„Ihr könnt echt vom Glück reden, dass ich die Zigaretten in der Hosentasche hab“, sagte Rehava und präsentierte grinsend die Verpackung. „Dazu kommt, dass ich jedem von euch eine…leihe.“
„Dein Ernst? Leihen? Du bist so geizig“, lachte Faruk, nahm aber trotzdem eine entgegen.
„Nein, ich gehe nur vorsichtig mit dem Geld um“, widersprach Rehava.
„Dann würdest du ja gar nicht erst Kippen kaufen. Ich meine, die Dinger kosten ganze fünf Euro. Damit kann man als Nichtraucher schon ne Menge anstellen, stimmt’s, Dylan?“ Violetta blies den Rauch provozierend in mein Gesicht.
"Also bei McDonalds kriegst du damit ein ganzes Menü. Das ist ziemlich fiel“, sagte ich.
Rehava lachte. „Nimm!“
Ich zögerte etwas, doch dann nahm ich ihm die Zigarette aus der Hand. Vielleicht war das ja meine letzte Chance zu rauchen. Dass Rehava mal spendierfreudig war, ist echt was Besonderes. Faruk nahm das Feuerzeug und hielt es an meiner an, während ich an ihr zog. Nach zwei Versuchen merkte ich schnell, dass sie an war. Der Rauch schoss durch meinen Mund in meine Lunge. Ich schnappte vergeblich nach Luft. Eine überaus dumme Idee, wenn man die Kippe dabei noch im Mund behält. Ich schmiss sie ins Wasser und fing an zu husten. Ich röchelte wie ein alter Drogenjunkie. Die anderen lachten, aber lachten mich nicht aus.
„So ging es mir auch mal.“ Faruk klopfte mir auf die Schulter und zündete sich die zweite an (Ich glaube Rehava hat es nicht bemerkt, dass er noch eine genommen hatte).
„Ach was, du warst schon immer ein ekliger Kettenraucher“, lachte Violetta.
„Sagt die Richtige.“ Rehava drückte seine Zigarette auf der Matratze aus.
„Ey, wo soll ich jetzt eigentlich schlafen“, nörgelte Faruk.
„Ich glaube die Badewanne ist noch frei“, schlug ich vor.
„Ich schätze du hast Recht. Vielen Dank auch“, antwortete er empört.
Wir waren inzwischen auf der anderen Waldseite angekommen und unsere Bungalows schienen weit weg.
„Das sieht ziemlich gruselig aus“, flüsterte Violetta gespielt angsteinjagend.
„Ey, hör auf, man, das sieht aus wie der Wald bei „Wrong Turn“. Ohne Scheiß“, zischte Faruk.
„Vielleicht wurde der Film ja sogar hier gedreht“, sagte Rehava amüsant.
„Oder…vielleicht basiert der Film auf einer wahren Begebenheit und es ist genau hier passiert“, flüsterte ich.
„Wow. Ihr seid so gute Freunde“, rief Faruk verärgert.
„Wissen wir“, murmelte Rehava und schnippte die Kippenasche auf meine Hose. Wie nett.
Wir lagen noch lange auf der Matratze rum, redeten und ließen unsere Füße im Wasser baumeln. Bis jemand mal auf die Idee kam, auf die Uhr zu gucken. „Scheiße“, schrie Violetta entsetzt und setzte sich so schnell auf, dass die Matratze sich fast überschlug.
„Pass doch auf. Was ist? Hast du vergessen deine Pille zu nehmen oder was“, zischte Faruk entnervt.
Violetta hielt einen Moment inne, als sei das wirklich der Fall. „Nein, ich meine…Ja, aber das meine ich nicht. Es ist fünf vor zwölf Uhr! Herr Kolsten kommt gleich zu uns und wir sind einfach am Arsch der Welt!“
„Naja, das würde ich jetzt nicht sagen. Ich meine, wir können unsere Bungalows ja wenigstens noch sehen“, spaßte ich.
„Ja dann bring uns doch dahin“, schrie sie und paddelte wie eine Verrückte im Wasser rum. Rehava lehnte sich belustigt von der ganzen Situation an meinen Rücken an und beobachtete das Ganze.
Nachdem Violetta uns schon drohte und von den schlimmen Anrufen von Herr Kolsten an unsere Eltern erzählte, halfen wir schließlich mit. Wir waren nicht mal in der Mitte angekommen, als wir unseren Lehrer sahen.
„Scheiße“, fluchte Violetta verzweifelt.
„Schwimmt an den Rand“, befahl ich. „Sonst sieht der uns hier und das wäre…nun ja…ziemlich peinlich“, fügte ich hinzu.
Wir sprangen von der Matratze und graulten in Richtung Wald. „Wir schwimmen gerade in den Tod, ist euch das bewusst? Wir werden die nächsten Opfer des fürchterlichen Fluches von Wrong Turn“, ächzte Faruk nach Luft schnappend.
„Du bist verrückt“, lachte Rehava und zog sich mit seinen Händen ans Land.
Herr Kolsten klopfte gerade an einem unserer Nachbarsbungalows.
„Los, Los, Beeilung“, rief Violetta mir zu.
Ich war natürlich der Letzte, der noch im Wasser rumschwamm und verzweifelt nach einem Baumstamm oder so was suchte, an dem ich mich hochziehen konnte.
Sobald ich mich nach oben hieven konnte, rannten auch schon alle los. Ich versuchte konzentriert durch Bäume und Büsche zu rennen, ohne irgendwelche Äste ins Gesicht geschlagen zu bekommen. Wir liefen immer weiter am See entlang. So weit von unseren Bungalows konnte es nicht entfernt sein. Ich stolperte und flog natürlich – wer hätte es gedacht – im hohen Bogen hin. Rehava drehte sich kurz um und hielt mir die Hand hin, aber ich stand auf und rannte weiter. Nach ungefähr zwei Minuten kamen wir an.
Leider gleichzeitig mit Herr Kolsten, der uns verdattert anguckte. „Was…? Woher…? Was habt ihr gemacht“ fragte er und zeigte auf mein blutiges Knie, was ich bis jetzt nicht bemerkt hatte.
„Ehm, wir waren im Wald. Die Gegend erkunden. Rumgehen und so was“, stammelte Faruk und ich erkannte, was für ein beschissener Lügner er war.
„Also wir wollten den Wald mal sehen, weil wir bisher nur am Strand waren“, sprang Violetta für ihn ein. „Und naja, so tollpatschig Dylan auch ist, verhedderte er sich in einen der Äste und fiel auf einen spitzen Stein (dafür erntete sie einen verärgerten Blick von mir. Sie hätte es auch heldenhafter ausdrücken können). Jedenfalls haben wir dann bemerkt, dass es schon so spät ist und…Tja, hier sind wir!“ Sie zuckte mit den Schultern und lächelte höflich.
„Alles klar“, sagte Herr Kolsten langsam und verunsichert. „Dann weiß ich ja Bescheid… Aber warum seid ihr so nass? Ihr wart doch nicht im See schwimmen? Ihr wisst, dass das verboten ist?!“ Er guckte uns ermahnend an.
„Ehm, nein, natürlich nicht. Es war ganz schön warm, also haben wir eine Wasserschlacht gemacht“, sagte Rehava schnell, als hätte er nur auf diese Frage gewartet.
„Ja, wenn das so ist“, lachte Herr Kolsten. „Ich wünsche noch eine schöne Nacht.“ Mit diesen Worten kehrte er um.
Einen Moment lang schwiegen wir noch erschöpft und dennoch erleichtert.
„Oh man, das war genial“, rief Faruk begeistert. „Wie aus der Pistole geschossen haut der einfach eine Wasserschlacht raus“, wandte er sich an Rehava.
„Ich fand das sehr glaubwürdig“, grinste er.
Die Naivität unseres Lehrers wird uns noch einige Male retten, fürchtete ich.
Vor unserer Bungalowtür war ein Gartenschlauch (für was auch immer) und Violetta kam auf die sagenhafte Idee uns mit ihm abzuduschen. Ich holte Shampoo und Duschgel aus dem Badezimmer und ließ mich von Rehava nassspritzen. Es wurde ein guter Abend und abgesehen davon, dass Faruks Matratze noch irgendwo dahinten rumschwamm und wir alle wussten, dass Violetta wegziehen würde, fielen wir zufrieden und müde ins Bett…Naja…Beziehungsweise in die Badewanne.
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Violetta
RomanceDylan ist 17 Jahre alt und da seine Eltern meinen, er würde auf seiner Schule in tiefe Depressionen versinken, wenn er nicht bald neue Freunde findet, beschließen sie, sein Leben vollkommen auf den Kopf zu stellen, indem sie umziehen, Dylan die Schu...