Der Gang vor unserem Klassenraum war so voll mit Schülern, dass ich fast gar nicht die Treppe zur Aula fand. Ich wurde ein paar Mal gerempelt, bis ich dann endlich in der riesigen Halle stand, wo ich eindeutig mehr Bewegungsfreiheit hatte. Erst dann bemerkte ich, dass Rehava mir gefolgt war, sich neben mich stellte und tief einatmete.
„Weißt du, Glücksfall, die Schule ist schön. Die Schüler sind das Problem." Ich wusste natürlich zu gut, was er meinte. Meine alte Schule bestand nur aus arroganten Mädchen und noch arroganteren Jungs, denen die arroganten Mädchen hinterherliefen. Rehava merkte anscheinend, dass von mir keine Antwort mehr kam, also redete er weiter.
„Natürlich gibt es hier auch nette Menschen. Sehr nette sogar, ich glaube, du wirst viele Freunde haben." Ich lachte.
„Nein, wirklich. Nein."
„Warum nicht?" Statt auf eine Antwort zu warten, erklärte er warum doch. „Leute mögen so Leute wie dich. Du bist zurückhaltend und leise, das macht dich interessant. Ach, was rede ich hier, Ich kenn dich seit einer Stunde. Komm, wir gehen raus."
Der Schulhof bestand aus einer großen Wiese, die brechend voll war, einem Basketballplatz und 5 Tischtennisplatten, die sich aber eher als Sitzplatz zur Verfügung stellten. Rehava steuerte mit mir auf einer dieser Platten zu, auf welcher ein Mädchen und ein Junge saßen.
„Hey, kleiner Mann", rief das Mädchen schon von weitem. Rehava räusperte sich. Anscheinend war ihm seine Körpergröße peinlich. Sie trug eine kurze Jeanshotpan und ein weißes, lockeres Top, welches ihre natürliche Bräune gut betonte. Sie streckte mir die Hand entgegen. „Ich bin Violetta, solange du meinen Namen nicht auf ‚Vio' abkürzt, mag ich dich und wir können gerne Freunde sein." Ich lachte.
„Und ich bin Faruk, mich kannst du nennen, wie du willst, ich mag dich jetzt schon, weil du keine unnötigen Fragen stellst." Noch überrascht davon, von drei Menschen meines Alters gemocht zu werden, forderte er mich dazu auf, mich auch vorzustellen. Das wäre dann schon das dritte Mal heute.
„Ich bin Dylan, äh, ich bin ein Glücksfall."
„Richtig!" Rehava klopfte mir stolz auf den Rücken. „Dylan ist ein Glücksfall, obwohl er von Hamburg auf unsere Schule gekommen ist." ‚Hamburg' betonte er besonders, als sei es ein Wunder von dort hierherzuziehen.
„Das freut mich, Glücksfall!" Violetta lachte und dieses Mal zeigte sie ihre Zähne, die unglaublich weiß und gerade waren. „Wir haben zusammen Englisch", sagte sie. Ich nickte, da mir nichts einfiel, was ich dazu hätte sagen können.
„Wohnst du alleine oder mit deinen Eltern", frage Faruk, während er genüsslich in einen Apfel biss.
„Eltern", antwortete ich.
„'Glücksfall' ist kein Mann der großen Worte", erklärte Rehava.
„Das mag ich", lächelte Violetta und ich strengte mich an, nicht rot zu werden, was mir bei der Hitze ziemlich schwer fiel.
„Jaja, Violetta steht auf geheimnisvolle Jungs, die erst was zu sagen haben, wenn man ihnen näher kommt", lachte Faruk.
„Hast du gehört, Dylan? Hast gute Chancen bei Violetta", flüsterte Rehava.
„Ein weiterer Grund ein Glücksfall zu sein", zwinkerte Faruk und ich hoffte einfach nur, dass das Thema so schnell wie möglich gewechselt wird. Mit Mädchen hatte ich noch nie viel zu tun. Ich brach nichts weiteres als ein ‚Äh' raus.
„Hört auf", lachte sie und zog eine Schachtel Zigaretten aus ihrem geblümten Rucksack, der anscheinend schon einiges hinter sich hatte.
„Darf man hier rauchen", fragte ich.
„Nein, natürlich nicht. Violetta hat sich nur noch nie für Regeln interessiert." Rehava holte nach mehreren Versuchen, Violetta eine Zigarette zu klauen, selber eine Schachtel raus.
„Willst du?" Er hielt mir die weiße Verpackung vor die Nase und der Tabakgeruch schoss mir in die Nase.
„Nein, danke."
„Ich aber", sagte Faruk.
„Kauf dir ne eigene. Bei ‚Glücksfall' ist das was anderes, er ist neu."
„Er wollte aber keine."
„Na und."
„Ja, die Zigarette, die Glücksfall bekommen hätte, aber nicht wollte, könntest du mir geben."
„Könnte", entgegnete Rehava genervt.
Violetta guckte mich lachend an. „Die sind immer so. Du solltest dich dran gewöhnen." Dass ich mich daran gewöhnen sollte, deutete ich so, dass ich ab heute wohl zu ihnen gehören würde und irgendwie war ich froh darüber.
„Jedenfalls...", begann Faruk. „haben wir eigene Wohnungen. Erinnerst du dich? Wir haben darüber am Anfang der Pause geredet, bevor eine gewisse Person mal wieder vom Thema abschweifen musste." Dabei konnte er sich nicht den spöttischen Blick zu Rehava verkneifen.„Also, wenn du Lust hättest heute nach der Schule was zu unternehmen. Kannst jederzeit zu uns kommen. Mit ‚uns' mein ich Violetta und mich. Wir wohnen nämlich nebeneinander." Dann nahm er einen schwarzen Filzstift und schrieb seine Adresse auf das silberne Zigarettenpapier von Violetta.
Ich bedankte mich und versicherte, gegen Nachmittag bei ihm zu sein.
Es war 9:10 Uhr. Die zweite Stunde in einer völlig neuen Schule begann und ich hatte drei Freunde, darunter ein Mädchen (das dazu das wahrscheinlich heißeste Mädchen der Schule ist) und eine Verabredung mit einem Jungen, der neben dem heißesten Mädchen der Schule wohnt. Ich dachte noch eine Weile über mein Glück nach und kam zu dem Entschluss, dass ‚Glücksfall' heute echt ein passender Spitzname für mich war. Die drei letzten Schulstunden zogen sich stark in die Länge und ich zählte die Minuten, bis uns die schrille Klingel endlich vom Unterricht erlöste.
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Violetta
RomanceDylan ist 17 Jahre alt und da seine Eltern meinen, er würde auf seiner Schule in tiefe Depressionen versinken, wenn er nicht bald neue Freunde findet, beschließen sie, sein Leben vollkommen auf den Kopf zu stellen, indem sie umziehen, Dylan die Schu...