich hin sollte, zog ich mein Handy wieder aus der Hosentasche und googelte. Natürlich, ich war in Hamburg und deshalb wäre eine Hafenrundfahrt naheliegend, aber das wollte ich nicht alleine machen. Generell wollte ich nichts alleine machen. Vielleicht sollte ich heute Abend mit Mara reden. Ich vermisste sie und den Spaß den wir miteinander hatten. Und es kam mir albern vor, nicht mehr miteinander zu reden, nur wegen eines Kusses. Das war es einfach nicht wert. Vielleicht sollte ich jetzt schon zu ihr gehen. Aber nein, sie war bestimmt nicht da. Mara war kein Mensch, der einfach in seinem Zimmer saß und nichts tat. Besonders nicht morgens. Bestimmt war sie nach dem Joggen kurz in der Jugendherberge gewesen und dann direkt wieder aufgebrochen, um etwas zu unternehmen. Etwas anderes konnte ich mir bei ihr nicht vorstellen. Das wollte ich auch gar nicht. Außerdem musste ich erst etwas essen, bevor ich mich ihr entgegenstellen konnte. Und auch erst etwas wacher sein. Also steckte ich mein Handy wieder ein, ohne das es mir Ergebnisse geben konnte, lief zur Rezeption und fragte nach einer Bäckerei in der Nähe, die wirklich nah war, nur eine Straßenecke weiter. Und da ich sowieso schon an der Rezeption stand und nichts los war fragte ich den Rezeptionisten direkt auch, was ich denn machen könnte. Natürlich schlug er mir eine Hafenrundfahrt vor, aber auch einige Viertel, in denen man gut etwas unternehmen konnte.

Ich bedankte mich bei ihm und verließ dann die Jugendherberge. In der Bäckerei kaufte ich mir ein Brötchen mit Salami und eine Flasche Apfelschorle, dann lief ich entspannt zur S-Bahn. Mit dieser fuhr ich dann in Richtung Kunsthalle.


Es war reiner Zufall, dass Mara und ich gleichzeitig im Treppenhaus waren. Und beide einen Salat aus einem Lebensmittelgeschäft in unserer Hand hatten. Dennoch beschloss ich, dass es zwar noch nicht Abend war, aber dass ich trotzdem mit ihr reden musste. So ging das nicht weiter. Wir hatten sowieso schon getrennte Zimmer und sahen uns dadurch nachts nicht. Aber tagsüber auch noch? Nein.

„Mara, warte mal", sagte ich also laut und sie drehte sich erschrocken zu mir um.

„Wir müssen reden", sagten wir dann unisono und unter anderen Umständen hätte mir das ein Lächeln auf mein Gesicht getrieben, aber im Moment sahen wir uns einfach nur ernst an.

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