23 - Die Entscheidung

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Zaghaft setze ich den Stift auf das weiße Papier und ziehe die erste Linie. Tief atme ich durch und setze weitere Linien dazu, mehrere folgen denen und langsam ergibt es ein Bild. Ruhig zeichne ich weiter und lausche den Klängen des Waldes, dem Wind und den Raben. Auch die Wachen auf der Wehrmauer kann ich laufen hören, immerhin habe ich mir einen Baum direkt in der Nähe der Mauer ausgesucht. Die Raben berichten mir über den Zustand der Stadt und viele berichten mir erneut von der Hinrichtung, was geschah, nachdem Ero mich fortgebracht hatte. Stumm höre ich ihnen zu und lasse sie wieder fliegen, stelle ihnen keine Fragen. Das Bild wird größer und die Züge werden vertrauter. Owen lächelt mir von dem Bild entgegen und seufzend lege ich den Stift wieder zurück in meine Tasche. Langsam schließe ich das Buch wieder und schaue hinunter zu der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Ich werde einige Zeit fort sein. Ein komisches Gefühl, wo ich doch dachte diese Stadt niemals zu verlassen. Doch ich habe mich entschieden, ich will kämpfen, und zwar richtig. Und dafür muss ich lernen, aber nicht hier. Ich werde die Welt bereisen, die anderen Städte besuchen und dort lernen. Und ich werde alleine gehen. Nur wissen es die anderen noch nicht und beide werden mir einen Vortrag halten. Genervt seufze ich und sehe hoch in den wolkenverhangenen Himmel. Es wird bestimmt noch weiter schneien, der Winter hat uns fest in seinem Griff. Ich werde noch morgen aufbrechen, sonst kann ich es vergessen hier fortzukommen. Aber ohne ein Wort an die anderen werde ich nicht gehen, heute Abend sage ich es ihnen, das habe ich mir fest vorgenommen. Dennoch graust es mir davor.

Kopfschüttelnd verstaue ich auch das Buch wieder in meiner Tasche und stehe auf. Wenn ich wirklich morgen los will benötige ich noch einige Dinge aus der Stadt. Eine Karte zum Beispiel und auch einen wärmeren Mantel.

Entschlossen schwinge ich meine Beine wieder über den Ast und springe runter in den Schnee.

Der Wachwechsel findet gleich statt und ich kann durch die Tür huschen, ohne dass sie mich bemerken. Am Rande des Waldes warte ich kurz und lausche, ehe ich schnell zu der Tür renne und in den dunklen Gang trete. Anscheinend hat sich keiner mehr die Mühe gemacht diese Tür zu verschließen.

Sicherer als die anderen Male gehe ich durch die Dunkelheit, dennoch habe ich einen Arm ausgestreckt und fahre damit an der Wand entlang. Sicher ist sicher. Als ich bei der Tür ankomme, lausche ich zur Vorsicht nochmal und kann keine Schritte hören. Schnell schlüpfe ich durch die Tür ins freie und begebe mich sofort in eine der Nebengassen, meine Kapuze fest auf meinen Kopf. Leise höre ich das Rufen von Latif, der weit über mir fliegt und Ausschau hält. Kurz sehe ich zu ihm hinauf, es muss schön sein fliegen zu können.

Zielstrebig gehe ich weiter und vermeide die Hauptstraßen, denn laut Latif sind die Wachen wieder aktiv, was die Suche betrifft. Ich muss mich vorsehen, nur schnell die Sachen kaufen gehen und wieder verschwinden. Leute die mir entgegen kommen beachten mich nicht, viele sehen müde und abgekämpft aus, wie so viele in diesem Viertel zu dem ich auch gehört habe. Ich wandle durch vertraute Gassen und sehe sogar ab und an vertraute Gesichter. Mit schwerem Herzen sehe ich andere Diebe die schlimm aussehen, abgemagert und dreckig am ganzen Körper. Ich hingegen bin sauber und genährt. Nur weil ich gesucht wurde, wo ist das bitte fair. Aber sowas wie Fairness gibt es nicht, das muss ich mir selbst wieder in den Kopf rufen. Schnell gehe ich weiter und erreiche den vollen Markt. Erleichtert merke ich, das es nur wenige Wachen hier unten gibt, fast niemand will diesen Wachposten übernehmen.

Rasch gehe ich meine Liste erneut durch, eine Karte, einen dicken Umhang und unverderbliche Lebensmittel benötige ich auf jedenfalls. Ein kalter Windstoß fährt durch meine Kleidung und lässt mich schaudern. Vielleicht also auch noch ein paar wärmere Tuniken, auch wenn es woanders bestimmt wärmer sein wird als hier in Rabenstein. Doch hier werde ich höchstens die Lebensmittel finden, warme Kleidung ist Mangelware und eine genaue Karte werde ich wohl auch nicht finden. In die höheren Märkte kann ich allerdings nicht gehen, die Eingänge werden bewacht und kontrolliert.

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