Kapitel 27

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„Was soll ich denn machen? Zuhause hocken und einsam meine Lieblingssendung gucken oder was“, brach Faruk nach einigen Minuten das Schweigen.

„Zum Beispiel…“, räusperte sich Violetta und starrte verlegen auf ihren Teller, der reichlich mit Paella gefüllt war.

Ich widmete mich stumm meinen Miesmuscheln und auch Rehava verhielt sich lakonisch.

Faruk sog scharf die warme und feuchte Luft ein.

Er war wütend.

Sehr wütend sogar.

Nach dieser kurzen Zeit, in der ich schon hier war, wusste ich, dass Faruk immer nur für einen kleinen Moment aufgebracht war und er dann nach einigen Minuten wieder ankam, als sei nichts gewesen.

Doch dieses Mal hatte ich nicht die geringste Ahnung, ob er, uns entweder für den Rest des Urlaubs ignoriert, uns jede Paar Sekunden ein schlechtes Gewissen unter die Nase reibt oder er die Sache entspannt unter „Schnee von gestern“ einordnet.

Mein Blick fiel von meinen Miesmuscheln auf Faruks Gesicht.

Sein Kiefer war angespannt und die Wangenknochen kamen (mehr als zuvor) extrem zur Geltung. Die Augenbrauen waren zusammengezogen, sodass sich über ihnen zarte Fältchen bildeten und er hackte mit seiner Gabel in das Lammsteak ein, als müsse er das Lamm noch umbringen.

Er würdigte Violetta nach ihrer Antwort keines Blickes mehr.

Ohja, und wie er wütend war.

Ich machte mich darauf gefasst für den Rest des Urlaubes ignoriert zu werden.

Rehava legte mitleidig den Kopf schief. „Lass dir die schöne Zeit nicht vermiesen, hab Spaß“, sagte er.

Oh…das waren eindeutig die falschen Worte.

Aber Faruk schien es nicht zu provozieren. Er ließ es mit einem abschätzenden Nicken sein.

Der Abend lief nicht gut.

Trotz des wunderschönen Restaurant und dem beachtlichen Essen, schlenderten wir gedämpft und mit ausdruckslosen Mienen nach Hause.

Der salzige Geschmack der Miesmuscheln blieb in meinem Mund zurück, sodass ich am Liebsten mit irgendjemandem über die sagenhaften Kochkünste des Standrestaurants geredet hätte. Es schien mir jedoch als ein unpassender Moment.

Zuhause angekommen, schmiss Faruk sein Rucksack in die Ecke und ließ sich auf die Matratze fallen. Violetta setzte sich auf seine Bettkante. Sie legte ihre Hand auf seinen Rücken und redete leise mit ihm.

Ich kriegte allerdings nicht mit, was sie sagte, da ich mir in der Küche einen Pfirsischsaft einschenkte. Während ich an der Theke lehnte und am Glas nippte, beobachtete ich sie.

Er lächelte quälend und umarmte sie anschließend.

In dem Moment hörten wir Schreie aus dem Nachbarsbungalow. Rehava biss sich kichernd auf die Lippen und versuchte vergeblich, nicht loszuprusten.

„Scheiße, die habe ich ja ganz vergessen“, rief ich und eilte belustigt nach draußen.

Drei Mädchen standen schockiert vor ihrer Haustür und die Eine kriegte immer wieder einen Schauer über den Rücken, sodass sie sich wie eine Verrückte schüttelte.

Faruk fing jetzt auch an zu lachen, worauf sie uns entdeckten.

„Was glotzt ihr so“, motzte uns eine große, schlaksige Blondine an.

„Wartet mal!“ Eine braunhaarige, relativ hübsche unterbrach sie und hielt mit offenem Mund ihren Zeigefinger in die Luft. Anscheinend überlegte sie. „Ihr wart das“, schrie sie dann schließlich und stampfte grimmig auf uns zu.

„Ich weiß nicht was du meinst, Zuckerpuppe“, antwortete Rehava lässig.

Sie wollte wütend gucken, was ihr allerdings nicht gelang. Sie errötete und blickte mit einem leichten Lächeln verlegen auf den Boden.

Rehavas Charme konnte schließlich noch niemand widerstehen.

„Lass dich doch nicht von diesem Schwein ablenken“, stöhnte die zweite Blondine entnervt und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.

Rehava zog belustigt die Augenbrauen hoch. „Also Mädels, wo genau ist jetzt nochmal euer Problem?“

„Wo unser Problem ist???“ Die erste Blondine kam wieder zu Wort und rückte beängstigend nah. „Seht’s euch doch selber an!“

Also standen wir kurze Zeit später in einem Raum voller Heuschrecken, Mehlwürmer und einer nassen, algenverschmierten Matratze und bewunderten gespielt entsetzt unser Werk.

„Was habt ihr denn hier veranstaltet“, fragte Violetta herablassend.

„Wir haben überhaupt nichts gemacht“, zischte Blondine 1 zurück.

„Jedenfalls haben wir nichts mit dem Saustall hier zu tun und an eurer Stelle würde ich das dringend Herr Kolsten melden“, seufzte Rehava und setzte seinen unschuldigen Blick auf.

„Okay…“, murmelte Blondine 1 verträumt.

Die Brünette riss sie genervt los und stampfte zusammen mit Blondine 2 aus dem Bungalow.

„Wow, wie du das immer hinbekommst. Ist mir ein Rätsel“, lachte Violetta, als wir wieder auf unseren Betten saßen.

„Naja, so unverständlich ist das nicht. Ich meine…sieh mich doch an“, antwortete Rehava und lächelte sie schief an.

„Oh Gott, nein, das funktioniert bei mir nicht, Süßer“, seufzte sie und tätschelte behutsam seinen Kopf.

„Machen wir noch was“, fragte Faruk plötzlich und verwundert über seine Frage, sagten wir alle, es sei uns egal.

„Es ist halb 10…schon wieder so ne scheiß Zeit“, stöhnte er.

„FEIEEERN“, rief Rehava gut gelaunt.

„Nää“, antworteten wir alle gleichzeitig und er stützte enttäuscht den Kopf auf seine Hand.

„Wie wär’s mit Strand“, schlug ich begeistert vor.

„Nää“, antworteten die Anderen erneut.

„SHOPPEN“, schrie Violetta, als hätte sie soeben die perfekte Idee gefunden.

„Ich sagte es ist halb 10“, wiederholte Faruk. „Aber viel Spaß beim Shoppen“, fügte er sarkastisch hinzu.

„Sieht so aus, als würden uns keine Vorschläge mehr einfallen“, fing Rehava an zu reden. „Aber nein, der gute Rehava hat immer eine Idee parat. Wir werden uns jetzt alle eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank nehmen, Dylan schnippelt uns noch schnell einen Obstsalat…“, worauf er mir einen bittenden Blick zuwarf. „Und dann setzen wir uns auf den Steg, lassen die Beine in das Wasser baumeln und reden über Gott und die Welt. Na, wie wär’s?“ Er zwinkerte uns ,überzeugt von sich selbst,zu. 

„Perfekt. Du bist ein Schatz“, grinste Violetta und schmatzte ihm ein Kuss auf die Wange.

Wow, ich hätte genauso auf diese simple Idee kommen können. Ich hätte mir auch einen Kuss abstauben können, dachte ich verärgert und fing tatsächlich an, einen Obstsalat zu machen. Rehava und sein unschuldiger Blick brachte ihn echt dazu alles zu bekommen, was er wollte. 

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt