Kapitel 22

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„Es ist schon spät", sagte Mara. „Wir sollten langsam zurück gehen, ich glaube, das mit dem Schweinswal wird heute nichts mehr, aber vielleicht ja morgen."

„Dann lass uns zurück gehen", stimmte ich ihr zu. „Aber vorher gehen wir noch was essen, ich habe Hunger."

„Was wollen wir denn essen?", fragte Mara mich.

„Fisch", bestimmte ich. „Wenn wir schon an der Nordsee sind, dann Fisch."

„Okay", meinte Mara. „Dann lass uns das nächste Restaurant mit Fisch suchen, das wird wohl nicht so ein großes Problem sein wie das mit der Eisdiele."

Ich grinste nur. „Freue dich nicht zu früh."

„Jaja."

Die Sonne war hinter einigen Wolken verschwunden und auch der Wind war stärker geworden, weshalb ich froh war, dass wir den Strand verließen und durch die Innenstadt gingen. Es war dort hoffentlich windgeschützter. Ich hatte keine Jacke dabei und mir war ziemlich kalt. Der Wind traf durchgehend auf meine nackten Arme und Beine und ich freute mich auf die Wärme des Restaurants und der Jugendherberge.

„Ist dir kalt?", fragte Mara mich, als sie auf meine Arme sah, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte.

„Ein bisschen", gab ich zu.

„Hier, nimm meine Jacke", sagte sie nach kurzem Zögern, band ihre Jacke von ihrer Hüfte und drückte sie mir in die Hand. „Mir ist nicht kalt und dir schon, also was solls."

„Danke", sagte ich und nahm die Jacke an mich, um sie mir anzuziehen. Sie war schwarz und mir viel zu groß. Zum einen lag das an Maras Größe, klar, sie war um einiges größer als ich, zum anderen lag das aber auch daran, dass Mara ihre Sachen gerne eine Größe zu groß kaufte, um ihren Körper zu verstecken. Sie war warm und kuschelig und der größte Vorteil war natürlich, dass sie den Wind davon abhielt, meine Haut zu berühren. Außerdem roch sie gut. Nach dem Waschpulver, das Mara und ich beim Waschen in Berlin benutzt hatten und nach Mara selber. Sie roch gut und ich konnte es nicht lassen den Geruch in mich einzusaugen, als ich mich in ihr einkuschelte.

„Wie schaffst du es, in einer Jacke, die länger ist als dein Kleid und dir vermutlich fünf Größen zu groß ist, immer noch gut auszusehen", fragte mich Mara mit einem Lächeln auf ihren Lippen.

„Keine Ahnung", meinte ich schulterzuckend. „Ist halt einfach passiert."

Sie grinste nur kopfschüttelnd und griff dann wieder nach meiner Hand. Ein Wunder, dass sie das überhaupt schaffte, so riesig wie die Jacke war.

„Ist dir denn wenigstens wärmer?", fragte sie mich dann und ich nickte. Ich hatte das Gefühl, Mara noch nie so nah gewesen zu sein. Ihr Geruch war durchgehend in meiner Nase und ihre Hand in meiner wärmte mein komplettes Inneres auf. Es war ein schönes Gefühl, durch die Straßen einer fremden Stadt zu gehen und doch jemanden dabeizuhaben, der nicht fremd war. Der einen begleitete. Vielleicht sogar ein Stück weit zuhause war.

„Das Restaurant sieht nett aus", meinte Mara und deutete auf ein Gebäude rechts von uns.

„Dann auf zur Speisekarte", sagte ich und wir gingen zu dem Eingang, neben dem in einem Glaskasten die Speisekarte präsentiert wurde.

„Fangfrischer Fisch", sagte Mara und deutete auf die Stelle, an der sie das gefunden hatte. „Klingt nach dem, was wir suchen, oder nicht?"

„Ja", meinte ich. „Komm, wir gehen da jetzt rein, bevor wir uns doch noch anders entscheiden."

„Okay", sagte Mara und wir öffneten die Tür, die uns in das Restaurant führte, aus dem uns direkt warme Luft entgegen strömte.

Das erste, das ich bemerkte war der warme, weiche Untergrund, auf dem ich lag. Es war kein Bett, das wusste ich noch in der gleichen Sekunde, in der ich ihn realisierte. Dafür schmiegte er sich meinem Körper zu perfekt an. Das zweite, das mir auffiel, war der warme Wind, der mir über das Gesicht strich und an meiner Nase kitzelte. Erschrocken nieste ich. Erst einmal, dann zweimal. Und dann öffnete ich vorsichtig meine Augen. Etwas helles schien mir genau in die Augen und blendete mich. Sofort schlossen sich meine Augen wieder. Ich hob eine Hand vor mein Gesicht und öffnete meine Augen erneut. Durch meine Finger lugte ich nach oben, um zu sehen, dass es die Sonne war, die mich aufgeweckt hatte. Doch etwas war komisch. Warum weckte mich die Sonne, wenn am Himmel alles voll mit Sternen war? Auch der Himmel passte nicht in das Bild hinein, das sich mir bot. Zwar war er blau, aber viel zu hell. Als wäre er mit mehr Wasser als Wasserfarbe gemalt worden. Merkwürdig.

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