Kapitel 45

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Die Lehrer hatten ein kleines Lokal in der Nähe vom Strand ausgesucht und nachdem wir fertig gegessen hatten, standen unsere Reisebusse auf dem riesigen Parkplatz vor uns.

Melancholisch atmete ich die frische Meeresluft ein.

"Will nicht weg", seufzte Rehava.

"Wer will das schon?" Herr Kolsten klopfte ihm lachend auf die Schulter.

"Ey, das ist mein Ding", entgegnete er drohend und nahm zwei kichernden Mädchen die Koffer ab, um sie in den Kofferraum zu schleppen.

Herr Kolsten guckte mich fragend an, aber ich hatte keine Lust Rehavas Schulter-Klopf-Ding zu erklären, also machte ich ein ratloses Gesicht und stieg in den Bus.

"Bevor wir losfahren, möchte ich mich bei euch bedanken. Das war echt eine erfolgreiche Woche und ich bin froh, dass alle noch leben..." Herr Fahreners Stimme dröhnte durch die Lautsprecher des Busses und Faruk verdrehte genervt die Augen. "Auch das noch..."

"Jedenfalls freuen wir uns, dass alles geklappt hat und freue mich auf ein neues und lehrreiches Schuljahr mit euch."

Damit beendete er seine Rede und manche Schüler klatschten, was ich nicht verstand.

Sehnsüchtig lehnte ich mich an das Fenster, als wir das letzte Mal an dem Meer vorbeifuhren.

Rehava holte seine Musikbox aus dem Rucksack und drehte voll auf, worauf ich mich wunderte, warum keiner sich beschwerte.

Während Faruk laut zu deutschem Rap mitsang (was wirklich, wirklich schrecklich klang), beugte ich mich hin und wieder zu Violetta, um sie zu küssen und ich schämte mich, ein so schlechter Freund zu sein und dass, obwohl ich schon wusste, was dabei rauskommt.

Nach zwei Stunden lief immer noch Musik und ich hatte gelangweilt meinen Sitz so weit zurückgelehnt, dass ich mit dem Kopf schon fast auf dem Schoß von dem, der hinter mir saß, lag (Der sich übrigens auch nicht beschwerte).

Neben mir hörte ich das Zischen eines Feuerzeuges und kurz darauf stieß mir der Tabakgeruch in die Nase. Erschrocken setzte ich mich auf und starrte Rehava entgeistert an.

"Passiert doch nichts", murmelte er und ließ die Zigarette bemerkenswert lange im Mund, während er auf seinem Handy ein neues Lied aussuchte, wobei ich schon bei einem Zug anfange wie ein 80-jähriger Kettenraucher zu husten.

"Sei ein guter Freund", lächelte Violetta und schnappte sich eine Zigarette aus seiner Schachtel, worauf sie den Todesblick ihres Lebens bekam.

Fassungslos drehten sich die Schüler vor uns um, sobald sie den Rauch bemerkten.

"Ich brauch kein Champagner, Bruder, ich brauch nur ne Hantelbank!", sang Faruk schreiend und lenkte noch mehr Aufmerksamkeit auf uns.

Violetta öffnete ihre fünfte Flasche Mountain Dew und noch nie hatte ich mich in dieser Gruppe so wohl gefühlt wie in dem Moment.

Na klar, irgendwie passte ich da nicht ganz rein. Ich rauchte nicht im Bus und weder rappte ich der Klasse was vor, noch schüttete ich meinen Körper mit Energiedrinks voll.

Aber ich hatte ne Menge Spaß und es schien so, als sei ich der einzige, der diesen Moment genoss, die anderen waren das wahrscheinlich gewohnt. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele geile Momente die schon ohne mich erlebt haben müssen und außerdem war das nur ne Kleinigkeit, die nur jemand schätzen konnte, wessen früheres Leben aus Mathe, korpulenten Nerds und Mamas Lasagne bestand.

Nach drei Stunden hielten wir bei einer Raststätte an und hatten 20 Minuten Pause. Wir holten uns ne Menge Burger und Pommes von Mcces, bei denen wir das Gefühl hatten, dass sie für die restliche Fahrt reichen würden.

"Bitch, ich bin Classic, ruf Hallelujah, ich komm aus der Zukunft, back to the future", sang Faruk laut und die Kassierer drehten sich erschrocken zu uns um.

"Du hast echt kein Schamgefühl, oder?" Violetta schubste ihn lachend zur Seite, worauf er den Arm um sie legte und noch eine Lautstärke höher rappte.

Daraufhin bittete uns ein Angestellter zu gehen, sodass wir den Rest der Pause rauchend vor dem Bus verbrachten.

Die ganze Busfahrt verbrachte ich Burger-essend oder schlafend und als Violetta mich wach rüttelte, bogen wir gerade auf dem Parkplatz unserer Schule ein.

Draußen war es stickig warm und unterschied sich nicht stark von den Temperaturen der letzten Woche.

Ich stieg in Rehavas Klapperkiste ein, der freundlicherweise auch Faruk und Violetta mitnahm.

Violetta und Faruk waren die Ersten, die aussteigen musste und so entstand eine peinliche Mischung aus Umarmen und Küssen, wobei wir uns lieber für die Umarmung entschieden.

Was hatte er für ein Glück neben ihr zu wohnen.

"Danke, ne", sagte ich, als wir in meiner Einfahrt hielten.

"Keine Ursache, war ne geile Woche. Komm morgen zu mir, ja?"

"Klar", antwortete ich und klatschte als Verabschiedung in Rehavas Hände.

"Schatz, du bist endlich da", sang meine Mutter aus der Küche und nahm mich in die Arme. "Du meine Güte, was ist passiert?" Sie zeigte erschrocken auf meinen Verband.

"Ach, wie hab ich dich vermisst, mein Schatz und wie braun du geworden bist."

"Ja, Mum, ich dich auch", nuschelte ich in ihren Lavendelduftenden, beigen Strickpulli.

Jetzt kam auch mein Vater dazu, der mir allerdings nur auf den Rücken klopfte.

"Hey, das ist Rehavas Ding" wollte ich sagen, aber sie würden das ja eh nicht verstehen.

"Erzähl schon. Was ist passiert?", drängte meine Mutter und ich sagte, ich sei unglücklich vom Bett gefallen, da ich nicht von meinem Kampf mit den stürmischen Wellen berichten wollte.

"Sorry, aber ich würde mich gerne kurz hinlegen, bin total kaputt. Ich erzähle euch morgen alles", murmelte ich und sie nickten verständnisvoll.

"Ruh dich aus, war bestimmt ne anstrengende Woche", lächelte Mum und küsste meinen Kopf.

"Gute Nacht." Dann verschwand ich in meinem Zimmer und fuhr den Laptop hoch, um nach billigen Wohnungen zu gucken.

Ich schrieb mir drei verschiedene Nummern auf und legte mich dann schlafen.

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt