19 - Alte Erinnerungen

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Müde stemme ich mich wieder von der Kiste, als ich Latifs flattern höre. Er hat das Haus tatsächlich gefunden, es ist ganz in der Nähe.

Sanft landet er auf meiner Schulter und pickt in mein Ohr, während ich die Straßen entlanggehe. Immer wieder korrigiert er mich, als ich in falsche Richtungen laufe und wir kommen schlussendlich an. Es liegt am Rande des Viertels, ein kleines unscheinbares Haus, welches überwuchert ist von Efeuranken. Es sieht ganz deutlich verlassen aus, der Vorgarten ist verwildert und der hintere wird nicht anders aussehen. Der hölzerne Zaun ist an vielen Stellen durchlöchert, zerbrochen oder fehlt gänzlich. Unter dem Gestrüpp erkenne ich noch leicht den damals angelegten Kräutergarten, doch dieser ist völlig überwuchert. Leise fragt mich Latif ob es das gesuchte Haus ist und ich nicke leicht.

Ja das ist es tatsächlich.

Langsam schreite ich darauf zu und öffne die leise knarzende Tür. Sie ist nicht verschlossen und das Holz scheint schon morsch zu sein. Schnell schließe ich sie wieder und schaue in das dunkle Haus. Nur der Mond scheint hinein und beleuchtet leicht die Möbel. Kurz sehe ich mich um und muss leicht lächeln als ich die Kerzen immer noch auf demselben hohen Tisch stehen wie damals. Sie hatte die Kerzen immer aus meiner Reichweite gehalten. Doch nun bin ich groß genug.

Schnell nehme ich diese und zünde mehrere an. Sanft flackert das Licht und erleuchtet den Raum. Eine dicke Staubschicht liegt über allen Möbeln und es sieht so aus, als ob lange niemand hier war. Bedacht gehe ich in das Haus. So viele Erinnerungen liegen hier, dass es mir leicht den Hals zu schnürt. Es steht immer noch alles so wie früher, der Kerzen Tisch neben der Tür, links an der Treppe der kleine Kaminofen und geradezu die kleine Küche mit einem großen Esstisch, daneben die Tür zum hinteren Garten.

Tief atme ich die kalte Luft ein und schaue zu Latif der sich auf den Esstisch hockt. Ich lasse den Wohnbereich hinter mir und steige die knarzende Treppe hinauf, langsam und vorsichtig, denn viele Stufen sind morsch. Zwei Türen führen in mein altes Zimmer und in das meiner Mutter. Mit einem Kloß im Hals öffne ich die Tür meiner Mutter und trete ein. Ein mittelgroßes Bett steht direkt unter dem Fenster gegenüber der Tür und ein großer Schreibtisch links von der Tür. Der Tisch ist ein Chaos, er wurde anscheinend mehrmals durchsucht. Nur ihre alte Kette liegt noch auf dem Schreibtisch, ein Lederband mit einem kleinen Rabenanhänger den ich kurzer Hand an mich nehme. Als ich näher trete, knirscht Pergament unter meinen Schuhen, ein einsames Blatt liegt auf dem Boden. Sobald ich die Kette sicher um meinen Hals gebunden habe sehe ich mir das Pergament genauer an. Das Papier ist alt und verstaubt. Die fein säuberliche Handschrift meiner Mutter schaut mir entgegen. Langsam setze ich mich auf den Stuhl und beginne zu lesen.

Meine liebe Xea

Es tut mir leid. Das ich nicht bei dir sein kann und dich so früh verlasse. Dass du nicht in einer normalen Familie aufgewachsen bist und noch so vieles mehr. Wenn du diesen Brief liest werde ich schon lange nicht mehr da sein und du bist bei deinem Großvater Ashiq. Ich hoffe der alte Schwerenöter behandelt dich gut! Aber das wird er, immerhin bin ich ja auch nicht verraten geworden. Doch lass mich erklären, warum es kommen musste, wie es kam. Ich bin krank, meine Kleine und ich werde mich davon nicht erholen. Und deswegen schreibe ich dir diesen Brief, den dir Ash geben soll. Ich werde dir vieles erklären, doch wo soll ich nur anfangen?

Nehmen wir das wichtigste zuerst. Dein Vater ist der Lord von Rabenstein und ein Namensgeber. Du hast mich so oft nach ihm gefragt und nie konnte ich dir antworten. Du warst noch so jung. Und ja, ich habe ihn geliebt, doch bevor er zu dem geworden ist, was er heute ist. Er ist kein schlechter Mann, wirklich nicht. Auch einen Bruder hast du, er lebt mit deinem Vater. Doch du wirst sie wahrscheinlich nie kennen lernen.

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