Kapitel 10

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In der Nacht lag ich noch lange wach und dachte nach, bevor ich irgendwann endlich eingeschlafen war. Und als ich dann endlich schlief, dauerte dieser Schlaf nicht lange.

Das erste, das ich spürte, als ich aufwachte, waren die Tränen, die mein Gesicht benässten und meine Augen, die schwerer als sonst zu öffnen waren und die von den Tränen verklebt waren. Im Bruchteil einer Sekunde war mein Oberkörper nach vorne geschellt und meine Hände stützte ich hinter mir ab, um nicht wieder zurückzusinken, jedoch gab mir das nicht den Halt, den ich mir erhofft hatte, da sie sehr stark zitterten. Ich schnappte nach Luft, während mir weiter Tränen aus den Augen flossen und legte mich dann vorsichtig wieder auf den Rücken, als ich bemerkte, dass ich mein Körpergewicht mit meinen Händen nicht halten konnte. Meine Beine zog ich eng an meinen Körper und schlang meine Arme darum. Ein lautes Schluchzen entwich meinem Mund und sofort hielt ich mir eine Hand davor, um nicht zu sehr aufzufallen und richtete mich wieder auf, da ich nicht einfach so da liegen konnte. Es war mir schon immer schwergefallen, wenn mich etwas beschäftigte, still dazuliegen und mich nicht zu bewegen.

„Salina?",hörte ich die verschlafene Stimme von Mara, doch statt ihr zu antworten, weinte ich einfach still weiter. Jedenfalls versuchte ich, still zu weinen, was jedoch spätestens nach dem nächsten Schluchzer auch zu spät war. Zitternd zog ich meine Beine wieder an meinen Oberkörper und wiegte mich vor und zurück.

„Ist alles okay?", fragte Mara mich und dieses Mal antwortete ich, da ich wusste, dass sie sowieso wusste, dass ich wach war.

„Ich weiß nicht", flüsterte ich. Meine Stimme klang kraftlos in meinen Ohren und schwach. Weitere Schluchzer entwichen mir und ich biss mir auf meine Hand, um diese zu verbergen.

Ich hörte, wie Mara ihre Bettdecke zurückschlug und aus ihrem Bett stieg. Tapsend kam sie zu meinem Bett herüber und stieg die Leiter zu mir hoch.

„Rück mal ein Stück", sagte sie sanft und ich hievte mich in Richtung Wand, die Arme immer noch um meine angezogenen Beine geschlungen. Die Matratze sank ein Stück ein, als Mara sich auf das Bett setzte, dann zu mir rüber rutschte und einfach ihre Arme um mich schlang. Wie ein Ertrinkender sich an einen Rettungsring klammern würde, klammerte ich mich an Mara und hielt meine Beine nun nicht mehr fest, stattdessen hielt ich sie. Sanft beförderte Mara uns beide in eine liegende Position und so lagen wir nun aneinandergepresst in meinem Bett und ich weinte in ihr T-Shirt. Mein Körper wurde immer wieder von neuen Schluchzern geschüttelt, während sie mich einfach nur festhielt. Wir wechselten kein einziges Wort, sie hielt mich einfach nur fest und ich klammerte mich einfach nur an sie und es half doch mehr, als ich es jemals für möglich gehalten hatte. Nicht immer waren tröstende Worte das, was man brauchte, die meiste Zeit reichten einfache Taten. Taten, die für andere Menschen vielleicht gewöhnlich und durchschnittlich waren, ohne die man aber kaputt ging und die man nicht missen wollte und konnte.

Langsam wurde ich leiser und meine Schluchzer immer weniger, bis sie schließlich ganz aufhörten. Mara löste ihre Arme nicht von mir und ich war ihr dankbar dafür. Ich brauchte sie in diesem Moment. Mehr als ich zugeben wollte und mehr als mit lieb war.

„Mir geht es manchmal einfach schlecht", flüsterte ich, weil ich das Bedürfnis hatte, ihr meinen Ausrutscher zu erklären.

„Du musst nichts erklären", flüsterte Mara sanft.

„Ich will aber", flüsterte ich zurück und hob mein Gesicht, so, dass wir uns angucken konnten. „Was genau die Auslöser sind weiß ich nicht, aber ich fühle mich in den Momenten einsam und als würde ich nicht hierher gehören. Als müsse irgendwas anders gemacht werden. Als müsse ich mich ändern, um allen anderen zu gefallen, in dem Wissen, dass ich, egal wie sehr ich mich verändere, nicht von allen gemocht werde, aber trotzdem will ich es. Ich will abnehmen und gleichzeitig essen. Ich will nicht egoistisch sein und gleichzeitig will ich, dass man für mich da ist und mir zuhört. Ich will nicht eifersüchtig sein und bin es gleichzeitig. Ich will nicht, dass sich jemand Sorgen um mich macht und gleichzeitig will ich genau das. Ich will keinen mit meinen Problemen belasten, weil sie unbedeutend sind aber gleichzeitig sind sie für mich eben nicht unbedeutend. Ich will nicht, dass andere Menschen mich auslachen, ach keine Ahnung was ich alles will aber manchmal überkommen mich diese Selbstzweifel und ich weiß nicht genau, wie ich damit umgehen soll und ich weiß auch nicht, was ich in diesen Momenten brauche und haben will."

Die SuchendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt