Kapitel 1

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Mein Wecker klingelte um 5:30 Uhr. Ich blinzelte und nach mehreren Versuchen, meine brennenden Augen offen zu halten, stand ich auf, um das Fenster zu öffnen, denn die stickige Luft im Zimmer war kaum auszuhalten. Leider stellte ich fest, dass es draußen nicht viel angenehmer war und ich wartete ein paar Sekunden verzweifelt auf eine kühle Briese, die dann doch nie kam.

Mich konnte am Morgen ziemlich viel reizen, so konnte mir selbst ein nichtkommender Windzug schlechte Laune bereiten, was bei meinen Eltern eindeutig nicht der Fall war. Sie rannten hektisch vom Wohnzimmer zur Küche und wieder zurück und sangen dabei einige Verse einer Rockballade, die aus dem Radio dröhnte.

„Bist du auch mal wach", lächelte meine Mutter und schob ein Tablett, das sehr dekorativ auf dem Tisch stand, ein Stück in meine Richtung, um mir stolz zu demonstrieren, was für ein Luxus ich heute Morgen schon erleben durfte.

Ehrlich gesagt, sah das Frühstück echt ansprechend aus. Eine Schüssel Erdbeeren, dazu eine kleinere mit Nutella und 2 Toastbrote beschmiert mit Mamas selbstgemachter Lieblingsmarmelade.

Ich bedankte mich und setzte mich mit einem, meiner Meinung nach, zu aufgesetzten und ironischen Lächeln auf einen der Thekenhocker. Ich hatte nämlich überhaupt keinen Hunger. Stattdessen hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, als ob ich mich jeden Moment übergeben müsste, obwohl der Inhalt dazu fehlte, denn ich konnte mich kaum noch erinnern, wann ich das letzte Mal was gegessen hatte. Vielleicht lag es auch einfach an der Uhrzeit. Ich war noch nie morgens dazu in der Lage, mein Gehirn großartig anstrengen zu können und erst Recht nicht irgendwelche Fragen von neugierigen Müttern zu beantworten. Mein Vater hielt sich da zu meinem Vorteil galant raus.

„Und? Bist du schon sehr aufgeregt", hakte meine Mutter gerade nach, als mir einfiel, dass das letzte, was ich gegessen hab, eine Chipstüte am gestrigen Abend war.

„Es geht", sagte ich und ich hielt es für die beste Antwort, da ich mir nicht vorstellen könnte, was man darauf noch fragen könnte.

Tatsächlich erklärte sie mir nur nochmal den Schulweg und die Namen meiner Lehrer.

„Wenn du nicht weißt, wo du hin musst, gehst du ins Sekretariat, ok? Das ist gleich in der Schulaula, ach, du siehst das schon, wenn du reinkommst." Nervös ging sie die Liste durch, wo alle wichtigen Sachen für meine neue Schule draufstanden. Vielleicht war ja auch das der Grund für meine Übelkeit. Das hört sich um einiges glaubwürdiger an, denn je wacher ich wurde, desto klarer wurde mir, dass ich gestern alles andere als wenig gegessen hatte.

„Ja, Mama, ich komm schon zurecht."

Mein Vater streckte den Kopf hinter der Zeitung vor und lächelte mich ermutigend an. „Ich bin mir sicher, du wirst mehr Freunde als auf deiner alten Schule finden."

Meine Mutter setzte ihre Kaffeetasse mit einem ermahnenden Blick ab und legte mir mitleidig ihre Hand auf die Schulter. Sie dachte immer noch, es hätte mir etwas ausgemacht, nicht beliebt zu sein und vier Jahre mit einem, nennen wir es korpulenten Nerd abgehängt zu haben. Sie hatte also plötzlich die Idee, ein neues Leben für mich anzufangen, indem wir in eine neue Stadt ziehen, von der ich bis jetzt nicht viel zu sehen bekommen hab, obwohl ich ihr klipp und klar erklärt hatte, mir sei es egal.

„Ja, ich denke auch, dass ich viele, neue Leute kennenlernen werde", sagte ich und biss zufrieden in mein Toast mit der Tatsache, meine Mutter so beruhigen zu können.

Mein Vater stand seufzend auf, legte seine Zeitung auf den anderen Stapel Prospekten und klopfte mir auf die Schulter. „Komm, ich bring dich."

„Nein, nein, das ist echt nicht nötig, ich weiß mit welchem Bus ich fahren muss", entgegnete ich.

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt